Es sind nie Zwillinge – Das Prüfungsamt unterliegt (schon wieder) vor dem BVerwG

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Es ist der Alptraum aller Jurastudierender. Nach langer Vorbereitungszeit fällt man durch das erste Staatsexamen. Einem Studenten aus Nordrhein-Westfalen ging es so. Der Vorwurf, der ihm gegenüber durch das Prüfungsamt erhoben wurde, war dafür umso kurioser: Nicht er, sondern sein Zwillingsbruder soll die abgegebenen schriftlichen Prüfungen verfasst haben. Ein Gutachter stellte jedoch fest, dass weder der Kläger, noch sein Bruder die Klausuren angefertigt haben sollen. Der wunderliche Fall ist nun höchstinstanzlich entschieden.

Was war passiert?

Der Kläger meldete sich im Sommer 2018 für den Wiederholungsversuch zur staatlichen Pflichtfachprüfung an. Aus dem Urteil nicht zu entnehmenden Gründen schöpfte das Prüfungsamt Verdacht, dass der Kläger die Klausuren durch seinen Zwillingsbruder angefertigt haben könnte. Infolgedessen wurde ein Schriftsachverständiger beauftragt, der im Mai 2019 zu dem Ergebnis kam, weder der Kläger noch sein Zwillingsbruder hätten die Klausuren angefertigt.

Das Zwischenergebnis war so klar wie gravierend: Wegen der Täuschung wurde dem Kläger mit Bescheid vom September 2019 das Nicht-Bestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung mitgeteilt. Es folgte ein Klageverfahren, das zunächst durch das Verwaltungsgericht Köln abgewiesen wurde. Die zuständige Kammer war der Auffassung, dass das Schriftgutachten schlüssig und nachvollziehbar aufzeige, dass die dem Kläger zugeordneten Klausuren nicht durch ihn verfasst worden sein konnten.

Das Oberverwaltungsgericht Münster änderte das Urteil jedoch und hob den angefochtenen Bescheid auf. Ein Täuschungsversuch des Klägers i.S.v § 22 Abs. 1 JAG NRW sei schlichtweg nicht erwiesen. Das Ergebnis des Schriftgutachtens, dass weder der Kläger noch sein Bruder, sondern ein unbekannter Dritter die Prüfungen angefertigt habe, führe zu einem „non liquet“, das zu Lasten des Prüfungsamtes ginge.

Unabhängig von dem Umstand, dass die Identität der Prüflinge an den jeweiligen Prüfungstagen auch jeweils vom Aufsichtspersonal überprüft wurde, bestanden zum Zeitpunkt des Verfahrens auch keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten. Auch die Überlegung der Vorinstanz, der Kläger könnte seine Klausuren mit einem weiteren Prüfling getauscht haben, konnte ebenfalls nicht überzeugen.

Von NRW nach Leipzig

Nachdem unlängst über einen weiteren Fall entschieden wurde, in dem das Prüfungsamt vor dem Bundesverwaltungsgericht scheiterte, ist dieser Sachverhalt natürlich umso kurioser. Das Prüfungsamt konnte sich mit dem Urteil des OVG Münster nicht zufrieden geben und so zog man wiederum nach Leipzig.

Die Leipziger Richter:innen hielten jedoch das Urteil des OVG. Das Prüfungsamt hatte die Beweiswürdigung des OVG dahingehend gerügt, dass nicht noch weitere Maßnahme zur Ermittlung des Geschehensablaufes unternommen wurde und somit ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO vorläge. Das BVerwG wies zutreffenderweise darauf hin, dass der Beschwerdeführer in so einem Fall darlegen müsse, dass er beispielsweise durch die Stellung eines entsprechenden Beweisantrags auf die Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hat.

Im vorliegenden Fall ist das aber nicht passiert. Zudem lagen auch keine Indizien dafür vor, dass sich dem OVG weitere Ermittlungen – auch ohne Beweisantrag – hätten aufdrängen müssen. Solche Überlegungen sind in erster Linie Sache der Tatsacheninstanz.

Es verwundert daher auch nicht, dass das BVerwG dem Prüfungsamt bezüglich der Nichtzulassungsbeschwerde vorwiegend aus prozessualen Gründen eine Absage erteilt. Das OVG hatte das Schriftgutachten für nicht ausreichend erachtet und das genügt den Leipziger Richter:innen.

Schlussstrich

Den Kläger wird das Ganze freuen. Ihm kann es letztlich auch egal sein, aus welchen Gründen er dieses Verfahren gewinnt. Das Urteil des BVerwG ist aber im Hinblick auf die prozessrechtlichen Details sehr lesenswert. Vor allem auch, weil es nicht ganz so lang ist, ist es vielleicht in der Examensvorbereitung recht hilfreich.

Im Hinblick auf den Umstand, dass immer mehr Bundesländer auch im ersten Examen das E-Examen einführen, wird sich so ein Sachverhalt wohl in Zukunft nicht mehr ereignen. Es bleibt daher nur die Hoffnung, dass die gerichtliche Pechsträhne des Prüfungsamtes auch irgendwann ein Ende hat. Oder in den Worten von BBC’s Sherlock: „Watson, es sind nie Zwilling!“


Entscheidung: BVerwG, Beschl. v. 13.12.2023 – BVerwG 6 B 13.23

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Elisabeth Günther
Elisabeth Güntherhttp://www.shieldmaidensvoice.com
Studentin der Rechtswissenschaft an der MLU Halle-Wittenberg. Bloggerin für den Metal-Blog Shieldmaiden's Voice.

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