Einstieg in eine Themen- oder Seminararbeit:
Arbeitsabläufe optimieren – Kraft, Zeit und Nerven schonen!

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Wer kennt es nicht: mit dem frisch ausgegebenen Thema der Seminararbeit schreitet man voller Tatendrang in die Bibliothek und kopiert/scannt alles, was nach der ersten grob gerasterten Stichwortsuche im Katalog nicht ausgeliehen oder in abgelegenen Sammlungen archiviert ist. Dann quält man sich stundenlang durch Texte, von denen man noch gar nicht weiß, wie relevant sie für die eigene Arbeit sein werden, und kopiert noch mehr Quellen aus deren Fußnoten, die man wiederum mühsam durchackert. Doch es geht auch anders. Dieser Beitrag zeigt, wie man auf möglichst kurzem Weg von der ersten Ideensammlung zu einem fertigen Text gelangt und so einiges an Arbeit, Zeit und Stress sparen kann.

Dazu empfehlen wir drei Schritte: die Aufgabenstellung – ohne größere Kopier- und Leseexzesse! – zu analysieren (1.), daraus eine oder mehrere Arbeitshypothesen abzuleiten (2.) und anhand dieser mit einer sehr frühen Textversion (3.) gezielt die weitere Recherche und Formulierung zu betreiben.

Vorzüge einer möglichst frühen Textversion

Das Abfassen einer Themenarbeit besteht im Wesentlichen aus zwei Tätigkeiten: Erstens muss man (ziemlich viel) lesen, zweitens muss man den Text dann schreiben. Doch diese Reihenfolge ist nicht zwingend. Ähnlich wie bei der inhaltlichen juristischen Arbeit der Blick zwischen Sachverhalt und Rechtsnorm pendelt, ist es sinnvoller, Lesen und Schreiben zu verzahnen.

Hat man die ersten Ideen niedergeschrieben (dazu sogleich), kann man sie beim folgenden Lesen direkt erweitern und schon Belegstellen notieren. Vor allem empfiehlt es sich, möglichst früh eine erste Textversion in der Formatvorlage der späteren Arbeit zu entwerfen, mit der man kontinuierlich und entlang gefundener und noch zu findender Literatur weiterarbeiten kann. Mit einem solchen Entwurf lässt sich herangezogenes Schrifttum schon beim ersten Lesen in den Text und in die Fußnoten einarbeiten, was ein bis zwei Lesedurchgänge spart. Mag die frühe Version eines vollständigen Texts auch noch so kantig sein, lassen sich die gelesenen Quellen dennoch gleich an allen relevanten Stellen des Manuskripts verarbeiten. Wer dagegen linear eine Gliederung abarbeitet, muss dafür im Zweifel die gleichen Quellen mindestens noch ein weiteres Mal oder häufiger heraussuchen und lesen, falls sie später an anderer Stelle noch einmal relevant werden.

Arbeitet man am Laptop in der Bibliothek, kann man sogar auf das Kopieren zumindest derjenigen Belege verzichten, die nicht zentral sind, indem man sie direkt aus dem Original in die Fußnoten und Literaturverzeichnis überträgt und dann weglegt. Mitunter können das bis zu Dreiviertel der verarbeiteten Quellen sein, die man nicht kopieren oder scannen muss – auch Regenwald und Weltklima danken es.

Doch es gibt noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vorteil dieser Herangehensweise: Eine frühe Ausarbeitung mag lange nicht perfekt, wird aber deutlich früher vollständig sein, so dass man es selbst in der Hand hat, wieviel weiteren Aufwand man in das weitere Ausfeilen stecken möchte. Was nicht heißt, dass Sie nicht nach Perfektion streben sollen – sie lässt sich nur eben nicht immer zeitlich leisten. Für den Notfall haben Sie so zumindest eine eventuell nicht perfekte, aber fertige Version in der Hinterhand. Auch das gibt Sicherheit und lässt nachts ruhiger schlafen.

Rahmen und Kontext der Aufgabe

Häufig besteht eine Aufgabe nur aus einem Satz, etwa einer Überschrift von der Themenliste des Seminars. Dennoch gilt auch für Themenarbeiten ein gedanklicher Rahmen, der aber im Gegensatz zum Fallgutachten oft weiter und kaum durch dogmatische (Aufbau-)Schemata vorgeformt ist. Das macht ein genaues gedankliches Erfassen der Aufgabe umso wichtiger.

Manchmal benötigen Sie dafür keine besondere Technik, da die Aufgabe so eindeutig ist, dass Ihr Wissensstand zum Erkennen der Anforderungen ohne Weiteres ausreicht. Solche Aufgaben beschränken sich regelmäßig auf eine einzelne Anweisung, die thematisch klar zugeordnet werden kann.

