Simon hat eines seiner Pflichtpraktika innerhalb des Jurastudiums im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium verbracht. Er berichtet in seinem Beitrag, wieso sich ein Praktikum im Ministerium immer lohnt.
Der Weg ins Ministerium
Ehrlich gesagt war die Bewerbung für das Niedersächsische Wirtschaftsministerium (kurz: MW) eher ein Versuch, in den ich nicht wirklich viel Hoffnung gesteckt hatte. Die Plätze sind rar und (wie ich damals bereits vermutete) heiß begehrt. Meine Klausurnoten aus den ersten zwei Semestern waren mit einem Schnitt von 6,6 Punkten nicht überragend gut, wenngleich ich alle Klausuren bestanden hatte. „Einfach versuchen!“, dachte ich, „Mehr als Nein sagen können sie ja nicht.“ Umso erfreulicher war es, als wenige Tage später die Zusage vom Referat Z 3 (Justiziariat) in mein Postfach trudelte. Vermutlich war es hilfreich, dass ich mich bereits sechs Monate vor Beginn des Praktikumszeitraums beworben hatte. Insofern ein Tipp meinerseits: Früh sein lohnt sich!
Homeoffice und verwirrende Gebäude
Besagte sechs Monate später hatte ich das dritte Semester abgeschlossen und der erste Tag im Ministerium stand an. Das Praktikum fand im Februar 2021 statt, also inmitten der Corona-Zeit. Ziemlich overdressed betrat ich das Ministerium in der Erwartung, dass alle Männer einen schwarzen Anzug tragen, die Frauen im Kostüm mit Stiftrock herumlaufen und alle mit ernster Miene Aktenberge von links nach rechts tragen. Ein zugegeben altes Cliché, aber die Verwaltungsbehörden in Deutschland sind nun mal auch nicht für ihre Lockerheit oder Modernität berühmt. Vorweg: Dieses Cliché hat sich direkt widerlegt. Im Endeffekt war ich mit meinem kompletten Anzug inkl. Anzugschuhen vermutlich doch etwas zu overdressed, aber hey, lieber overdressed als underdressed.
Meine Praktikumskollegin und ich wurden von einer jungen Mitarbeiterin empfangen und wir haben zusammen den üblichen Papierkram erledigt. Sodann sind wir gefühlte 20 Gänge und vier Treppenhäuser entlang gegangen, bis wir zu einem Büro kamen, an dem tatsächlich unsere Nachnamen als Namenschild außen dran standen. Die Freude darüber war uns mit einem breiten Grinsen ins Gesicht geschrieben. Wir haben unsere Schreibtische gezeigt bekommen und den Hinweis bekommen, dass aufgrund der Pandemie das ganze Ministerium aus dem Homeoffice arbeitet. „Behörde und Digitalisierung“, dachten wir uns, „das kann ja spannend werden.“ Wir haben unsere Arbeitslaptops von unseren Schreibtischen genommen und unsere Telefon-Durchwahlen auf unsere privaten Handys weitergeleitet. Nicht mal zwei Stunden nach Betreten des Ministeriums waren wir bereits wieder auf dem Weg nach Hause mit unseren Laptops unter den Armen. Auf dem Weg nach draußen haben wir uns, wie sollte es auch anders sein, natürlich erstmal ordnungsgemäß verlaufen. Ein Fauxpas, der, so haben wir uns sagen lassen, schon einigen Neuankömmlingen im MW passiert ist.
Zuhause angekommen, richtete ich meinen Arbeitsplatz ein. Bei Fragen bzgl. Intranet o.Ä. stand uns der IT-Service des Landes Niedersachen 24/7 zur Seite. Wirklich hervorragend. Probleme wurden in minutenschnelle behoben und telefonisch gab es keine Warteschleife in der man mehrere Stunden hing. Kurz nach Einrichten des Arbeitsplatzes hatten wir unser erstes Skype-Meeting mit unserem direkten Vorgesetzten sowie dem Referatsleiter. Nachdem wir auch dort herzlichst begrüßt wurden und nochmal ein paar organisatorische Sachen durchgesprochen hatten, ging es dann auch schon richtig los.
Was gab es denn nun zu tun?
Die Aufgaben gingen von der Beantwortung parlamentarischer Anfragen über Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen, bis zu Übersetzung von Regierungspapieren der EU. Ich darf hier leider nicht zu weit ins Detail gehen, aber wenn eine Partei Fragen zu einem Gesetz hatte oder um Überprüfung einer Rechtslage bat, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es bei uns landete. Wir durften bei der Erstellung von AG-Unterrichtsmaterialien für die Referendar:innen helfen und wurden in das EU-Beihilferecht sowie das Vergaberecht eingearbeitet. Ein kompletter Rundumschlag von allen Facetten des Öff-Rechts.
Das bis dato angesammelte theoretische Wissen aus dem Jurastudium war für die ganzen Aufgaben nur bedingt hilfreich. Vielmehr waren eine saubere wissenschaftliche Recherche und praktische Umsetzung erforderlich. Die Aufgaben waren vielseitig, teils sehr detailliert und unsere Kolleg:innen mussten sich dabei jederzeit auf unsere Ausarbeitungen verlassen können. Teilweise hatte man eine sehr spezielle Fragestellung zu der es bisher nur ganz wenig Literatur gab. Unsere Aufgabe war es dann, alles jemals dazu Geschriebene oder Ausgeurteilte zu finden, aufzuarbeiten und zu präsentieren.
