Volks­ver­het­zung durch ehemalige Rechtsanwältin in einem 339 Seiten langen Fax ans Finanzamt?

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Volksverhetzung hat viele Farben und Formen. Die Leugnung des Holocausts, das Beschimpfen bestimmter Bevölkerungsgruppen in der Öffentlichkeit oder antisemitisches Bildmaterial. In einem Fax hat es bisher aber noch niemand versucht. Bis jetzt.

Die ehemalige Rechtsanwältin Slyvia Stolz, die der Neonaziszene zugeordnet wird, musste sich vor Gericht verantworten, weil sie den Holocaust in einem Fax an das Finanzamt München leugnete. Zuvor war die 61-Jährige bereits zweimal in anderen Fällen wegen Volksverhetzung verurteilt worden und musste sogar eine Haftstrafe absitzen. Der Fax-Fall landete jetzt beim BGH. Umstritten ist das Tatbestandsmerkmal des „Verbreitens“. Denn ein Fax an das Finanzamt ist nicht öffentlich und wird üblicherweise nur durch die zuständigen Sachbearbeiter:innen gelesen. Das Fax in diesem Fall war 339 Seiten lang.

Leugnung des Holocaust

Volksverhetzung steht in Deutschland nach § 130 StGB unter Strafe. Strafbar macht sich insbesondere, wer gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert (Abs. 1 Nr. 1) oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet (Abs. 1 Nr. 2).  Der Straftatbestand des § 130 Abs. 3 StGB ist dann erfüllt, wenn jemand den Holocaust billigt, leugnet oder verharm­lost.

Das Landgericht München II hatte Stolz vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Bei dem Fax habe es sich um einen Einspruch zu einem Steuervorgang gehandelt. Stolz habe es nicht darauf abgesehen, dass ihr Fax einen größeren Personenkreis erreiche. Denn das Finanzamt müsse sich an den Datenschutz halten und unterliege einer Verschwiegenheitspflicht (Urt. v. 10.08.2023, Az. 4 KLs 11 Js 44491/21).

339 Seiten Hass und Hetze

Gegen die Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Auf den Seiten 36 bis 89 habe Stolz den Holocaust geleugnet, gegen Ausländer gehetzt und die Corona-Politik verteufelt. Es scheint so, als gehöre Stolz nicht nur der Neonaziszene an, sondern sei auch eine Reichsbürgerin.

Juristisch argumentierte die Staatsanwaltschaft, dass auch bei einem Fax ans Finanzamt mit einer Kettenverbreitung zu rechnen sei. Stolz könne nicht kontrollieren, wer das Fax letztendlich erhalte. Für das Tatbestandsmerkmal des „Verbreitens“ genüge eine „gewisse Streuung“ des Inhaltes, so die Staatsanwaltschaft.

Der Anwalt von Stolz sieht das Merkmal des “Verbreitens” hingegen als nicht erfüllt an. Er beruft sich für seine Mandantin außerdem auf die Meinungsfreiheit, die es verbiete, § 130 StGB uferlos auszulegen. Ansonsten dürfe man Strafbares nur noch denken und mit niemandem mehr darüber sprechen.

Die Entscheidung will der 3. Strafsenat des BGH am 25. September verkünden (Az. 3 StR 32/24).

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