Der vorliegende Beitrag soll Probleme rund um das Urheberrecht, dessen territoriale Anwendbarkeit und das zivilrechtliche Eilverfahren aufzeigen. Anlass hierzu gibt der Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 14. Dezember 2023 (Az.: 20 C 457/23). „Memes“ werden zwischenzeitlich online fast schon als gemeinfrei behandelt, sind dies aber gerade nicht immer.
Zivilrechtliche Nebengebiete – Wichtiger als gedacht!
Das rechtswissenschaftliche Studium vermittelt eine scheinbar unüberschaubare Menge an zivilrechtlichen Kenntnissen. In Berlin müssen die Prüflinge aus dem Bürgerlichen Recht das komplette BGB – bis auf das Familien- und Erbrecht sogar mitsamt der Rechtsprechung und Literatur zu den einzelnen Vorschriften – Teile des Handles- und Gesellschaftsrecht sowie das Arbeitsrecht beherrschen.[1] Hierbei handelt es sich ohne Frage um die praktisch relevantesten Bereiche des Privatrechts, Nebengebiete wie das Urheberrecht begegnen dem Rechtsstudenten höchstens im Rahmen von Schwerpunktveranstaltungen. Gerade solche Nebengebiete können aber in der anwaltlichen Praxis von hoher Bedeutung sein – dem ratsuchenden Mandanten wird man schwerlich erzählen können, sein Rechtsproblem sei damals kein Prüfungsstoff gewesen.
Widerstreit der Rechtsordnungen – Der DMCA und das UrhG
Die Antragsgegnerin mit Sitz in Kanada betreibt eine Social-Media-Plattform. Der Antragsteller mit Wohnsitz in Deutschland betrieb in der Vergangenheit einen „Instagram“-Account, auf welchem er sog. „Memes“ veröffentlichte. Dort lud er 2016 eine Fotomontage hoch, welche dieser mit textlichen Elementen untermalt waren. Das Urheberrecht an den hierfür verwendeten Fotos hält ein US-Sender. Ein unbekannt gebliebener Nutzer der Plattform der Antragsgegnerin lud dort die Fotomontage öffentlich verfügbar hoch. Die Antragsgegnerin machte geltend, dass für sie der Digital Millennium Copyright Act (DMCA) gelte und sie nach diesem nicht zur Entfernung verpflichtet sei.
Nach dem deutschen Urheberrecht genießen Fotografien entweder als Lichtbildwerk[2] oder bei zu niedriger Schöpfungshöhe als Lichtbild[3] urheberrechtlichen Schutz. Die Schöpfungshöhe wird dogmatisch an § 2 Abs. 2 UrhG angeknüpft und stellt sicher, dass „Werke“ ohne persönliche geistige Leistung des „Urhebers“ keinen Schutz genießen. Hiermit werden etwa „Werke“ ausgeschlossen, bei denen der „Urheber“ keinerlei Gestaltungsspielraum hatte, weil das Aussehen etwa durch die Funktion vorgegeben war. Die nur aus sechs Tönen bestehende Melodie der Tagesschau soll so beispielsweise bereits Urheberschutz genießen.[4] Die für die Fotomontage verwendeten Bilder waren also unproblematisch urheberrechtlich geschützt.
Nach dem gleichen Grundsätzen genießen auch Bearbeitungen von Werken urheberrechtlichen Schutz.[5] Dieser entsteht unabhängig davon, ob der Urheber des verwendeten Werkes[6] dem Bearbeiter die Bearbeitung oder deren Verbreitung erlaubt hat.[7] Es hindert die Entstehung eines Urheberrechts also nicht, wenn der Rechteinhaber selbst das Urheberrecht eines Dritten verletzt. Sowohl der Ersturheber als auch der Bearbeiter haben dann an der Bearbeitung Urheberrechte inne – jeder von ihnen kann die Verbreitung verbieten. Derart lag der Fall hier – nach deutschem Recht konnte der Antragsteller der Antragsgegnerin folglich verbieten, dessen Bearbeitung online abrufbereit zu halten.
Die Antragsgegnerin machte geltend, dass nach dem DMCA kein Urheberrecht an der Bearbeitung entstehe, wenn der Ersturheber seine Einwilligung nicht gegeben habe. Mit der Einführung des Internets stand man nicht selten vor dem Problem, nach dem Recht welchen Staates sich urheberrechtliche Fragen richten sollten. Durchgesetzt hat sich letztlich das Territorialitätsprinzip – es soll stets das Urheberrecht des Staates gelten, für dessen Bereich der Urheber Schutz begehrt[8]. Nach anderer Ansicht soll das Recht desjenigen Staates gelten, in dem das Werk geschaffen wurde.[9] Dies war mit Hinblick auf die Bearbeitung ebenfalls Deutschland. Zumindest für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland konnte der Antragsteller hier also die Sperrung des Inhaltes verlangen.
Verfügungsgrund – Besonderheit des Eilverfahrens
Das Recht kennt Eilverfahren an vielerlei Stellen – es hat anerkannt, dass das Zuwarten auf eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache in einigen Fällen nicht zumutbar sein kann. Das Verwaltungsrecht kennst so etwa die §§ 80, 80a, 123 VwGO, das Verfassungsprozessrecht hält eine entsprechende Regelung in § 32 BVerfGG bereit. Im Zivilprozessrecht ist insbesondere § 935 ZPO zu nennen. Alle diese Regelungen dienen nicht zuletzt auch der Verwirklichung des in das Rechtsstaatsprinzip hineingelesenen Rechts auf effektiven Rechtsschutz.
