Von „kuriose[n] Geschichten aus den Gerichten“ schreibt Christian Solmecke in seinem neust erschienenen Buch „Welches Recht gilt bei Mord im Weltraum?“. Auch diese Frage bleibt nicht unbeantwortet. Ein Buch das thematisch nicht besser zu JURios passen könnte.
Der Autor Christian Solmecke (*1973) studierte Jura in Köln und Bochum, absolvierte anschließend einen Master of Laws und spezialisierte sich dann als Rechtsanwalt auf die Beratung der Internet- und IT-Branche. Seit 2010 ist er Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal. Daneben hat er mehrere Unternehmen gegründet und mit Legalvisio eine neue Software für Anwaltskanzleien ins Leben gerufen. Für viele ist Christian Solmecke aber wohl eher als der „Youtube-Anwalt“ bekannt. Mit seinem Kanal „WBS.LEGAL“ unterhält und informiert regelmäßig knapp eine Million Abonnenten.
Pimmelgate und künstliche Intelligenz im Knast
Schon zu Beginn weckt Solmecke Interesse zum Weiterlesen. So zählt er nicht nur einige vielleicht schon bekannte Urteile auf, wie bpsw. den „Pimmelgate“-Fall (JURios berichtet) oder den berühmten McDonald´s-Fall vom versschütteten Kaffee, sondern wirft auch einige Fragen auf, die im Buch beantwortet werden sollen. So saß doch „jeder […] schon mal zu Hause auf dem Sofa und dachte sich: Mmh, was wäre eigentlich, wenn … Was wäre, wenn ein Baby im Weltraum geboren würde, welche Nationalität hätte es? Wenn ich über die Grenze zweier Länder hinweg jemanden erschieße, nach welchem Strafgesetzbuch werde ich verurteilt? Und wer kommt in den Knast, wenn eine künstliche Intelligenz mordet?“ Alles Fragen, die man sich doch tagtäglich stellt. Und selbst, wenn es nicht so sein sollte, denkt man spätestens jetzt darüber nach.
Buch zum „zwischendurch“ lesen
Auf 304 Seiten hat Solmecke in 14 Kapiteln in einer humoristischen Hingabe eine Vielzahl von Urteilen und Fällen, in denen es zu gar keinem Urteil mehr kam, aufgezählt und juristisch beleuchtet. Wer nun aber denkt, so viele Seiten und nur so wenig Kapitel, das wären ja mehr als 21 Seiten pro Kapitel, so viel auf einmal kann man doch gar nicht lesen, der täuscht sich. Als ehemaliger Journalist versteht Solmecke etwas davon, das Interesse der Menschen zu wecken. Zu Beginn jeden Kapitels ist eine kleine Karikatur eingefügt, die einen ersten Einblick in das nächste Thema bietet. Danach werden die einzelnen Fälle und Urteile zu dem Thema auf ein bis max. drei Seiten behandelt. Du siehst, das Buch liest sich also nebenbei fast von selbst.
Reimende Richter
Thematisch könnte die Spannbreite wohl kaum größer sein. Im Kapitel „Kuriose Geschichten aus den Gerichten“, steht ein Mann von den Toten wieder auf (JURios berichtet), in einem anderen Fall ist es einem Mann verboten, in einer Mietwohnung zu sterben (JURios berichtet). Gestorben wird also nicht und wer einmal tot ist, bleibt das gefälligst auch. Einige der aufgeführten kuriosen Klagen haben viele wahrscheinlich schon mal gehört. Unter anderem hat Red Bull keine Flügel verliehen (JURios berichtet). Was macht man da? Natürlich klagen. Ein Mann darf sich nicht in James Bond umbenennen, Folge: Klage. Das berühmte Nevermind-Baby auf dem Cover des Albums der Band Nirwana spielt ebenfalls eine Rolle (JURios berichtet).
Aber auch die Arbeitswelt kommt nicht zu kurz: Putzfrauen, die Grundschulzeugnisse fälschen und Beamte, die 220.000 Euro für Überstunden ausbezahlt haben wollen.
Im achten Kapitel geht es schließlich um Sex vs. trockenes Recht. Dominas jagen ihre Kunden wegen geplatzten Terminen (JURios berichtet), verprügelte Liebhaber haben keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Richter, die über Masturbieren im Russenpuff ein Gedicht schreiben (JURios berichtet). So werden Berufswünsche eben kurzerhand miteinander kombiniert. Kleine Kostprobe gefällig?
Das Barhocker-Urteil
Der Streit entstand, weil der Beklagte
Im Rechtsstreit vorzutragen wagte,
was nun der Klägerin sehr missfällt.
