Interview: Frag die …. US-Anwältin an der Wall Street und M&A-Expertin

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Juristische Berufserfahrung aus erster Hand: Im Interview mit der auf Mergers & Acquisitions sowie Kapitalmarktrecht spezialisierten US-Anwältin an der Wall Street Priscilla Bonsu.

Priscilla Bonsu ist die Tochter ghanaischer Einwanderer und wurde in Saarbrücken geboren. Nach ihrem 1. Staatsexamen an der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg schloss sie einen LL.M. an der University of California-Berkeley ab. Nach einem Ausflug an die Emory University für den J.D. bestand Bonsu auch das US Bar Exam. Heute ist sie als Anwältin im M&A Bereich der US-Kanzlei Becker & Poliakoff LLP in New York tätig und bearbeitet außerdem Mandate im Kapitalmarktrecht. Priscilla Bonsu wurde von der Emory University mit dem „Woman of Excellence Award“ ausgezeichnet und erhielt mit ihrem J.D. Abschluss den Preis der „National Association of Women Lawyers“ (NAWL).

Sehr geehrte Frau Bonsu, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, Wissenswertes über sich und Ihren außergewöhnlichen Werdegang mit unseren Leser:innen zu teilen! Wie kam es dazu, dass Sie sich nach dem 1. Staatsexamen in Heidelberg dazu entschieden haben, in die USA auszuwandern?

Antwort: Ich war damals schon zu Beginn meines Jurastudiums an der Ruprecht-Karls Universität in Heidelberg fest dazu entschlossen, nach dem ersten 1. Staatsexamen in den USA Jura zu studieren und dort als Juristin zu arbeiten. Ich wusste damals zwar noch nicht genau wie, allerdings hatte ich bereits im ersten Semester zwei Professoren (Prof. Ebke und Prof. Brugger), die Jahre zuvor bereits den Schritt in die USA gewagt hatten und zufälligerweise auch an der University of California-Berkeley ihren LL.M. gemacht hatten.

Ich hatte meine Zusage von Berkeley kurz vor meiner mündlichen Prüfung erhalten, in der ich u.a. auch von Prof. Ebke geprüft wurde. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keine Pläne auszuwandern. Erst im LL.M. Studium merkte ich, dass ich doch lieber in den USA als Rechtsanwältin arbeiten möchte als in Deutschland. Ich fand die Kurse damals viel interessanter als in Deutschland und das Berufsbild des U.S.-amerikanischen Anwalts fand ich viel attraktiver. Aus meinem Jahrgang hat es keiner in eine US-Kanzlei geschafft. Es war also so gut wie unmöglich alleine mit dem professional LL.M. (beschleunigtes LL.M. Programm) auf dem U.S.-amerikanischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Aus diesem Grund hatte ich mich dafür entschieden, zuerst einmal zurück nach Deutschland zu gehen und mich dann für den J.D. zu bewerben um letztendlich die gleichen Chancen auf eine Associate-Stelle in einer U.S.-Kanzlei zu haben wie die Amerikaner:innen.

Als „woman of color“ gehören Sie an den juristischen Fakultäten in Deutschland zu einer sehr kleinen Minderheit. Hatte Ihre Entscheidung, als US-Anwältin zu arbeiten, auch mit Diskriminierungserfahrungen in Deutschland zu tun?

Antwort: Meine Entscheidung Deutschland zu verlassen und in den USA als Corporate Rechtsanwaeltin durchzustarten hatte primär damit zu tun, dass ich mir mein Leben und meine Karriere anders vorgestellt hatte als es in Deutschland war und letztendlich gewesen wäre, wenn ich geblieben wäre. Natürlich spielt die Tatsache, dass ich eine „Woman of Color“ bin auch eine Rolle, da es generell in Deutschland für Frauen bereits schwierig ist und die Tatsache, dass ich eine „Woman of Color“ bin es natürlich nicht leichter macht. „People of Color“ werden, wie wir alle wissen, leider immer noch stark (gerade in den USA) diskriminiert. Die Diskriminierung in Deutschland an sich war also nicht der ausschlaggebende Grund für meine Entscheidung in die USA auszuwandern. Dennoch spielte sie natürlich eine grosse Rolle.  

In den USA angekommen, mussten sie dort das Bar Exam ablegen, um überhaupt als Anwältin zugelassen zu werden. Wie läuft das Bar Exam in den USA ab? Ist es mit dem deutschen Staatsexamen vergleichbar? Welches Examen fiel Ihnen schwerer?

