JuMiKo und KoA oder: Seppuku und Harakiri

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Oder: Man hat so selten was zu lachen

Unlängst verkündete die 95. Justizministerkonferenz (neben anderem), es bestehe kein grundsätzlicher Reformbedarf hinsichtlich der Juristenausbildung in Deutschland.

Das war erwartbar – und ist doch enttäuschend. Praktisch jeder, der sich aus welchen Motiven auch immer heraus mit Möglichkeiten, Chancen und Notwendigkeiten einer Reform des Jurastudiums einschließlich der damit verbundenen Prüfungen befasst hat, schüttelt den Kopf. Menschen ruinieren ihre Frisuren durch das büschelweise Ausreißen von Haaren, Facepalming und Palmfacing allenthalben. Natürlich nur innerhalb der jeweiligen Bubbles und definitiv außerhalb der JuMiKo und des KoA.

Mittlerweile ist der Bericht online verfügbar, den der KoA der Jumiko erstattet hat. Dass er nach den Standards der empirischen Sozialwissenschaften kaum überzeugen kann, dürfte auf der Hand liegen und wird auch von den namentlich nicht bekannten Verfassern nicht bestritten. Letztere hoffen gleichwohl auf Belastbarkeit der Ergebnisse. Die wird nicht schon daran scheitern, dass die ausgewerteten 90 Interviews aus 2019 datieren.

Bedenklicher ist, dass ein Drittel der ebenfalls nicht namentlich benannten 90 Befragten Lehrende sind. Ohne den Lehrenden Fähigkeit und Anlass zu sowie ein Interesse an Kritik an der juristischen Ausbildung absprechen zu wollen – es dürfte ein Leichtes sein, unter den etwa 1000 Professoren an deutschen juristischen Fachbereichen 17 zusammenzusuchen, die im Wesentlichen die Stärken des status quo sehen. Dass unter den 31 befragten Lernenden zehn junge Berufstätige sind, wirkt ganz sympathisch, verbirgt aber den Umstand, dass damit nur 21 Studenten und Referendare übrigbleiben, die die gefürchteten Prüfungen noch vor sich haben. Also einer oder zwei pro Bundesland. Fein! Ganz außer Betracht scheint die Perspektive derjenigen geblieben zu sein, die genervt den Bettel hingeworfen haben, mehr oder minder freiwillig. Aus dem Studium ausgestiegen oder herausgeprüft, im Examen durchgerasselt und nicht mehr genug Leidensbereitschaft oder finanzielle Rücklagen übrig, um den zweiten Anlauf mit gestiegenem Erfolgsdruck noch zu unternehmen. Wäre vielleicht keine schlechte Idee gewesen, auch diese scheinbaren Verlierer mal zu fragen.

Auf absehbare Zeit kein Handlungsbedarf

Nun stehen im Bericht natürlich auch haufenweise Dinge, an die man ganz produktiv anknüpfen könnte – wenn man denn überhaupt mal einsteigen würde in einen womöglich ergebnisoffenen Diskurs über Änderungsbedarfe. Angebote dazu hat es in den letzten Jahren so viele gegeben wie selten. Und auch an Anlässen fehlt es nicht, wenn man ehrlich ist. Deprimierend sind die Folgerungen, die sowohl die anonymen Ausschussmitglieder als auch die Justizminister daraus ziehen, nämlich: auf absehbare Zeit kein Handlungsbedarf, Detailverbesserungen sollten ausreichen.

Das könnte sich als Fehleinschätzung erweisen, als folgenschwere womöglich.

Demographisch bedingt ist so gut wie sicher, dass die einstweilen nur leicht rückläufige Zahl von Jurastudenten in den nächsten Jahren weiter sinken dürfte. Gleichzeitig steigt seit Jahrzehnten die Zahl der Studenten in alternativen Fächern wie Wirtschaftsrecht sowohl an den Universities als auch an den Universitäten, die LL.B.- und LL.M.-Studiengänge anbieten. Wenn es schlecht läuft, trocknen also eines Tages die Staatsexamensstudiengänge aus. Das ist bei Juristen heikler als bei Krankenpflegern – die Möglichkeiten sind einfach sehr begrenzt, den Bedarf mit eingewanderten Kräften aus Albanien zu decken.