Beispiel: Skizzieren Sie die Entstehung des Grundgesetzes!

Allerdings sollte man auch solche Aufgaben nicht unterschätzen. Auf den ersten Blick ist wohl eine (rechts-)historische Rekonstruktion der Geschehnisse gefragt, die zum Inkrafttreten des Grundgesetzes führten. Das lässt aber noch einige Fragen offen und Raum zum Differenzieren: Soll es um ein Nachzeichnen der inhaltlichen Debatten zu den einzelnen Regelungen gehen; um eine plausible Darstellung des politischen Kontexts, in dem eine Verfassung für die drei westlichen Besatzungszonen in Deutschland ohne Einbeziehung der sowjetischen Zone durchgesetzt wurde; oder vielleicht um die Weiterentwicklungen des Grundgesetzes bis heute, insbesondere um die verfassungsrechtliche Seite der Wiedervereinigung Deutschlands 1990?

Einfach aussehende Aufgaben offenbaren ihre Schwierigkeiten oft erst auf den zweiten Blick (und wenn die Aufgabe dann immer noch allzu leicht erscheint, sollten Sie sich misstrauisch fragen, ob Sie nicht einen zentralen Aspekt übersehen haben).

Ein erster Anhaltspunkt für die Eingrenzung des Themas ist häufig das Gesamtthema der Veranstaltung, in deren Rahmen die Aufgabe gestellt wird. Sogar der Schwerpunktbereich, dem die Veranstaltung meist zugeordnet ist, gibt eine grobe Richtung vor. Das kann gerade bei Seminaren noch dadurch verfeinert werden, dass man das Verhältnis des eigenen Themas zu den anderen der Themenliste in die Überlegungen einbezieht. Noch deutlicher weisen Listen mit Einstiegsliteratur den Weg, die immer erschöpfend genutzt werden sollten.

Schematische Analyse

Für alle, denen die Analyse einer Themenaufgabe nicht leicht von der Hand geht, empfiehlt es sich, die zu bearbeitende Aufgabe zunächst schematisch zu erfassen. Ein Weg liegt in der bewährten – aus dem Deutschunterricht vielleicht noch bekannten – Strukturierung nach (1) Feststellen des Satzgerüsts, (2) Ermitteln der tragenden Begriffe und (3) Stellen der Kernfrage(n).

Beispiel: Der polnische Präsident hat sich kürzlich in einer europaweit scharf kritisierten Aussage für die Wiedereinführung der Todesstrafe für bestimmte Straftaten (u.a. für Sexualmorde an Kindern) ausgesprochen. Erläutern Sie die Kritik aus europarechtlicher Perspektive!

(1) Um das Satzgerüst herauszukristallisieren, muss man nur die drei Grundelemente eines Satzes suchen, also: Subjekt, Prädikat, Objekt.

Der polnische Präsident [Subjekt] hat sich [Prädikat] kürzlich in einer europaweit scharf kritisierten Aussage für die Wiedereinführung der Todesstrafe [Objekt] für bestimmte Straftaten (u.a. für Sexualmorde an Kindern) ausgesprochen [Prädikat]. Erläutern Sie die Kritik aus europarechtlicher Perspektive!

(2) Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind noch nicht beeindruckend. Daher sind nun in einem im nächsten Schritt die tragenden Begriffe herauszufiltern, also die weiteren Informationen, die dem Thema erst die Brisanz geben. Aus diesen weiteren Informationen lassen sich Einzelbereiche bilden, die in der Arbeit abzudecken sind.

  • „europaweit“/“europarechtlicher“: Gibt es eine einheitliche europäische Idee bestimmter Menschenrechte? Geht es (nur) um das Recht der EU oder (auch) um die EMRK?
  • „polnische“: Hat sich Polen zur Achtung der vorgenannten Rechte verpflichtet?
  • „bestimmte Straftaten“/“Sexualverbrechen an Kindern“: Gibt es Straftaten, die nur mit der Todesstrafe gesühnt werden können und für die Ausnahmen vorgesehen sein müssen? Wo liegt die Grenze?

(3) Daraus lässt sich schließlich die Kernfrage ableiten, der nachzugehen ist:

Ist die Wiedereinführung der Todesstrafe mit europäischem Recht vereinbar?

Möglicherweise lassen sich auch mehrere Kernfragen aus einer Aufgabenstellung ableiten, wichtig ist dann, sie auf ein überschaubares Maß reduziert zu halten.