Dieser Umstand hat das Praktikum einerseits zeitlich sehr umfangreich gemacht, andererseits hat es einem dafür das Gefühl gegeben, nicht „nur ein Praktikant“ zu sein. Es gibt vermutlich Praktika, die zeitlich entspannter sind, aber die wären ohnehin nicht das Richtige für mich gewesen. Kaffee holen und Kopien anfertigen? Nein, solche Praktikumsbeschäftigungen mag es vereinzelt noch geben, aber nicht im MW und ganz sicher nicht im Referat Z3. Zugegeben, Kaffee holen wäre auch sehr aufwendig geworden, da alle Kolleg:innen im Homeoffice gearbeitet haben. Aber solche Aufgaben zu erteilen, widerspräche auch dem Credo des Referatsleiters, wie er uns erzählte. Er möchte junge Jurist:innen direkt in sein Team einbinden, ihnen von Anfang an wichtige Aufgaben übertragen und dabei (als netten Nebeneffekt) gleichzeitig mit den Vorurteilen gegenüber Behörden aufräumen, denen ich zugegeben vor dem Praktikum auch selbst unterlag.
Digitalisiert und flache Hierarchien
Das MW war digital auf dem Stand eines großen Unternehmens in der freien Wirtschaft. Wie gesagt hatten wir unsere eigenen Arbeitslaptops bekommen, hatten eine eigene Telefondurchwahl und eigene, personalisierte Ministeriums-Mailadressen. Das Büro mit Innenhofblick konnten wir leider nur am ersten und letzten Tag nutzen, aber theoretisch wäre auch ein extra für uns bestimmtes Arbeitszimmer da gewesen. Wir wurden von Anfang an als vollwertige Mitarbeiter behandelt und das hat natürlich dazu geführt, dass wir unsere Aufgaben auch sehr ernst genommen haben. Die anderen Kolleg:innen verließen sich darauf, dass wir unsere Deadlines einhalten und qualitative Arbeit abliefern. Trotz der relativ hohen Arbeitsbelastung war die Stimmung im ca. 10-köpfigen Referat niemals angespannt. Unsere Aufgaben wurden uns ganz in Ruhe erklärt und wir konnten so viele Nachfragen stellen wie wir wollten. Das kam im Endeffekt natürlich auch den Kolleg:innen zu Gute, denn je besser wir wussten, was wir genau erledigen sollen, desto besser wurde das Endergebnis.
Jeden Mittwochmorgen gab es ein Teammeeting via Skype. Der Referatsleiter eröffnete dies stets mit einem kleinen Warm-Up-Spiel, bei dem wir gemeinschaftlich Quizaufgaben gelöst haben oder uns Tatsachen genannt wurden, die wir Kolleg:innen innerhalb des Referats zuordnen mussten. So erfuhr man bspw. welcher Kollege schon einmal einen Fallschirmsprung gemacht hat o.Ä. Ideal also, um morgens erstmal die Stimme warm zu bekommen, die erste Tasse Kaffee zu trinken und gleichzeitig seine Kolleg:innen besser kennenzulernen. Danach berichtete der Referatsleiter über den aktuellen Aufgabenstand und jedes Referatsmitglied hat erzählt, was er:sie gerade so auf dem Schreibtisch liegen hat und welche Vorgänge in der letzten Woche bearbeitet worden waren. Etwas überrascht war ich, als mir plötzlich der virtuelle Redestab übergeben wurde, aber man wurde eben als vollwertiges Mitglied behandelt. Also erzählte ich, was ich die letzte Woche erledigt hatte und an welchen Aufgaben ich gerade arbeite. Beflügelt von der Einbindung in das gesamte Referatsteam konnte ich mich kaum bremsen nach neuen Aufgaben zu fragen. Für die nächsten vier Wochen war ich kein „Student, der gerade Semesterferien hat“, sondern Mitarbeiter des Z 3 Referats im Nds. Wirtschaftsministerium. Ich muss zugeben, dass mich dieser Gedanke mit Stolz erfüllt hat.
Fazit
Das Praktikum im MW hat mich nicht nur in juristischer Hinsicht, sondern auch menschlich sehr positiv geprägt. Es hat mit dem Vorurteil einer altmodischen Behörde mit starren Hierarchien komplett aufgeräumt. Das Ministerium war vorbereitet auf uns Praktikanten. Alle Zugänge waren eingerichtet und funktionierten einwandfrei. Zudem haben Kleinigkeiten, wie bspw. den eigenen Namen an der Bürotür zu lesen, dafür gesorgt, dass man von Anfang an ein stärkeres Teamgefühl hatte als es in anderen Praktika evtl. der Fall ist. Das persönliche Wort auf dem Flur ist durch das Homeoffice vermutlich etwas kürzer gekommen und auch den „Casual-Friday“ konnten wir im Pullover nur online erleben.
Trotzdem hat das Referat Z 3 einen fast schon familiären Charakter, der dafür gesorgt hat, dass ich mich auch heute noch bei dem Referatsleiter und meinem damaligen direkten Vorgesetzten jederzeit melden kann. Ein Team, mit dem man gerne abends nach Feierabend noch ein Bier trinken gegangen wäre; wären da nicht die Pandemie und das Homeoffice gewesen. Zusammenfassend: Eine Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen möchte.