Mit „The Acolyte“ erschien im Juni 2024 eine weitere Star-Wars-Serie, die im Gegensatz zu „The Mandalorian“ vom Publikum aber eher kritisch bewertet wurde. Unabhängig davon wirft die Serie jedoch interessante Problemstellungen aus dem Bereich des Vertragsrechts auf. Muss sich die Schülerin Mae wirklich an den Vertrag halten, den sie mit ihrem Meister geschlossen hat?
“You know, your sister being alive doesn’t change anything. You need to kill the Wookie. You made a deal.”
“I don’t need to keep this deal. You were wrong. Osha being alive changes everything. My loyalty is to Osha, not your Master.”
Aber von vorne: „The Acolyte“ spielt in der Galaktischen Republik und erzählt die Geschichte der Zwillingsmädchen Osha und Mae, die durch einen Schicksalsschlag als Kinder voneinander getrennt wurden. Osha wächst als Jedi-Schülerin in dem Glauben auf, ihre Zwillingsschwester sei in einem Feuer getötet worden. Mae hat jedoch überlebt und hasst die Jedi dafür, dass sie ihre Schwester mitgenommen und sie allein zurückgelassen haben. Auch sie geht vom Tod ihrer Zwillingsschwester aus. Sie schließt sich deswegen der Dunklen Seite an und trainiert an der Seite „des Fremden“. Ihr Ziel: Diejenigen Jedi töten, die ihre Familie auseinanderrissen.
Ein Vertrag auf Leben und Tod
Dazu schlossen der Fremde und Mae eine Art Ausbildungsvertrag. Mae verpflichtete sich, die Schülerin des Fremden zu sein und lebenslang an dessen Seite zu kämpfen. Im Gegensatz dazu versprach ihr der Fremde, sie in der Macht auszubilden und sie dabei zu unterstützen, sich an den Jedi zu rächen. Der Twist: Mae äußert, dass der Meister sie töten würde, wenn sie ihren Teil der Abmachung nicht einhielte. Ein Vertrag auf Leben und Tod.
Doch im Laufe der Serie ändert sich für Mae alles. Sie erfährt, dass ihre Zwillingsschwester Osha noch am Leben ist. Damit ändern sich für Mae auch ihre Rachepläne gegenüber den Jedi. Der Fremde sieht das jedoch etwas anders. Er ist der Meinung: Ein Deal ist ein Deal! Mae muss sich an den Vertrag halten. Und dazu gehört, dass sie die Jedi, zu denen auch der Wookie Keinacca gehört, tötet.
Gibt es juristisch Gründe, die gegen eine solche vertragliche Verpflichtung sprechen? Im deutschen Recht gilt der Grundsatz „pacta sunt servanda“ (lat. Verträge sind einzuhalten). Damit ist der Grundsatz der Vertragstreue gemeint. Wer mit einer anderen Person einen Vertrag eingeht, muss sich auch an diesen halten.
Ein Deal ist ein Deal?
Vom Prinzip der Vertragstreue gibt es jedoch aus Ausnahmen. Und hier ist ganz eindeutig § 138 Abs. 1 BGB einschlägig. Dennach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Sittenwidrigkeit ist dann anzunehmen, wenn der Vertrag dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Der BGH führt dazu aus: „Als sittenwidrig im Sinne dieser Vorschrift ist ein Rechtsgeschäft zu beurteilen, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist.“
Hier verpflichtete sich Mae gegenüber dem Fremden dazu, eine andere Person zu töten, nämlich den Wookie Keinacca (der in der Welt von Star Wars definitiv nicht als Tier, sondern als menschenähnliche Person angesehen werden muss). Damit verpflichtet sich Mae, eine Straftat, nämlich einen Mord (§ 211 StGB) zu begehen. Derartige Verträge (z.B. auch der Vertrag eines Auftragskillers) verstoßen gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender und sind damit sittenwidrig. Außerdem ist darin ein Verstoß gegen § 134 BGB (gesetzliches Verbot) zu sehen. Alleine aus diesem Grund muss sich Mae rein juristisch also nicht an den Vertrag mit dem Fremden halten.
Wegfall der Geschäftsgrundlage?