Antwort: Im Sommer 2017 kam ich als angehende Emory J.D. Studentin in New York City an. Ich hatte mich noch vor meiner Abreise bei der sog. „Job Fair“ der National Black Law Student Association (NBLSA) beworben und hatte daraufhin eine Einladung zum kurzen Vorstellungsgespräch mit White & Case und Littler erhalten. Das Ganze lief genauso wie beim klassischen „Speed-Dating“ ab. Man setzte sich an einen Tisch, hatte den Recruiter der jeweiligen Kanzlei vor sich und musste sicher innerhalb einiger Minuten vorstellen, etwas Interessantes über sich erzählen und letztlich darlegen weshalb man der oder die perfekte Kandidat:in für das Summer Associate Programm ist, das im darauffolgenden Jahr stattfand. Nachdem die Zeit abgelaufen war, ging es auch schon sofort an den nächsten Tisch.

Ich hatte am Ende eine Einladung zum „Call Back“-Gespräch von White & Case erhalten und wurde damit also zum klassischen Vorstellungsgespräch in New York eingeladen, welches einige Monate später stattfand. Nach der „Job Fair“ ging es für mich direkt nach Atlanta, wo sich die Emory Law School befindet. Dort studierte ich zwei Jahre lang im beschleunigten J.D. Programm. Erst danach legte ich das Uniform Bar Exam (UBE) ab. Normalerweise findet das UBE in einer grossen Halle statt, in der ein paar hundert Kandidaten:innen die Prüfung über zwei konsekutive Tage entweder in der letzten Juli- oder Februarwoche ablegen. Ich trat mitten in der Pandemie zur Prüfung an. Zu dem Zeitpunkt lief das UBE zum allerersten mal online. Für mich persönlich war die Vorbereitung auf das UBE kürzer, allerdings viel intensiver als in Deutschland. Die UBE Prüfung an sich fiel mir daher leichter als das 1. Staatsexamen. Ich war zweifellos besser auf das UBE vorbereitet als auf das 1. Staatsexamen einige Jahre zuvor.

In den USA legten Sie außerdem einen Master ab und waren zunächst bei einer anderen Kanzlei tätig. Wieso haben Sie sich letztendlich dazu entschieden, im M&A-Bereich tätig zu sein?

Antwort: Den LL.M. legte ich ca. fünf Jahre vor dem J.D. ab. Danach ging es für mich erst einmal zurück nach Deutschland. Nach dem J.D. fing ich beim German Desk der Kanzlei Smith, Gambrell & Russell in Atlanta an. Wichtig war für mich damals zunächst einmal erste Arbeitserfahrung in einer U.S.-amerikanischen Kanzlei zu sammeln. Da unsere Mandant:innen hauptsaechlich deutsche Unternehmen waren, die den Eintritt in den U.S.-amerikanischen Markt anvisierten, bestand meine Arbeit zunächst hauptsaechlich darin, die Gründungsdokumente für die geplanten US-Tochtergsellschaften anzufertigen. Erst etwas später ging es für mich mit relativ einfachen M&A-Transaktionen zwischen deutschen Unternehmen und U.S.-amerikanischen Unternehmen los.

Nehmen Sie uns an die Hand und führen Sie uns durch einen typischen Arbeitstag als M&A-Anwältin in den USA. Was unterscheidet Ihre Tätigkeit von anderen Bereichen des Zivilrechts?

Antwort: Der Bereich M&A und Kapitalmarktrecht ist sehr breitgfächert und Becker & Poliakoff ist eine international aufgestellte Kanzlei. Gerade im Kapitalmarktrecht arbeite ich hauptsächlich mit international agierenden Unternehmen zusammen, die sich in unterschiedlichen Zeitzonen befinden. Das führt oftmals dazu, dass man morgens aufsteht und bereits unzählige E-Mails aus aller Welt erhalten hat. Diese werden im Buero an einem typischen Arbeitstag zuerst einmal abgearbeitet. Das kann manchmal den ganzen Vormittag beanspruchen. Dazu kommen natürlich noch die Rechtsangelegenheiten der U.S.-amerikanischen und kanadischen Mandant:innen und unzählige Telefonate und/oder virtuelle Meetings am Nachmittag. Alle zwei Wochen finden bei uns sog. „Corporate Meetings“ für das gesamte Corporate Team statt. Zudem finden in New York City fast tagtäglich Networking Events für Anwät:innen und/oder andere Berufsgruppen statt.

Apropos „typischer Tag“: Was sind typische Probleme, die Ihnen tagtäglich bei Ihrer Arbeit begegnen – was war im Gegenteil dazu der kurioseste Fall, der Ihnen widerfahren ist?

Antwort: Ein typisches Problem in der Juristerei ist die Erwartungshaltung der Mandantschaft. Die Amerikaner, vor allem die New Yorker, sind generell sehr anspruchsvoll und ungeduldig. Zudem kommt es im Bereich M&A und Kapitalmarktrecht leider auch vor, dass die kulturellen Unterschiede zwischen den Vertragsparteien die Transaktion gefährden können. Derartige Unstimmigkeiten können im Extremfall dazu führen, dass sich Fronten weiter verhärten. Der kurioseste Fall, der mir jemals widerfahren ist, war ein Fall, der mit der Vorbereitung einer simplen M&A-Transaktion anfing, sich über einen längeren Zeitraum hinweg zu einem monströsen Rechtsstreit entwickelte und fast vor den US-Bundesgerichten gelandet ist.

