Das US-amerikanische Rechtssystem sorgt regelmäßig für aufsehenerregende Schlagzeilen. Kläger:innen fordern darin Summen an Schadensersatz, die im deutschen Recht ausgebildete Personen die Kinnlade herunterfallen lassen.
Neu in der Reihe der hochgegriffenen Beschwerden: Die Klage eines New Yorkers wegen einer zu dünn belegten Pizza. Wegen angeblich irreführender Werbung des Unternehmens Taco Bell klagte Frank Siragusa am 31. Juli 2023 vor dem District Court (Eastern District of New York). Damit ist er Teil einer Sammelklage, die sich auf insgesamt fünf der Produkte des Fast Food-Unternehmens bezieht.
Zu wenig Fleisch und Bohnen
Im Fall von Siragusa ging es um die „Mexican Pizza“, die vornehmlich aus Rindfleisch und Bohnen zwischen zwei Teigfladen besteht. Die Kläger:innen bezeichneten die Werbung von Taco Bell als „unfair und finanziell schädigend für Konsument:innen“, insbesondere in Zeiten der Inflation. Werbefotos der Produkte zeigten mindestens doppelt so viel von Fleisch und Gemüse, als die Produkte tatsächlich enthielten. Die Klageschrift beinhaltete auch Fotos der Produkte aus der Werbung und dem gegenübergestellt Fotos von entsprechenden Produkten, die tatsächlich verkauft wurden.
Die Divergenz von Werbung und Realität könnte Taco Bell bis zu fünf Millionen Dollar (ca. 4,5 Millionen Euro) kosten. Eine unrealistische Schadenssumme? Nicht nach dem US-amerikanischen Recht. Denn hier können neben dem Ersatz tatsächlich entstandener Schäden („compensatory damages“) auch „punitive damages“ (dt. “Strafschadensersatz”) zum Tragen kommen, die Auswirkungen auf das zukünftige Verhalten des oder der Beklagten haben sollen. Zudem wird Taco Bell unfairer Wettbewerb im Vergleich zu Anbieter:innen mit realistischerer Werbung vorgeworfen, weshalb die Kläger:innen auch korrekte Werbung in der Zukunft fordern.
Einer der Anwälte von Siragusa hatte bereits im letzten Jahr Klage gegen McDonald’s und Wendy’s erhoben, in der die Größe der verkauften Burger im Vergleich zu deren Größe in der Werbung bemängelt wurde. Eine Entscheidung steht noch aus.
Ein Blick in die Welt der „punitive damages“
Interessant ist hingegen ein Blick auf bereits abgeschlossene Verfahren, in denen „punitive damages“ eine Rolle spielten. Am bekanntesten ist hier wohl der Fall der Stella Liebeck gegen McDonald’s. Die damals 79-jährige Klägerin bestellte im Jahr 1994 einen Kaffee am Drive-Through-Fenster eines McDonald’s in Albuquerque. Sie nahm den Becher zwischen die Knie, um Milch und Zucker hinzuzufügen, als dieser umfiel. Durch die Verbrühungen mit dem heißen Kaffee erlitt sie Verbrennungen dritten Grades, die permanente Spuren hinterließen. Eine Jury sprach ihr eine Summe von 2,86 Millionen Dollar zu, die aber vom zuständigen Richter auf 640.000 Dollar gekürzt wurde. Dieser Betrag setzt sich zu einem Viertel aus „compensatory damages“ und zu drei Vierteln aus „punitive damages“ zusammen. Die Parteien einigten sich anschließend auf einen Vergleich. In so mancher Schilderung hört sich der Fall allerdings deutlich spektakulärer an.
Und was ist mit der Frau, deren Katze beim Trocknen in der Mikrowelle verstarb und die daraufhin Schadensersatz vom Mikrowellenhersteller forderte? Auch hier ist die Realität lange nicht so sensationell: Bei dieser Geschichte handelt es sich wohl um eine urbane Legende. Zu diesem Ergebnis kamen zumindest zwei Wissenschaftler, die im Rahmen einer Veröffentlichung Recherchen zum Fall anstellten. Immerhin dürfen wir im Fall Siragusa gegen Taco Bell auf ein spannendes Urteil hoffen.
Fundstellen: https://www.focus.de/