Wer sich auf der Flucht befindet, kann nicht vor Gericht klagen!

-Werbung-spot_imgspot_img

Spätestens im Rechtsreferendariat lernt man, dass Klageschriften zugestellt werden müssen. Und zwar an eine ladungsfähige Anschrift (im Normalfall also den Wohnort des Betroffenen). Doch wie ist das bei einer Person, die aus dem Gefängnis ausbricht und sich auf der Flucht befindet? Kann ein Flüchtiger mangels bekannter Anschrift niemals klagen/verklagt werden? Genau mit dieser Konstellation musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. befassen. Ja, for real!

Der Mann saß wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Euskirch ein – und zwar im offenen Vollzug. Dabei handelt es sich um eine Haftform, die den Gefangenen ermöglicht, tagsüber am „normalen“ Arbeitsleben in Freiheit teilzunehmen. Nach der Arbeit kehren die Inhaftierten über Nacht in die JVA zurück. Diese Hafterleichterung nutzte der 27-Jährige jedoch zur Flucht.

Kein Grund zur Klage?

Diese Flucht griff eine große überregionale Zeitung auf und berichtete Anfang 2024 in zwei Artikeln darüber. Die Überschriften lauteten „(…)-Knacki aus JVA (…) abgehauen“ und „Beim Freigang aus JVA abgehauen (…) Gefängnis wusste, dass (…)-Knacki fliehen wollte … aber niemand reagierte!“. Diese Berichterstattung fand der Mann überhaupt nicht schmeichelnd – vor allem, weil die Artikel jeweils mit einem Foto von ihm bebildert waren. Der ehemalige Gefangene fühlte sich in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Er beantragte beim Landgericht (LG) Frankfurt a.M. deswegen eine einstweilige Verfügung gegen die Zeitung. Das LG wies seinen Antrag jedoch als unzulässig zurück, weil er als Adresse eben jene JVA angab, deren Obhut er sich zuvor entzogen hatte. Diese Entscheidung wurde auch vom OLG Frankfurt a.M. bestätigt.

Ernsthaftigkeit des Begehrens

Die Adresse der JVA biete keine Gewähr für eine ernsthafte Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Zustellung von Schriftsätzen durch das Gericht. Denn der Mann habe offensichtlich gerade nicht vor, dorthin zurückzukehren. Ein Prozess könne nicht „aus dem Verborgenen“ heraus geführt werden, so die Gerichte. Eine ladungsfähige Anschrift dokumentiere u.a. die Ernsthaftigkeit des Begehrens sowie die Bereitschaft, sich etwaiger mit dem Betreiben des Prozesses verbundener nachteiliger Folgen zu stellen. Im Eilverfahren beispielsweise auch dem Kostenvorschuss, der hierfür durch das Gericht erhoben werde.

Ausnahmsweise kann auf eine Anschrift verzichtet werden, wenn der Betroffene ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse hat. Diese Konstellation sei hier aber ebenfalls nicht einschlägig. Denn: sich vor den Behörden zu verstecken und sich dem Strafvollzug zu entziehen, sei nicht schützenswert. Logisch.

Der ehemalige Gefangene kann also entweder in die JVA zurückkehren und gegen die Zeitung klagen oder in Freiheit bleiben. Dann muss er aber auch mit der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts leben.


Entscheidung: OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 7.3.2024, Az. 16 W 5/24

-Werbung-

Ähnliche Artikel

Social Media

10,950FollowerFolgen
3,146FollowerFolgen
Download on the App Store
Jetzt bei Google Play
-Werbung-spot_img
-Werbung-

Letzte Artikel