Rezension: „Examensrepetitorium Zivilrecht“ (Heinrich)

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Nur wenige Lehr- oder Fallbücher des Jurastudiums sind darauf ausgelegt, das gesamte examensrelevante Privatrecht abzudecken – „Examensrepetitorium Zivilrecht“ von Prof. Dr. Christian Heinrich in seiner 5. Auflage (2024) ist eines davon. Das Buch enthält „Examensklassiker anhand originaltreuer Klausuren“, wie uns der Untertitel verrät. Es sind 22 Fälle an der Zahl, die Reihenfolge entspricht der Gliederung des BGB: es geht vom Allgemeinen Teil des BGB zum Allgemeinen und Besonderen Schuldrecht (inkl. Arbeitsrecht), dann über das Sachenrecht hin zum Familien- und Erbrecht. Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozessrecht sind mit eingebaut, denn darin liegt gerade der Charakter von Examensklausuren – sie verbinden die verschiedenen Teilgebiete und bauen sie wie aus Bausteinen zusammen.

Rezensionen

Kompakte Wiederholung für fortgeschrittene Examenskandidat:innen

Genau diese Bausteine möchte das Buch identifizieren. Im Vorwort heißt es über den Aufbau von Klausuren: „Die gleichen Probleme werden in ähnlichen Sachverhalten häufig nur unterschiedlich kombiniert.“ Dargestellt werden somit authentische Klausurtypen, die so auch im Staatsexamen geprüft werden könnten. Keinesfalls soll es dabei sämtliche der examensrelevanten Themen abdecken, wie Heinrich deutlich macht. Vielmehr eigne sich das Werk für die Wiederholung in den letzten Wochen der Examensvorbereitung, um „die Aufmerksamkeit auf diese stets wiederkehrenden Klausurstrukturen, Aufbauregeln sowie Meinungsstreitigkeiten mit hoher Prüfungswahrscheinlichkeit zu richten.“

Übersichtlicher Aufbau

Dies kann ich – derzeit am Ende der Examensvorbereitung  – vollends bestätigen. Für diese Rezension suchte ich mir intuitiv eine der Klausuren aus und wählte die Nr. 8: „Werkvertrag, Anwaltshaftung, Mahnverfahren, Versäumnisurteil und Widerklage“. Wie man hier sehen kann, verzichtete Heinrich darauf, seine Fälle mit den üblichen, manchmal so skurrilen Überschriften zu versehen, wie es üblicherweise die Universitäten und privaten Repetitorien handhaben. Stattdessen betitelte er sie mit den jeweiligen Themenschwerpunkten, sodass bereits aus einem Blick ins Inhaltsverzeichnis ersichtlich wird, welche Schwerpunkte der jeweilige Fall behandelt. Das ist wichtig, denn in den letzten Wochen der Vorbereitung möchte man sich gezielt auf seine Wissenslücken konzentrieren, um diese aufzubessern.

Auch die Klausuren sind sehr übersichtlich und ästhetisch aufgebaut: Die 22 Sachverhalte haben stets den Umfang von einer Seite und stehen rechts, dann folgt zunächst eine Gliederung der Falllösung mit Angabe der Seitenzahlen, bevor man zum ausformulierten Lösungsvorschlag kommt. In der neuesten Auflage wurden hier Anpassungen entsprechend der aktuellen Rechtsprechung und Literatur sowie dem MoPeG vorgenommen.

Ausführliche Lösungsvorschläge

Die Lösung umfasst jeweils zwischen 20 und 30 Seiten und ist damit viel umfassender als sonstige Beispiellösungen aus (Uni-)Repetitorien oder Aufsätzen, weil das Werk auch die theoretischen Grundlagen noch einmal auffrischen möchte. So finden sich zwischendurch Infografiken und -texte, unterstützt durch prägnante Merkkästen an den Seiten, die Schemata und wichtige Fakten noch einmal darlegen. Damit ist das Buch sowohl Fall- als auch Lehrbuch.

