Sharon Robinette stammt ursprünglich aus Kenia und hat dort auch ihren Schulabschluss gemacht. Auf Umwegen kam sie nach Deutschland und schloss dort erfolgreich ein Jurastudium ab. Heute ist Sharon Robinette als M&A Inhouse-Juristin in einem Softwareunternehmen in Mainz tätig. Der Lebensweg der Juristin ist ungewöhnlich – zwischen den „alten weißen Männern“ in der Branche fällt die junge Frau auf. Doch sie ist der Meinung, dass ihre „Andersartigkeit“ ihre größte Stärke ist. Ihre Karriere soll Jurastudierende und junge Jurist:innen aus dem Ausland oder mit Migrationshintergrund inspirieren und zeigen: es ist möglich!

Frau Robinette, Sie wurden in Kenia geboren und sind dort auch zur Schule gegangen. Wie kamen Sie auf die Idee, nach Deutschland auszuwandern? Was war ihre Motivation?
Meine Entscheidung, nach Deutschland auszuwandern, wurde maßgeblich von meiner finanziellen Situation und meinem Traum, Juristin zu werden, beeinflusst. In Kenia hatte ich nicht die finanziellen Mittel, um ein Universitätsstudium zu absolvieren und meinen Berufswunsch zu verwirklichen. Die Möglichkeit eines kostenfreien Studiums in Deutschland war daher für mich äußerst attraktiv. Ich entschied mich, als Aupairmädchen nach Deutschland zu kommen, um nicht nur eine neue Kultur kennenzulernen, sondern auch die Chance zu nutzen, meine Ausbildung fortzusetzen. Innerhalb eines Jahres habe ich intensiv die deutsche Sprache gelernt und konnte dann an der Goethe-Universität mein Jurastudium aufnehmen. Die Perspektive auf eine kostenlose Ausbildung und die Möglichkeit, meinen Traumberuf zu ergreifen, waren meine Hauptmotivationen für den Umzug nach Deutschland.
Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die Aufnahme eines Studiums in Deutschland ist oft an viele Hürden geknüpft. Wie haben Sie es geschafft, an der Goethe-Universität ein Jurastudium zu beginnen? Hatten Sie anfangs Probleme mit der Sprache?
Die Anerkennung meines kenianischen Abschlusses und die Zulassung zum Studium an der Goethe-Universität waren tatsächlich mit einigen bürokratischen Hürden verbunden. Obwohl ich bereits mein Abitur hatte, benötigte ich eine sogenannte Hochschulzugangsberechtigung (HZB) gemäß dem deutschen Bildungssystem. Dies führte dazu, dass ich mich zunächst am Studienkolleg der Goethe-Universität Frankfurt einschreiben musste.
Das Studienkolleg ist eine Einrichtung, die ausländische Studierende auf das deutsche Hochschulsystem vorbereitet. Dort absolvierte ich einen einjährigen Intensivkurs, der mir half, meine Deutschkenntnisse zu verbessern und mich gleichzeitig auf das Jurastudium vorzubereiten. Ich bin dankbar für dieses Jahr am Studienkolleg, da es mir die Möglichkeit bot, meine sprachlichen Fähigkeiten zu vertiefen, bevor ich mein Jurastudium an der Goethe-Universität begann.
Anfangs hatte ich tatsächlich Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Ich erinnere mich sogar daran, dass ich bei meiner ersten Grundrechtsklausur durch grammatische Fehler nicht bestanden habe. Doch diese Herausforderungen motivierten mich nur noch mehr, meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Ich setzte mich intensiv mit der Sprache auseinander, nahm an zusätzlichen Kursen teil und nutzte jede Gelegenheit, um mein Deutsch zu üben.
Nach acht Semestern konnte ich schließlich das 1. Staatsexamen ablegen und diese erfolgreich beim ersten Versuch bestehen. Die anfänglichen Schwierigkeiten mit der Sprache haben mich gelehrt, hart zu arbeiten und mich kontinuierlich zu verbessern. Es war eine Reise voller Herausforderungen, aber letztendlich hat sich der Einsatz gelohnt, und ich bin stolz darauf, meinen Weg bis zum Abschluss an der Goethe Universität Frankfurt gemeistert zu haben.
Das deutsche Jurastudium ist geprägt von weißen Männern aus wohlhabenden Familien. Wie haben Sie sich an der Universität gefühlt? Gab es Probleme wegen Ihrer Herkunft?
Das ist eine wichtige Frage, die die Realität vieler Studierenden, die sich in ähnlichen Situationen befinden, widerspiegelt. Tatsächlich ist das deutsche Jurastudium stark von weißen Männern aus wohlhabenden Familien geprägt, und ich habe mich oft als eine der wenigen schwarzen Frauen in den Hörsälen und Seminarräumen wiedergefunden. Es war und ist bis heute eine Herausforderung, einen Mentor oder ein Vorbild zu finden, das meiner eigenen Identität und meinen Erfahrungen entspricht. Dieses Fehlen von Rollenmodellen kann sich einsam anfühlen und es erschwert, sich in einem Umfeld zugehörig zu fühlen.
In meiner Karriere als M&A-Anwältin, einem Bereich, der immer noch von männlichen Dominanz geprägt ist, erlebe ich ähnliche Dynamiken. Doch ich habe gelernt, meine Andersartigkeit nicht als Hindernis, sondern als Stärke zu betrachten. Ja, es gibt Momente der Unsicherheit und des Zweifels, besonders wenn ich mit Mikroaggressionen konfrontiert werde oder wenn meine Stimme in einem Raum unterrepräsentiert ist. Aber ich sehe es als Chance, Aufmerksamkeit zu erregen und meine Fähigkeiten und Fachkenntnisse unter Beweis zu stellen.