In den USA haben Sie bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten und sind auch immer wieder im TV. Würden Sie sagen, dass es in den USA einfacher ist, als „woman of color“ Karriere zu machen? Gibt es mehr Fördermöglichkeiten als in Deutschland oder sind es eher die Vorgesetzten und Arbeitskolleg:innen, die Ihnen aufgeschlossen gegenüberstanden?

Antwort: Ich denke, dass es auch hier in den USA definitiv nicht leicht ist als „Woman of Color“ Karriere zu machen. Allerdings glaube ich schon, dass es hier immer noch leichter ist als in Deutschland. Es gibt hier einfach viel mehr Möglichkeiten für „People of Color“. Zum Beispiel habe ich damals weder als LL.M. noch als J.D. Studentin finanzielle Unterstützung aus Deutschland erhalten. Für beide Abschlüsse erhielt ich entweder eine teilweisen Studiengebührenerlass oder ein Stipendium von der jeweiligen U.S.-amerikanischen Institution. Die einzige Förderung, die ich aus Deutschland erhalten hatte, kam vom DAAD während meines 10-wöchigen Praktikums bei der Deutschen Botschaft in Washington D.C.

Zudem versuche ich seit Beginn meiner juristischen Karriere an der Wall Street mit den deutschen Medien in Kontakt zu kommen. Ich gehe stark davon aus, dass es nicht viele Frauen, vor allem nicht „Women of Color“, aus Deutschland gibt, die als Juristinnen an der Wall Street arbeiten und sich gerne zu den Ereignissen im Big Apple in den deutschen Medien äussern wollen würden. Sandra Navidi, ebenfalls eine deutsche Juristin hier in New York, ist in dem Bereich mein großes Vorbild. Leider wurden meine Anfragen an die deutschen Medien bisher allesamt entweder komplett ignoriert oder nett zurückgewiesen. Im Gegensatz dazu, werde ich ständig ins amerikanische, ghanaische, nigerianische und südafrikanische Fernsehen eingeladen. Mein letzter TV-Beitrag erfolgte in einem Interview mit BBC News, was mein persönliches Highlight war. Meine Vorgesetzten und Kolleg:innen finden meine Ambitionen im Bereich Medien sehr spannend und unterstützen mich voll und ganz.

Jetzt haben Sie uns schon sehr von Ihrem Beruf überzeugen können. Was muss man tun, um als deutsche Juristin in den USA durchzustarten und welche Voraussetzungen sollte man als M&A-Anwältin unbedingt mitbringen?

Antwort: Wichtig ist, sich komplett auf das amerikanische System einzulassen und es nicht ständig mit dem deutschen System zu vergleichen oder eine typische Reaktion, die man aus Deutschland kennt, zu erwarten. In der Hinsicht muss ich auch noch an mir selbst arbeiten, da ich auch gelegentlich dazu neige, Parallelen zu Deutschland zu ziehen. Ansonsten bedarf es natürlich sehr viel Biss und Geduld. Es ist definitv nicht leicht als Ausländer:in hier in den USA als Jurist:in durchzustarten. Der Arbeitsmarkt hier ist sehr anspruchsvoll und gnadenlos. Urlaubstage nehmen wird hier immer noch nicht gerne gesehen. „Work-Life-Balance“ ist hier zumindest in der Juristerei leider immer noch nicht ganz angekommen. Ich hoffe, dass sich das in naher Zukunft ändert. Für M&A, Kapitalmarktrecht und Corporate generell muss man sehr gut organisiert sein und sehr präzise arbeiten. Gerade als Associate wird von einem erwartet, dass man Unstimmigkeiten im Detail entdeckt, die den Partner:innen nicht auffallen. Je selbständiger man als Corporate Associate arbeiten kann, desto besser.

Zu guter Letzt: Versetzen Sie sich in Ihr Erstsemester-Ich zurück. Was würde es heute von Ihrem Werdegang halten?

Antwort: Ich glaube mein Erstsemester-Ich waere höchst wahrscheinlich (positiv) überrascht und doch ein bisschen überwaeltigt, denn zu Beginn des Studiums war ich mir nicht sicher, ob ich das richtige Studienfach ausgewählt hatte. Ich war neben Jura auch an Dolmetschen, Medien & Journalismus und International Business Management interessiert. Nach so vielen Jahren ist es mir dennoch tatsächlich gelungen, alle meine Interessen unter einen Hut zu bringen. Dass so etwas möglich ist, war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht wirklich klar. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich mich für Jura entschieden habe, da es mir die Tür in andere Bereiche geöffnet und den Weg ins Ausland geebnet hat.  

Sehr geehrter Frau Bonsu, vielen Dank für Ihre spannenden Einblicke!

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