Dem Anspruch, sowohl den Fall einwandfrei zu lösen als auch vertiefte theoretische Kenntnisse einfließen zu lassen, kann in diesem Umfang kaum jemand im Examen gerecht werden. Wichtig ist deshalb, dass man die hier gezeigten Lösungen – und darauf wird im Vorwort hingewiesen – nicht als Beispiel für eine realistische gelungene Examensklausur nehmen sollte. Es geht vielmehr darum, an der passenden Stelle zugleich noch einmal das Themenwissen aufzufrischen und so nicht nur der Fallübung zu dienen, sondern auch didaktische Zwecke zu erfüllen.

Optimierung des Gutachtenstils

In den Falllösungen wird kleinschrittig jede Voraussetzung durchgeprüft und nichts übersprungen. Dabei findet man so manche Definition, die eigentlich so grundlegend ist, das sie in fortgeschrittenen Falllösungen häufig weggelassen wird, und man sie gerade deshalb schon fast vergessen hat. Das ist gut, um sich noch einmal auf die Grundlagen sowie auf den Gutachtenstil zu besinnen. In der Examensvorbereitung, in der man so viele Klausuren schreibt, kann es leicht passieren, dass man ab einem gewissen Zeitpunkt technisch nicht mehr so präzise und kleinschrittig arbeiten kann, wie es manchmal gefordert wird. Dem steuert insbesondere auch der Theorieteil am Anfang des Werk entgegen: In „Grundlagen der Klausurtechnik“ wird zum Zwecke einer kurzen Wiederholung zusammengefasst, wie man den Sachverhalt auswertet, die Fallfrage analysiert, eine Lösungsskizze ausarbeitet, dabei Schwerpunkte und Probleme darstellt und diese bei der Ausarbeitung der Lösung angemessen formuliert.

Motivierende Schreibweise

Den von mir ausgesuchten Fall Nr. 8 zu lösen, fiel mir gar nicht so leicht. Positiv aufgefallen ist mir jedoch, dass die Falllösung keine Lernhinweise oder ähnliches kommentierte, sondern vollends sachlich geblieben ist. Denn während Hinweise wie „schauen Sie sich X noch einmal genauer an!“ am Anfang der Examensvorbereitung oder auch in den ersten vier Jahren des Studiums durchaus Früchte tragen kann, ist es hierfür bei fortgeschrittenen Lernenden ohnehin zu spät, sodass dies nur zu Verunsicherung führen würde. Zudem hat man in diesem Stadium bereits eigene Lernmethoden entwickelt. Dass Heinrich dies berücksichtigt, macht ihn als Herausgeber des Werks äußerst sympathisch.

Fazit

Heinrich weiß bemerkenswert gut einzuschätzen, was fortgeschrittene Examenskandidat:innen brauchen, um effektiv ihr Wissen zu wiederholen, an entscheidenden Stellen weiter zu vertiefen, und vor allem: dieses Wissen zu verknüpfen. Auch wenn das Werk nicht sämtliche Probleme abdecken kann (und auch gar nicht möchte), so geht man, nachdem man die Fälle dieses Buchs gelöst hat, bereits viel entspannter und mit einem Gefühl der Grundsicherheit ins Examen. Dies gilt nicht in Bezug auf die Examensklausuren, die klassische Probleme behandeln und in diesem Buch deshalb vielleicht sogar explizit besprochen wurden, sondern auch für die „exotischen“ Fälle, da ja auch die Technik – und hierbei insbesondere der Gutachtenstil – mit diesem Buch optimiert wird.

Einen einzigen Nachteil hat das Werk: da es ziemlich groß ist (ca. 21×26 cm), wiegt es auch relativ schwer, und man sollte sich zweimal überlegen, ob man es zusammen mit dem Habersack in die Bibliothek tragen möchte, oder doch lieber vom heimischen Schreibtisch aus lernt. Da passt es doch gut, dass das Werk von Heinrich inzwischen so beliebt ist, dass es ohnehin in jeder Rechtsbibliothek vorhanden sein müsste.😊

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