Doch was wäre, wenn es § 138 Abs. 1 und § 134 BGB nicht gäbe? Könnte das Rechtsgeschäft auch noch aus anderen Gründen nichtig oder aufhebbar sein? Mae spricht in „The Acolyte“ selbst einen anderen möglichen Grund an. Nämlich die Tatsache, dass sich die Umstände für sie seit dem Vertragsschluss gravierend verändert haben. Die Tatsache, dass ihre Zwillingsschwester am Leben sei, ändere für sie alles. Gibt es auch zu dieser Einschätzung eine deutsche Rechtsnorm?
Ja, § 313 Abs. 1 BGB – Sörung der Geschäftsgrundlage. Haben sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss so schwerwiegend verändert, dass die Parteien den Vertrag so nicht geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, spricht man von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dann kommt eine Anpassung der Geschäftsgrundlage oder sogar ein Rücktritt/eine Kündigung in Betracht.
Die Störung der Geschäftsgrundlage setzt ein reales, ein hypothetisches und ein normatives Element voraus:
Das reale Element der Geschäftsgrundlage ist ein Umstand, der von mindestens einer Vertragspartei bei Abgabe der Vertragserklärung vorausgesetzt wird. Dieser Umstand muss sich nachträglich geändert haben. Der einzige Grund, wieso sich Mae der Dunklen Seite zuwendet und zur Schülerin des Fremden wird, ist der Tod ihrer Schwester, den sie rächen will. Dieser Umstand hat sich jedoch nicht nach Vertragsschluss geändert. Denn Osha war von Anfang an am Leben. Hier ist aber § 313 Abs. 2 BGB einschlägig. Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. Da Mae später herausfindet, dass Osha noch am Leben ist, hat sich diese Vorstellung für sie nach Vertragsschluss geändert.
Das hypothetische Element liegt vor, wenn der Umstand für die Partei, die ihn vorausgesetzt hat, so wichtig gewesen ist, dass sie bei Kenntnis der wahren Sachlage den Vertrag nicht oder nicht so abgeschlossen hätte. Die Änderung muss also schwerwiegend sein. Der vermeintliche Tod ihrer Zwillingsschwester verändert für Mae alles. Sie denkt, auf sich alleine gestellt zu sein und geht davon aus, dass die Jedi für den Tod ihrer Familie verantwortlich sind. Die Tatsache, dass sich Mae in dem Moment von der Dunklen Seite abwendet, in dem sie erkennt, dass Osha noch lebt, zeigt, dass sie den Vertrag mit dem Fremden nie geschlossen hätte, wenn sie bei Vertragsschluss die wahre Sachlage gekannt hätte.
Einzelfallabwägung und Zumutbarkeit
Im Rahmen des normativen Elements muss eine Einzelfallabwägung erfolgen. Zunächst ist festzustellen, ob der benachteiligten Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist und danach, inwieweit der anderen Partei eine Anpassung zugemutet werden kann. Die Änderung der Umstände darf nicht aus der Sphäre der Partei kommen, die sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage beruft. Hier hatte sich Mae lebenslang der Dunklen Seite verpflichtet. Ihre Rachepläne beruhten auf der fälschlichen Annahme, dass die Jedi ihre Schwester getötet haben. Deswegen wollte sie auch den Wookie Keinacca töten. Dass die Jedi den Tod ihrer Schwester nicht verursacht haben, ändert für Mae alles. Für sie ist es deswegen nicht zumutbar, an der Tötung von Keinacca festzuhalten. Insbesondere ist sie auch nicht für die veränderten Umstände verantwortlich. Umgekehrt ist es dem Fremden zuzumuten, Mae aus dem Ausbildungsverhältnis zu entlassen und sie nicht dazu zu zwingen, Keinacca zu töten. Dafür spricht einerseits, dass die Verpflichtung zur Tötung einer anderen Person bereits per se unmoralisch ist. Andererseits kann der Fremde jederzeit einen anderen Schüler ausbilden.
Da die lebenslange Verpflichtung von Mae sowie die Tötung einer anderen Person für Mae extrem einschneidende Umstände sind, ist ihr eine bloße Vertragsanpassung nicht zumutbar. Ihr ist es vielmehr gestattet, sich dauerhaft vom Vertrag mit dem Fremden zu lösen. Auch über diesen Weg ist Mae also nicht weiterhin an den Vertrag gebunden.
In der Serie wird das Problem aber natürlich nicht juristisch gelöst, sondern dramaturgisch. Wie genau, wird an dieser Stelle nicht verraten. Bleibt also nur noch eine Frage: Wer ist eigentlich der Fremde mit dem lächelnden Stahlhelm? Um das herauszufinden, musst Du wohl „The Acolyte“ auf Disney+ schauen.