Eine Tierärztin verlangte nach ihrer Promotion, den Titel „Doctora“ tragen zu dürfen. Mit der männlichen Form „Doctor“ sei sie nicht einverstanden. Die Frau klagte vor dem Verwaltungsgericht Hannover.
“Doctora medicinae veterinariae” ( Kurzform: Dr. a med. vet ) das war der Wunschtitel einer Tierärztin aus Niedersachsen: Die Bezeichnung „Doctor” sei männlich und deswegen nicht zutreffend. Außerdem wolle sie nicht als „Frau Doctor“ bezeichnet werden – denn bei diesem Titel könne man sie für die Frau des (Tier-)arztes halten. Alles nachvollziehbare Gründe. Wenn da nicht ein kleines Problem wäre: Die weibliche Form von „Doctor“ lautet „Doctrix“. Damit war die Tierärztin aber ebenfalls nicht einverstanden. Sie wolle nicht wie „Asterix und Obelix“ klingen. Außerdem gäbe es ja auch den Titel “Magistra”. Bei „Doctora“ handele es sich also ebenfalls um eine gebotene Analogie.
Unabhängig von den grammatikalischen Fragen, weigerte sich die Hochschule jedoch. Der Titel “Doctor” sei geschlechtsneutral. Mit dieser Bezeichnung auf der Urkunde wollte sich die Tierärztin aber nicht zufriedengeben und klagte nach einem erfolglosen Widerspruch vor dem Verwaltungsgericht Hannover.
Durch die Verleihung des männlichen Titels “Doctor” sei sie dauerhaft und erheblich betroffen, weil sie mit ihm ein ganzes Leben lang existieren müsse, so die Ärztin. Das verletze ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und verstoße gegen die Gleichheitsgebote des Art. 3 Abs. 1 und 2 GG.
Tote Sprachen lügen nicht
Doch auch vor Gericht hatte die Tierärztin keinen Erfolg. § 22 Abs. 5 des niedersächsischem Hochschulgesetzes a.F. gebiete die Verleihung der Hochschulgrade in der dem Geschlecht des:r Betroffenen entsprechenden sprachlichen oder einer neutralen Form. Eine spezifisch weibliche Form des Doktorgrads gebe es nicht. Die Vorschrift rechtfertige insbesondere auch nicht die Bildung einer künstlichen, als weiblich empfundene, Form. Denn Latein sei eine tote Sprache und jeder Eingriff in eine Sprache, die überhaupt nicht mehr gesprochen werde, sei immer ein künstlicher Eingriff ohne Legitimation.
Dazu weiter das Gericht: „Die Klägerin empfindet die regelgerechte Bildung „doctrix” wegen der Assoziation zu Asterix und Obelix als „unwürdig”, und das ist ihr gutes Recht. Sie könnte indessen selbst bei bestehender staatlicher Sprachkompetenz nicht verlangen, dass – wahrhaft willkürlich – ein Kunstwort „doctora” gebildet wird, dass das Latein nicht kannte und in seiner Regelhaftigkeit nicht hätte bilden können. Das End-a als Ausweis von Feminina ist, ungeachtet männlicher Wörter wiepoeta,agricolaodernauta, bekanntlich den Maskulina auf -us zugeordnet; „doctora” würde also ein Maskulinum “doctorus“ voraussetzen. Die Beachtung des Systems entzieht jeglicher Forderung nach Analogie à la „magistra” den Boden.“
Doctora und Doctrix seien gleichermaßen unangemessen. Die Tierärtzin müsse sich mit dem Titel „Doctor“ begnügen.
Entscheidung: VG Hannover, Urt. v. 22.03.2000, Az. 6 A 1529/98