Inmitten des seit nunmehr über einem Jahr andauernden Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine droht die Finanzierung des Instituts für Ostrecht in München durch den Bund beendet zu werden. Die Folgen dessen wären nicht nur für die vielen langjährigen Mitarbeitenden im Institut fatal.
Als Studentin der Rechtswissenschaften beobachte ich das Versäumnis des Bundestages, die Finanzierung eines der Grundpfeiler der rechtswissenschaftlichen Forschung und des innereuropäischen Austauschs über die Grenzen der Europäischen Union hinweg weiterhin zu sichern, insbesondere in Hinblick auf die aktuelle geopolitische Situation mit größter Sorge. Der Bundestag begründet die Entscheidung, die zur Auflösung des Institutes führen würde, mit dem Wegfall des deutschen Interesses an dessen Tätigkeit und damit, dass seine Aufgaben nunmehr vom Auswärtigen Amt und der EU erfüllt werden könnten.
Daher möchte ich mit diesem Artikel die fundamental wichtige Arbeit des Instituts vorstellen und gleichzeitig an alle Abgeordneten des Bundestages appellieren, zur nächsten Haushaltssitzung einer Weiterfinanzierung des Instituts zuzustimmen, um den Kommunikationsdraht wissenschaftlicher Zusammenarbeit zu unseren Nachbarn im Osten Europas aufrecht zu erhalten und so die internationale Forschung im Bereich der Rechtswissenschaft und damit das internationale Verständnis innerhalb Europas zu stärken.
Langjährige Tradition
Das Institut für Ostrecht e.V. besteht in heutiger Form bereits seit 1957 und ist Teil des Wissenschaftszentrums Ost- und Südosteuropa.
Wenngleich sich auch die Kollaboration mit den Ländern Osteuropas gerade in seiner Anfangszeit aufgrund des eisernen Vorhangs alles andere als einfach gestaltete, erhielt das Institut den wissenschaftlichen Austausch stets entschlossen aufrecht und legte bereits damals wichtige und wesentliche Grundsteine für Kommunikation und Verständnis mit den Ländern der Sowjetunion.
Früher wie heute betreibt das Institut für Ostrecht Forschung und Lehre anhand vielfältiger Projekte zu Themen unter anderem des Verfassungsrechts, Europarechts sowie des internationalen Privat- und Strafrechts und bildet mit dieser ein wichtiges Kettenglied der Zusammenarbeit zwischen den osteuropäischen Ländern und Deutschland. Auch leistet es Beratungsarbeit, zum Beispiel für Gesetzgeber und -anwender:innen.
Hochspezialisierte Länderreferent:innen
Dabei sind jeweils einzelne Länderreferate unter der Leitung hochspezialisierter Wissenschaftler:innen für ihren Bereich zuständig. Diese beobachten die Geschehnisse und Entwicklungen in ausländischen Rechtsgebieten anhand der Auswertung von Rechtsprechung, juristischen Publikationen, Gesetzblättern und insbesondere durch den direkten Kontakt zu Institutionen und Wissenschaftler:innen sowie Jurist:innen der Praxis im In- und Ausland und sind so stets auf dem neuesten Stand.
Eine rein dogmatische Herangehensweise an die Interpretation osteuropäischen Rechts allein liefert dabei häufig nicht das ganze Bild. Vielmehr sind Normtexte im Kontext der Rechtstradition der Länder zu sehen und auszulegen, über welche die Länderreferent:innen jeweils über ein breit gefächertes, detailliertes Fachwissen verfügen, welches hierfür unerlässlich ist.
Gerade in Deutschland, das aus historischen Gründen eine besondere Verantwortung zum Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und Demokratie trägt, werden – wie in vielen anderen westeuropäischen Ländern auch – die Gesetze der Verfassung bis hin zu den grundlegenden Menschenrechten oftmals als gegeben und selbstverständlich hingenommen.
Jedoch zeigt sich häufig gerade bei unseren osteuropäischen Nachbarn, dass dies bei Weitem nicht der Fall ist. Hierfür ist nicht nur die jüngste Eskalation der Spannungen an den östlichen Grenzen Europas in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins auf die Ostgebiete der Ukraine ein prägnantes Beispiel.