Erwartungen der Lehrperson

Besteht die Aufgabe allerdings nur aus einer Überschrift von drei bis acht Wörtern, wird auch nach Ausschöpfen aller vorgenannten Methoden häufig nicht eine eindeutige Eingrenzung übrig bleiben, sondern immer noch ein weites Feld an Möglichkeiten. Dann liegt die Entscheidung über die Schwerpunktsetzung bei Ihnen – also darüber, was vertieft, was nicht bearbeitet oder was nur angerissen wird. Im Unterschied zum Gutachten haben Sie dabei relativ große Freiheiten. Das kann die Chance sein, eigene Interessen zu verfolgen, birgt aber auch das Risiko, nicht die Erwartungen der Person zu treffen, die das Thema gestellt hat.

Schon in dieser frühen Phase gilt daher: Nehmen Sie Hilfe in Anspruch, soweit das zulässig ist! Vor allem empfiehlt es sich, entweder bei der Lehrperson selbst oder (häufiger) deren Mitarbeiter:innen die eigenen Ideen zu einer möglichen Richtung der Arbeit vorzustellen und herauszufinden, ob sie sich mit den Erwartungen decken. Sollte das nicht der Fall sein, spart man viel unnütze Arbeit. Zudem gibt ein solches Gespräch erfahrungsgemäß viele Anstöße für das weitere Vorgehen. Es lohnt sich, diesen Input früh abzufragen – Grundvoraussetzung ist aber, dass man selbst schon weiß, wovon man spricht. Trauen Sie sich ruhig, gerade bei Seminararbeiten das (informierte!) Gespräch zu suchen. Wenn die Studienordnung es nicht gerade untersagt ist, wird die betreuende Person im Zweifel wohlwollend auf Nachfragen reagieren, die deutlich machen, dass Sie sich mit dem Thema schon befasst und sinnvolle Gedanken dazu gemacht haben, denn sie hat auch ein eigenes Interesse daran, dass ihre Veranstaltung inhaltlich funktioniert.

Von der Kernfrage zur Arbeitshypothese

Um die oben schon skizzierte Gefahr zu vermeiden, dass Sie viel zu ausufernd und nutzlos recherchieren, und in Folge die Aufgabe nicht hinreichend zielgerichtet bearbeiten, müssen Sie ein inhaltliches Ziel vor Augen haben. Dieses Ziel können Sie aus der Aufgabenanalyse ableiten: Formulieren Sie zu der von Ihnen gefundenen Kernfrage nun ein Ergebnis – dies ist ab sofort Ihre Arbeitshypothese (oder ggf. auch mehrere, wenn sie mehrere Kernfragen gefunden haben).

Lesen Sie vor dem Ausarbeiten der Arbeitshypothese nur, was unbedingt notwendig ist, um die Kernfrage zu verstehen und ein Ergebnis zu formulieren. Keine Sorge: Sie können sich selbst soweit vertrauen, dass Ihre erste Idee in der Stoßrichtung und beim möglichen Ergebnis der Arbeit auch ohne vertiefte Lektüre richtig liegt – denn sowohl Ihr gesunder Menschenverstand als auch Ihre schon vorhandene juristische Vorbildung werden Sie in aller Regel unmittelbar auf einen für Sie auch am Ende noch richtigen Weg bringen.

Ihre weitere Arbeit am Thema dient nun primär der Überprüfung Ihrer Arbeitshypothese: sie gibt Ihnen für die weitere Lesearbeit die Anknüpfungspunkte und ermöglicht Ihnen, Quellen (zumindest vorläufig) nach Relevanz zu sortieren.

Schreiben Sie diese erste Hypothese auf, damit sie präsent bleibt und gleichzeitig die Keimzelle für die anstehende Gedankensammlung bilden kann. Wichtig bei früh formulierten Hypothesen: Sie können sich als falsch erweisen oder zumindest als ungenau bzw. unzureichend; sie sind also vorläufig und revisibel, beim Lesen kann sich eine andere Zielrichtung oder Gewichtung als sinnvoller herausstellen und das müssen Sie im Hinterkopf behalten. Aber selbst wenn – auch ein zunächst nicht perfekt identifiziertes Ziel wird Ihnen merklich helfen, alle weiteren Schritte besser zu strukturieren.


Noch mehr wertvolle Anleitungen, Tipps und Hilfestellungen zum Anfertigen juristischer Themenarbeiten, insbesondere zu einem gelungenen Aufbau, den inhaltlichen und sprachlichen Anforderungen an eine juristische Themenarbeit sowie der Wissenschaftlichkeit der Arbeitsweise, finden Sie in:

Schimmel / Basak / Reiß
Juristische Themenarbeiten

Der Text ist ein gekürzter und für die Veröffentlichung bei JURios angepasster Auszug.

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