Legal-Tech-App gesetze.io veröffentlicht
Custom GPT: Ist das die Zukunft der juristischen Recherche?

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Das Legal Tech-Unternehmen gesetze.io hat vergangene Woche eine Custom GPT im App Store von Open AI veröffentlicht. Dieser Beitrag beleuchtet die Hintergründe und gibt einen Ausblick, wie Legal Tech in Zukunft für die juristische Recherche eingesetzt werden können wird.

Was ist gesetze.io?

Gesetze.io ist eine App, die die digitale Arbeit mit Gesetzen und juristischen Informationen erleichtert. Sie enthält eine Vielzahl von Gesetzen von Bund, Ländern und EU, die in der App markiert, kommentiert und zu eigenen Normsammlungen zusammengestellt werden können. Das dahinterstehende Unternehmen wurde 2016 in Heidelberg gegründet. Die App ist seit 2017 in den App Stores verfügbar und erfreut sich mit mehr als 30.000 regelmäßigen Nutzern großer Beliebtheit. Sie kann sowohl auf dem Smartphone als auch auf dem Tablet und Desktop betrieben werden. Die in der App erstellten Inhalte werden über alle Geräte des jeweiligen Nutzers hinweg synchronisiert, sodass dieser stets seine eigenen Gesetze und Inhalte verfügbar hat. Für Endnutzer ist die App kostenlos – sie finanziert sich durch Stellenanzeigen von Kanzleien und Unternehmen.

Was hat es mit der Custom GPT auf sich?

Eine Custom GPT ist vereinfacht gesagt ein Zusatzmodul, das an ChatGPT angedockt werden kann und diesem eine breitere Wissensbasis zur Verfügung stellt. ChatGPT kann dadurch auch in Spezialbereichen präzisere Auskünfte geben, als dies mit der Standard-Version möglich wäre. Seit Kurzem ist auch ein eigener App Store für solche Custom GPTs verfügbar, in dem nun auch eine Custom GPT von gesetze.io zu finden ist. Diese hilft bei der Recherche nach Gesetzen, Urteilen und verschiedenen anderen juristischen Informationen, wie z.B. Schemata und Definitionen.

Die Entwicklung einer solchen Custom GPT verläuft dabei anders, als dies bei herkömmlichen Apps der Fall ist. Custom GPTs erfordern keinen in Programmiersprachen geschriebenen Code. Vielmehr erklärt man der Custom GPT in natürlicher Sprache ihre Aufgabe (z.B. „Du bist ein juristischer Recherche-Assistent (…).“) und gibt ihr für bestimmte Fallgestaltungen Verhaltensanweisungen (z.B. „Wenn dich ein Nutzer nach einem Urteil des BVerfG fragt, suche in deiner Wissensbasis nach (…).“). Die Wissensbasis kann sowohl aus hochgeladenen Dateien als auch aus über Schnittstellen angebundenen externen Datenbanken bestehen.

Fundamental neu dabei ist, dass man der Custom GPT zwar hinreichend, aber nie ganz genau sagen kann, was sie zur Beantwortung einer Nutzerfrage unternehmen soll. Selbst wenn die hinterlegte Aufgabenstellung sehr konkret formuliert ist, ist es letzten Endes nicht ganz klar und transparent, wie die Custom GPT damit umgeht. So kann es vorkommen, dass sie auf verschiedene Nutzerfragen (Prompts), die im Wesentlichen denselben Aussagegehalt haben, unterschiedliche Antworten gibt. Wie auch beim „normalen“ ChatGPT ist es also auch hier nach wie vor erforderlich, durch geschicktes (Um-)Formulieren der Prompts der Custom GPT die richtigen Antworten zu entlocken (sog. Prompt Engineering).

Ausblick: Juristische Recherche mittels KI-Einsatz

Für die juristische Recherche ergeben sich durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Zukunft spannende Möglichkeiten. Inzwischen haben sicherlich viele Jurist:innen bereits mit ChatGPT experimentiert und diesem auch juristische Fragen gestellt. Dabei ist festzustellen, dass – obwohl ChatGPT anhand eines gigantischen Datensatzes trainiert wurde – seine Wissensbasis und Antwortqualität speziell im juristischen Kontext und insbesondere im deutschen Recht bisweilen zu wünschen übrig lässt. Ganz konkret stellt sich die Frage, ob die Antworten von ChatGPT überhaupt „gut genug“ sind bzw. sein werden und ob solch ein „gut genug“ für den mitunter auf Perfektion bedachten juristischen Berufszweig überhaupt ausreichend ist.

Sicher kann man jedenfalls heute sagen, dass weder ChatGPT noch eine Custom GPT in absehbarer Zeit autonom Rechtsfragen beantworten können werden und sollten. Abgesehen von rechtlichen Hürden steht dem entgegen, dass solche KIs kein genuin juristisches Verständnis haben, sondern vielmehr aufgrund mathematischer Wahrscheinlichkeiten Vorhersagen treffen und hieraus Texte generieren.

Der Schlüssel zum produktiven Einsatz von KI in der rechtlichen Arbeit liegt daher nicht in deren autonomem Einsatz als „KI-Anwalt“, sondern als Hilfsmittel zur juristischen Recherche. Hierbei sind insbesondere sogenannte semantische Suchen ein vielversprechender Ansatz. Hiermit können zum Beispiel große Rechtsprechungs-Datenbanken konzeptionell durchsucht werden, anstatt mühsam mit Stichworten und Synonymen arbeiten zu müssen. Anstatt einer kryptischen Suchanfrage mit Stichworten kann hier eine Suchanfrage in vollständigen Sätzen formuliert werden (z.B. „Ich suche nach BGH-Urteilen im Abgasskandal, die sich mit der Anrechnung von Nutzungsentschädigungen beschäftigen.). Die dahinterliegende künstliche Intelligenz erfasst dann den Sinngehalt der Anfrage und sucht nach den Urteilen, die dieser am besten entsprechen. Sprachliche und inhaltliche Ungenauigkeiten sind dabei sehr viel weniger problematisch als bei einer herkömmlichen Suche, wenngleich auch hier eine präzise Formulierung der Anfrage zu besseren Ergebnissen führt. Bei der vorliegenden Anfrage ist der Begriff „Abgasskandal“ zum Beispiel eher umgangssprachlich. Eine semantische Suche erkennt jedoch, dass auch Urteile, in denen es um „Diesel“, „Motoren“ und „Schadstoffe“ geht, hierzu konzeptionell passen.


Link zur Custom GPT (ChatGPT Plus Abo für Zugriff erforderlich): https://chat.openai.com/
Link zu gesetze.io im iOS App Store: https://apps.apple.com/
Link zu gesetze.io im Google Play Store: https://play.google.com/

Der Autor ist CEO and Co-Founder der Codefy GmbH. Er ist Executive Director und Co-Founder der LEX superior GmbH, die die App gesetze.io herausgebracht hat.

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Tianyu Yuan
Tianyu Yuan
Der Autor ist CEO and Co-Founder der Codefy GmbH. Er ist Executive Director und Co-Founder der LEX superior GmbH, die die App gesetze.io herausgebracht hat.

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