Man braucht beispielsweise nur in Richtung Polen oder Ungarn blicken, wo politische Entwicklungen im Land in Richtung eines konservativen Nationalismus drohen, die Verfassungen und Gerichtsstände der Länder auszuhebeln. So ist es in Polen der PiS-Partei innerhalb ihrer Amtszeit gelungen, das Recht auf gesundheitliche Grundversorgung und Selbstbestimmung schwangerer Menschen durch das faktisch fast gänzliche Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in schwerster Form zu beschneiden, während in Ungarn trotz deren Bekenntnis zur europäischen Wertegemeinschaft in einer Verfassungsänderung im Jahre 2011 Menschenrechte insbesondere auch in Bezug auf Menschen, die Teil der LGBTQ+-Community sind, nicht durchgehend ausreichend gewahrt werden.
Bedenkliche rechtliche Entwicklungen im Osten
Doch dies sind nur zwei einzelne von zahlreichen Beispielen für bedenkliche rechtliche Entwicklungen bei unseren unmittelbaren europäischen Nachbarn, welche Konsequenzen auch für alle anderen Staaten auf dem Gebiet Europas nach sich ziehen werden, so wie es der Krieg in der Ukraine bereits jetzt tut.
Das Institut mit seinen Länderreferaten, in denen auch diese beiden Länder vertreten sind, dokumentiert Entwicklungen wie diese, es erforscht und erklärt sie in wissenschaftlichen Arbeiten. Vielmehr noch: Es schafft eine Brücke der Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Lehrenden und Praktizierenden der Rechtswissenschaften in diesen Ländern, sowohl in Krisen- als auch in Friedenszeiten. Darüber hinaus pflegt das Institut in Vernetzung mit anderen Institutionen der Osteuropaforschung die interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Auch Studierende können von der Arbeit des Instituts unmittelbar profitieren, denn das Institut veranstaltet als weiteren Teil seines breit gefächerten Aufgabenbereichs nicht nur Tagungen und Konferenzen, sondern auch Vorlesungen, Seminare und Vorträge in Universitäten in Deutschland und im Ausland, und betreut regelmäßig Praktikant:innen und Rechtsreferendar:innen.
Fortbestand des Instituts muss gesichert werden
Wie aus diesem denkbar kleinen Einblick in die Arbeit des Instituts hervorgeht, leistet das Institut für Ostrecht also einen erheblichen, wertvollen und unersetzlichen Beitrag zu Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften, welcher durch seine Schließung unwiederbringlich verloren ginge.Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch die Freiheit der Wissenschaft ein Ausdruck von Demokratie ist.
Das Institut für Ostrecht wird durch das bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie durch das Bundesministerium für Justiz aufgrund eines Beschlusses des Bundestages gefördert. Während das bayerische Staatsministerium eine weitergehende Förderung bereits zugesagt hat, fehlt ein entsprechender Beschluss des Bundestages.
Die eher bescheidenen finanziellen Mittel, die von diesem zum Erhalt des Institutes freigegeben werden müssten, stehen in keinem Verhältnis zu den fatalen Folgen für Forschung, Wissenschaft und Lehre bei dessen Schließung. Weder das Auswärtige Amt, noch „die EU“, welche Institution dies auch im konkreten Fall bezeichnen mag, besitzen die Kapazitäten, die Arbeit des Institutes in einem solchen Falle auf auch nur annähernd gleich hohem wissenschaftlichen Niveau fortzusetzen.
Daher mein inständiger Appell:
- Ein starkes Europa bedeutet Frieden, Menschenrechte, Demokratie, und Wohlstand für alle.
- Die europäische Zusammenarbeit stärkt unsere europäische Gemeinschaft.
- Das Institut für Ostrecht muss daher unbedingt weiter bestehen.
- Wenn Leser:innen sich für die Arbeit des Instituts interessieren, können sie sich auf der Website unter www.ostrecht.de weitergehend informieren.