Meine einzigartige Karriere-Reise als Erstakademikerin hat mir eine unglaubliche Stärke und Widerstandsfähigkeit verliehen. Es zeigt die Hartnäckigkeit, den Fleiß und die Arbeitsethik, die es braucht, um trotz fehlender Vorlage so weit zu kommen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass diese Vielfalt an Erfahrungen und Perspektiven einen wertvollen Beitrag zur juristischen Gemeinschaft leistet.
Gab es an der Universität Hilfestellungen/Programme für Studierende aus dem Ausland und/oder Studierende mit Migrationshintergrund? Was raten Sie anderen Studierenden in ähnlicher Lage?
Das sind wertvolle Ressourcen, die ausländischen Studierenden dabei helfen können, finanzielle Unterstützung für ihr Studium zu erhalten. Rückblickend würde ich sagen, dass es wichtig ist, diese Ressourcen frühzeitig zu erkennen und zu nutzen. Besonders beeindruckend finde ich die Vielfalt der Stipendien, die für Studierende in verschiedenen Phasen ihres Studiums zugänglich sind. Von Stipendien für Studienanfänger:innen bis hin zu Stipendien für Promovierende und für Studierende mit Fluchterfahrung – es gibt eine breite Palette an Unterstützungsmöglichkeiten.
Ein Aspekt, den ich betonen möchte, ist die Bedeutung der mentalen Gesundheit für ausländische Studierende. Der Übergang in ein neues Bildungssystem und eine neue Kultur kann herausfordernd sein und es ist wichtig, Unterstützung zu finden. Das Netzwerken mit Gleichgesinnten, sei es über LinkedIn oder in der lokalen Gemeinschaft, kann eine wertvolle Ressource sein, um sich gegenseitig zu unterstützen und Erfahrungen auszutauschen. Ich persönlich hätte früher mit dem Aufbau eines Netzwerks beginnen sollen und ermutige daher andere Studierende, dies nicht zu vernachlässigen.
Alles in allem sind diese Ressourcen ein wichtiger Schritt, um die Chancengleichheit im Bildungssystem zu fördern und ausländischen Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
Nach dem Rechtsreferendariat haben Sie sich für eine Karriere bei einem Unternehmen entschieden. Wieso das? Spielten die internationalen Kontakte/das internationale Umfeld für Sie eine Rolle?
Nach meinem Rechtsreferendariat habe ich bewusst den Weg einer Karriere bei einem Unternehmen eingeschlagen. Diese Entscheidung resultierte aus verschiedenen Überlegungen, darunter die Chance, eine integrale Rolle im Wachstum eines Unternehmens zu spielen. Im Vergleich zur Arbeit in einer großen Anwaltskanzlei bot mir die Inhouse-Position eine Reihe von Vorteilen, die meinen beruflichen Zielen besser entsprachen.
Ein wesentlicher Aspekt war die Möglichkeit, in einem dynamischen, internationalen Umfeld zu arbeiten. Als Inhouse-Juristin bin ich an der Schnittstelle zwischen rechtlichen Belangen und den Geschäftsinteressen des Unternehmens tätig. Dies ermöglicht mir, an Transaktionen mit mehreren Jurisdiktionen zu arbeiten und in einem raschlebigen Umfeld zu agieren. Die Chance, in einem Unternehmen zu arbeiten, das sowohl in Deutschland als auch international tätig ist, eröffnet mir die Möglichkeit, meine Fähigkeiten sowohl in Englisch als auch in Deutsch einzusetzen.
Darüber hinaus bietet die Inhouse-Rolle die Gelegenheit, direkt mit anderen Unternehmen, externen Anwaltskanzleien und verschiedenen Stakeholdern zusammenzuarbeiten. Diese Vielfalt an Kontakten und die Möglichkeit, in einem breiteren geschäftlichen Kontext zu arbeiten, waren für mich sehr attraktiv.
Insgesamt war es eine bewusste Entscheidung, die ich getroffen habe, um meine beruflichen Ambitionen und Interessen besser zu erfüllen. Während internationale Kontakte und das internationale Umfeld sicherlich eine Rolle spielten, war es letztendlich die Aussicht auf eine vielseitige und herausfordernde Karriere bei einem Unternehmen, die mich dazu bewegte, diesen Weg einzuschlagen.
Sie haben es in kurzer Zeit weit gebracht. Was denken Sie, war ihre größte Motivation? Haben Sie Tipps für Jurastudierende und junge Jurist:innen?
Meine größte Motivation war stets der Wunsch, mein volles Potenzial auszuschöpfen und meine Ziele zu erreichen. Eine starke intrinsische Motivation, gepaart mit harter Arbeit, Durchhaltevermögen und der Bereitschaft, aus Rückschlägen zu lernen, haben mich dazu gebracht, mich kontinuierlich weiterzuentwickeln und meine Ziele zu verfolgen.
Für Jurastudierende und junge Jurist:innen habe ich einige Ratschläge basierend auf meinen eigenen Erfahrungen:
- Setze klare Ziele und arbeite kontinuierlich darauf hin.
- Akzeptiere Rückschläge als Teil des Lernprozesses und lerne aus ihnen.
- Baue ein starkes Netzwerk auf und pflege Beziehungen zu Kollegen und Mentoren.
- Sei proaktiv und suche nach Gelegenheiten zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung.
- Achte auf deine Gesundheit und finde einen gesunden Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit.
- Vertraue auf dich selbst und bleibe selbstbewusst, auch wenn du auf Hindernisse stößt.
Indem du diese Prinzipien beherzigst, kannst du deine Karriereziele erreichen und eine erfüllende und erfolgreiche berufliche Laufbahn im Bereich des Rechts aufbauen.
Frau Robinette, vielen Dank für Ihre Zeit!