Seit 2014 findet in der Vorlesung von Prof. Dr. Jörg Kinzig, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie, Strafrecht und Sanktionenrecht der Universität Tübingen und Direktor des Instituts für Kriminologie eine Umfrage zum Thema Kriminalität statt. Im Sommersemester 2024 haben 181 Jurastudierende des zweiten und dritten Fachsemesters an der Umfrage teilgenommen. Mit interessanten Ergebnissen.
Das Vertrauen in die Justiz ist demnach eher schwach ausgeprägt. Ein größerer Teil der Studierenden bejaht die Aussage “Vor den Strafgerichten profitiert der, der sich teure Anwälte leisten kann”. Außerdem zweifeln die angehenden Jurist:innen daran, dass vor Gericht tatsächlich alle gleich sind. Die Strenge der Justiz bewerten die Befragten von 1 (= zu lasch) und 5 (= zu streng) im Schnitt mit einer 2,5.
Jurastudierenden ist die Justiz zu lasch!
Noch krasser fallen die Ergebnisse aber bei zwei Themenblöcken aus. So befürworten 51 Prozent der Befragten die Herabsetzung der Strafmündigkeitsgrenze von 14 auf zwölf Jahre. Das war in Deutschland letztmals unter den Nationalsozialisten der Fall. Unter Kriminolog:innen wird eine niedrigere Schwelle hingegen größtenteils abgelehnt.
Staatliche Folter ist in Deutschland verboten. Trotzdem befürworten einige Jurastudierende ihre Anwendung zur Abwehr schwerster Gefahren für die Allgemeinheit. Das ist erschreckend. Bei der Todesstrafe ist dann hingegen Schluss. Hierfür gab es von den Jurastudierenden keine Zustimmung. Der Aussage, dass Strafgefangene in der Regel viel zu früh entlassen werden, stimmte jedoch ein Großteil der Jurastudierenden zu (3,1 von 5).
Außerdem fordern die Jurastudierenden in bestimmten Bereichen härtere Strafen. So beispielsweise beim sog. „Catcalling“. Das „Containern“ soll hingegen in Zukunft nicht mehr strafbar sein. Mildere Strafen wünschen sich die Jurastudierenden auch für das „Fahren ohne Fahrschein“.
Kriminalität falsch eingeschätzt
Dabei sind die Studierenden in den Anfangssemestern noch relativ schlecht über das Thema Kriminalität informiert. So begehen sie den gleichen Fehler wie ein Großteil der Bevölkerung und gehen davon aus, dass die Kriminalität in den letzten Jahren zugenommen hätte. Die Befragten gaben an, dass die Fallzahlen von Betrug und Diebstahl zugenommen hätten, einige nahmen das auch für Mord an. Tatsächlich sind die Zahlen der Delikte in der Polizeilichen Kriminalstatistik allerdings rückläufig.
In dieser Hinsicht ist es also gut, dass die Studierenden in Tübingen nicht nur eine Strafrechtsvorlesung haben, sondern im Rahmen ihres Schwerpunktstudiums auch den Schwerpunkt „Kriminologie“ wählen können. In diesem unterrichtet sie dann unter anderem auch Prof. Kinzig.