Brüste. Kaum ein Körperteil wird so sehr politisiert und diskutiert wie sie. Wer dabei aber nur an Frauen – und ihren Wunsch nach einer Brustvergrößerung – denkt, denkt zu kurz. Auch Männerbrüste können Probleme bereiten – und operiert werden. Im vorliegenden Fall ging es allerdings darum, diese kleiner zu machen.
Gynäkomastie bezeichnet eine Brustdrüsenschwellung bei Männern, die dazu führt, dass die Brüste – im Vergleich zum Durchschnitt – größer sind. Das ist vielen der betroffenen Männer unangenehm. Denn mit einer großen Oberweite wird normalerweise das weibliche Geschlecht assoziiert. So ging es auch einem 52-jährigen Mann, der unter dieser Schwellung litt. Er forderte von seiner Krankenversicherung die Übernahme der Kosten einer Operation. Die Krankenkasse lehnte jedoch ab.
Die Krankenkasse argumentiert, dass eine Operation medizinisch nicht notwendig sei. Der Mann machte hingegen geltend, die Brüste seien optisch störend, er leide außerdem unter Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen.
Das Hessische Landessozialgericht gab der Krankenkasse nun Recht. Unter Krankheit ist nach der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper – oder Geisteszustand zu verstehen, der einer ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Das sei bei der Gynäkomastie vorliegend nicht der Fall. Bei dem Mann bestehen aufgrund der festgestellten Gynäkomastie keine nachgewiesenen orthopädischen oder dermatologischen Beschwerden. Auch über Brustschmerzen habe der Mann bei vorherigen Arztbesuchen nicht geklagt.
Kein Krankheitswert, keine Entstellung
„Zur Überzeugung des Senats lässt sich deshalb eine Gynäkomastie-Operation als ultima ratio nicht rechtfertigen, da in der Abwägung des hier nicht nachgewiesenen besonderen Ausmaßes der Schmerzen die ganz erheblichen Risiken einer Gynäkomastie-Operation in Gestalt von Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie und operationsspezifischen Komplikationen deutlich überwiegen, selbst wenn man davon ausginge, dass die Schmerzzustände durch die Operation ganz sicher behoben werden könnten.“
Eine Leistungspflicht der Krankenkasse ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Entstellung. Hierfür müsse eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein – was hier nicht der Fall sei. „Zum einen kann der Kläger die betreffenden Körperstellen durch einfachste Mittel, nämlich durch das Tragen angepasster Kleidung, verdecken. Zudem handelt es sich bei der Gynäkomastie um ein außerordentlich häufig anzutreffendes Phänomen in unserer Gesellschaft, das bei mehr als der Hälfte aller erwachsenen Männer auftritt.“
Dem Mann steht daher kein Anspruch auf Kostenübernahme für eine Gynäkomastie-Operation gegen seine Krankenkasse zu.
Entscheidung: LSG Hessen, Urt. v. 25.07.2024, Az. L 1 KR 193/22