Sie fordert deshalb Schmerzensgeld.
Dass der Beklagte schweigen soll,
verlangt sie ferner voller Groll.
Nun, der Beklagte hat einst einen Spielbetrieb besessen,
die Klägerin ihrerseits indessen
erhielt – als Aufsicht eingesetzt –
für diese Tätigkeit zuletzt als Stundenlohn, wie man das kennt,
nur 7 Euro und 11 Cent.
Oft kamen dorthin manche Kunden
erst in den späten Abendstunden,
um sich vielleicht vom Tagesstress beim Spielen auszuruh´n
indes behauptet nunmehr der Beklagte,
dass es die Klägerin dann wagte,
so neben ihren Aufsichtspflichten
noch andere Dringe zu verrichten.
Er habe zwar nun dies Geschehen
nicht selbst vor Ort mit angesehen.
Doch hätten Zeugen ihm beschrieben,
was dort die Klägerin getrieben.
So habe sie sich nicht geniert
Und auf dem Hocker masturbiert.
Was dabei auf den Hocker troff,
befände sich im Hockerstoff.
Die Spielbar sei aus diesem Grunde
als „Russenpuff“ in aller Munde.
Ein Hauch halb erotischer Poesie von der Richterbank …
Er kündigte aufgrund der Kunde
der Klägerin aus andrem Grunde,
um – dies ließ er jedoch betonen –
den Ruf der Klägerin zu schonen.
Die Klägerin klagte dann sogleich.
…
Das Sexualleben anderer Leute ist natürlich immer interessant, weshalb Solmecke auch in anderen Kapiteln immer wieder darauf zurückkommt. So lag ein Fall wegen Unterhaltskürzung mangels Sex in der Ehe vor und das Arbeitsamt wollte, dass sich eine Frau als Stripperin bewirbt.
Künstliche Intelligenz und weniger intelligente Technik
Nun sollte man aber nicht denken, dass das Buch ein Ableger der Fifthy Shades of Grey-Reihe sei. Trotz aller Neugier und Fülle an Fallmaterial und Rechtsprechung dazu kommt auch die modernste Technik nicht zu kurz. Unter anderem spricht Solmecke über den Elefanten im Raum: ob eine künstliche Intelligenz, kurz KI, Anwält:innen bald ersetzen kann. Anschaulich lässt er von einer KI erstellte Texte einfließen. Ein bisschen beängstigend kann das wohl schon sein, wenn man nach mindestens sieben Jahren juristischer Ausbildung einfach durch ein Programm ersetzt werden soll (JURios berichtet). Spoiler: Ganz so ist es aber nicht. Also schmeißt nicht alle Euer Studium hin, nur weil Euch jemand erzählt, dass Ihr in fünf Jahren von einer KI ersetzt werdet. Dass bei dem Einsatz von künstlicher Intelligenz aber auch so einiges schiefgehen kann, zeigt sich an der Vielzahl der aufgeführten Fälle (JURios berichtet).
Empfehlung: Lesen und Lachen
Die große Vielzahl der Fälle, die Solmecke sicherlich in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen hat, zeigen wieder einmal, wie humorvoll unsere Justiz und die der Welt sein kann. Er widerlegt auf eine humoristische Weise wieder einmal das Vorurteil: Jura ist trocken. Keineswegs. Man mag sich manchmal wundern und meinen, dass er sich das doch nur ausgedacht haben kann. Aber nein, sofern es Urteile gab, hat er diese angeführt, sodass man sich gern die juristischen Ausführungen in ihrer ganzen Breite anschauen kann. Dieses Buch ist nicht nur für Jurist:innen und solche, die es noch werden wollen, ein optimales Geschenk, sondern auch für alle Familienmitglieder und Freund:innen, die einem wieder einmal erzählen wollen, dass Jura doch total langweilig wäre. Belehrt sie eines Besseren!
Und welches Recht gilt nun bei Mord im Weltraum?
Als Abschluss geht der Autor auf die im Einband gestellte Frage ein: „Welches Recht gilt bei Mord im Weltraum?“. Vielleicht möchte man sich schon vorher selbst einmal Gedanken darüber machen, vielleicht liegt man ja sogar richtig. „Klar ist nur eines, wenn es um Strafrecht im All geht: Das Sprichwort ‘Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand’ muss definitiv um das Wort Weltraum ergänzt werden.“ Zumindest Kanada hat sich jedoch schon mit Mond-Mördern ebschäftigt (JURios berichtet). In diesem Sinne, viel Spaß beim Lesen und Schmunzeln.