Sozialrecht: Posttraumatische Belastungsstörung durch Arbeit mit Leichen?

Augen auf bei der Berufswahl! Das möchte man auch einem Leichenumbetter zurufen, der die Arbeit mit und an Leichen als Begründung für seine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) geltend macht. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg lehnte eine Anerkennung als „Berufskrankheit“ ab.

Doch bei dem 1963 geborenen Mann handelt es sich um keinen einfachen Friedhofsgärtner. Er war vielmehr von 1993-2005 für den Verein “Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge” als Leichenumbetter in Mittel- und Osteuropa tätig. In diesem Rahmen führte er die Exhumierung und Identifizierung von Weltkriegstoten sowie von Toten der Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren durch. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Gebeine der Toten aus den Grabanlagen zu bergen, Alter, Geschlecht und – soweit möglich – die Todesursache zu bestimmen sowie Körperbau, Größe und gefundene Gegenstände zu protokollieren und fotografisch zu dokumentieren. Man kann sich also durchaus vorstellen, dass diese Arbeit auf Dauer belastend sein kann.

Ab 2005 war der Mann dann auch arbeitsunfähig erkrankt. 2017 wandte er sich an seine Berufsgenossenschaft und trug vor, durch seine langjährige Tätigkeit sei es bei ihm zu gesundheitlichen Störungen mit einer lebenslangen Behinderung gekommen. Doch die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, seine Erkrankung einer Berufskrankheit gleichzustellen. Psychische Erkrankungen wie eine PTBS gehörten nicht zu den in der Berufskrankheiten-Liste aufgeführten Krankheiten. 

Kein hinreichender Zusammenhang zwischen Leichenumbetten und PTBS

Dagegen klagte der Leichenumbetter vor dem Sozialgericht Potsdam und ebenfalls erfolglos vor dem LSG Berlin-Brandenburg. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) geregelt. Laut § 9 Abs. 2 SGB VII können aber auch solche Krankheiten dem Versicherungsschutz unterfallen, die zwar nicht in der BKV geregelt sind, aber unter § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII fallen. Dies ist der Fall, wenn Krankheiten nach medizinischen Erkenntnissen durch Einwirkungen verursacht sind, welche bestimmte Personengruppen in erheblich höherem Maße ausgesetzt sind.

Nach den aktuellen diagnostischen Kriterien (ICD-11) sei eine PTBS Folge eines extrem bedrohlichen oder entsetzlichen Ereignisses oder einer Reihe von entsprechenden Ereignissen. Diese Eingangsvoraussetzung sei nicht bereits durch den Beruf als Leichenumbetter erfüllt, sondern es sei vielmehr auf die konkreten Einwirkungen abzustellen. Laut Gericht fehle es aber an durch epidemiologische Studien gesicherten Erkenntnissen dazu, dass zwischen der Tätigkeit als Leichenumbetter und PTBS ein hinreichender Zusammenhang besteht. Daher sei die Klage des Mannes abzuweisen.


Entscheidung: LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27.04.2023, Az. L 21 U 231/19

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