Der Seitenblick auf die alternativen juristischen Studiengänge erlaubt es, noch eine Überlegung in den Blick zu nehmen, die in der bisherigen Debatte wenn überhaupt dann eher am Rande erörtert wird. Sprechen wir einmal kurz über Qualitätssicherung.

Seit Bologna (eine interessante Vermischung von Zeit- und Ortsangaben, btw), also seit etwa 20 Jahren, ist die ganz große Mehrzahl der Studiengänge in Deutschland auf die Abschlüsse Bachelor und Master umgestellt worden, nicht zuletzt wegen internationaler Vergleichbarkeit und Anschlussfähigkeit. Damit einher ging qualitätssicherungshalber ein System von Akkreditierungen, Re-Akkreditierungen und Systemakkreditierungen, das dazu führt, dass sich die Hochschulen, Fachbereiche und konkret Studiengänge im Abstand weniger Jahre der Kritik externer Akkreditierungsagenturen stellen müssen. Diese Kritik ist oft sachkundig und oft konstruktiv. Sie führt zu kleinen und großen Anpassungen von einzelnen Modulen und Veranstaltungen, von Studienplänen und Studiengangsdesigns, von Prüfungsformaten und alltäglichen praktischen Handhabungen.

Akkreditierung als Qualitätssicherung

Nicht jeder Beteiligte empfindet jede Veränderung als Verbesserung, klar. Und man darf nicht verschweigen, dass das gesamte Verfahren mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, der nicht immer im Verhältnis zum Ertrag steht und Ressourcen bindet, die womöglich anderswo produktiver eingesetzt werden könnten. Aber alles in allem ist das ein halbwegs funktionierender Qualitätssicherungsmechanismus, der einigermaßen wirksam verhindert, dass eine Hochschule wichtige Entwicklungen einfach verschläft und jahrzehnte- oder jahrhundertelang im eigenen Saft brät. Durch die Beteiligung unterschiedlicher Stakeholdergruppen ist eine gewisse Perspektivenvielfalt gewährleistet. Nicht perfekt, das alles, aber doch passabel gut.

Nun zu den juristischen Fakultäten. Die haben keine Akkreditierungen. Die haben Justizprüfungsämter und Justizministerien. Das ist genug Qualitätssicherung. Die Justizministerkonferenz beauftragt dann einen Koordinierungsausschuss Juristenausbildung, der erwartungsgemäß bestätigt, dass alles gut ist, so wie es ist. Nachdem er 90 handverlesene Leute mit einem Interviewleitfaden befragt hat. So einfach kann das sein.

Keine unangenehmen Fragen von in die Probleme eingearbeiteten Kollegen anderer Hochschulen, keine unpassenden oder unbequemen Änderungsvorschläge der Studenten, keine Auflagen, Bedingungen, Rechenschaftspflichten, keine Drohung mit Nicht-Akkreditierung. Brauchen wir bei den Juristen nicht. Brauchen wir nur so-gut-wie-überall-sonst.

Ich kenne Kollegen, die bekommen bei der Vorstellung, dass eine deutsche Juristenfakultät sich mit ihrem Staatsexamensstudiengang einem Akkreditierungsverfahren stellen müsste, Lachanfälle. Am Anfang sind sie lustig, die Lachanfälle. Aber so nach drei oder vier Minuten macht man sich Sorgen, wenn das Gelächter nicht leiser wird, sondern IMMER NUR LAUTER.

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Prof. Dr. Roland Schimmel
Prof. Dr. Roland Schimmelhttp://www.t1p.de/3jhys
Jurist, Autor, Professor für Wirtschaftsprivatrecht und Bürgerliches Recht an der Frankfurt University of Applied Sciences.

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