Auch das Strafrecht kennt eine vergleichbare Regelung. Das beschleunigte Verfahren (§§ 417 ff. StPO) soll zwar ebenso besonders schnell durchgeführt werden, führt aber anders als die übrigen Eilverfahren nicht zu einer nur vorläufigen Entscheidung. Der Haftbefehl (§ 114 StPO) dahingegen kann aufgrund seines gerade nicht endgültigen Charakters und der nur summarischen Prüfung der Schuld als zumindest dem Eilverfahren verwandt betitelt werden.
Das Recht sieht das Hauptsacheverfahren als den Ort vor, in dem Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden sind, eine Geltendmachung im Eilverfahren soll bereits wegen der rein summarischen Prüfung sowie der schlechteren Mitwirkungsmöglichkeiten die Ausnahme sein. Jedes Eilverfahren setzt daher stets einen Grund voraus, weshalb nicht die Hauptsacheentscheidung abgewartet werden kann. Betreffend des Haftbefehls mögen dies die Haftgründe[10] sein, im Zivilrecht wird schlichtweg ein Verfügungsgrund verlangt.
Der Antragssteller muss vortragen und glaubhaft machen, dass er die Entscheidung gerade im Eilverfahren benötigt, weil die Hauptsacheentscheidung zu spät käme. Dieser Verfügungsgrund liegt im Urheberrecht häufig vor, da die Rechtsprechung oft bereits aus dem Fortbestehen der Rechtsverletzung einen solchen schlussfolgert.[11]
Das Interesse des Antragsstellers an einer Eilentscheidung muss dem Interesse des Antragsgegners an einem Zuwarten auf das Hauptsacheverfahren derart überwiegen, dass ein Eingriff in die Rechtsphäre des Antragsgegners aufgrund einer rein summarischen Prüfung gerechtfertigt erscheint.[12] Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn dem Antragsteller fortlaufend ein Schaden entsteht[13].
Hieran hatte das Amtsgericht zu Recht Zweifel. Der Antragsteller hatte vorgetragen, er selbst habe seinen Instagram-Account bereits vor längerer Zeit deaktiviert. Nicht ersichtlich war mithin, dass diesem ein wirtschaftlicher Schaden entsteht. Es erteilte einen richterlichen Hinweis, woraufhin der Antragssteller ergänzend vortrug, der Inhalt entspreche nicht mehr seiner gewandelten Überzeugung.[14] Über eine Urheberrechtskennzeichnung auf der Bearbeitung sei er auch als der Bearbeiter erkennbar, sodass die Verfügbarkeit des Bildes im Internet unumkehrbar in sein (Urheber-) Persönlichkeitsrecht eingreife. Das Gericht erließ daraufhin die beantragte Verfügung. Der Verfügungsgrund muss mithin nicht wirtschaftlicher Natur sein, vielmehr genügt (gerade) auch eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Letztlich kommt es auf das Ergebnis einer Interessenabwägung an.
Anhörung per E-Mail?
Es mag kurios klingen: Deutsche Gerichte kommunizieren verfahrensbezogene Inhalte per E-Mail…
Dennoch ist es Realität im gesamten Immaterial-, Presse- sowie Wettbewerbsrecht. In diesen Rechtsgebieten besteht aufgrund starker wirtschaftlicher Interessen häufig eine besonders hohe Eilbedürftigkeit. Die förmliche Anhörung der Verfahrensbeteiligten per Post würde schlichtweg zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Für Fälle, in denen die Abmahnung identisch mit dem Verfügungsantrag ist, hat die Rechtsprechung daher eine Anhörung für entbehrlich gehalten.[15] Liegt ein solcher Fall nicht vor, muss der Antragsgegner schon aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit angehört werden. Die Rechtsprechung hat jedoch zugelassen, dass eine solche Anhörung per E-Mail geschieht.[16]
Take-Aways
Der geneigte Leser sollte aus diesem Beitrag folgendes mitnehmen:
- Auch scheinbar irrelevante Nebengebiete und im Examen oft vernachlässigte Verfahrensarten können schnell praktische Bedeutung gewinnen.
- Birgt ein Fall viele Rechtsprobleme, macht es diesen kompliziert. Zugleich bieten derartige Fälle aber unvergleichbare Möglichkeiten, spannende Rechtsfragen zu klären.
- Deutsche Gerichte sind bei Weitem nicht derart digitalisierungsfeindlich, wie man es vermuten mag. Selbst die E-Mail ist dort nach knapp 50 Jahren angekommen.
[1] § 3 Abs. 4 Nr. 1 JOA Bln.
[4] Solmecke, Christian: Rechtliche Risiken im Content Marketing, in: Hilker, Claudia: Contentmarketing in der Praxis, Wiesbaden: 2017, S. 187, 196.
[6] Nachfolgend: Ersturheber.
[7] BGHZ 15, 338 (347).
[8] Vgl. BGHZ 152, 317.
[9] MüKoBGB/Drexl, 8. Aufl. 2021, Rom II-VO Art. 8 Rn. 15.
[11] OLG Köln, openJur 2021, 18733 (Rn. 17).
[12] OLG Köln, openJur 2019, 18801 (Rn. 22).
[13] OLG Köln, ebd.
[14] Vgl. § 42 Abs. 1 S. 1 UrhG.
[15] BVerfG, Beschluss vom 3.6.2020 – 1 BvR 1246/20.
[16] LG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.12.2020 – 2-03 O 418/20.