Flexibler Weg zur Karriere als Anwalt, Staatsanwalt oder Richter: Voraussetzungen, Ablauf und Berufsaussichten der juristischen Ausbildung in England
In Deutschland wird seit längerem über eine Reform des Jurastudiums diskutiert. Laut einer Umfrage der Plattform iur.reform wünschen sich zwei Drittel der Befragten eine Reduzierung des Prüfungsstoffs, und mehr als 70 Prozent der Studierenden plädieren für die Einführung eines Bachelorabschlusses, um auch denjenigen, die das Staatsexamen nicht bestanden haben, einen rechtswissenschaftlichen Abschluss zu ermöglichen.
Immer mehr Studierende stellen sich die Frage, ob ein Jurastudium im europäischen Ausland eine Alternative bietet?
Wie gestaltet sich jedoch die juristische Ausbildung in England?
1. Schulabschluss
Für den Zugang zu juristischen Berufen in England sind ein General Certificate of Secondary Education (GCSE) oder A-Levels erforderlich. Das GCSE entspricht in Deutschland dem Realschulabschluss, A-Levels der allgemeinen Hochschulreife.
Es ist auch möglich mit einem deutschen Abschluss in England zu studieren, die Zeugnisse müssen dann von einem professionellen Übersetzer übersetzt und die Noten umgerechnet werden.
2. Wege zur juristischen Ausbildung
Es gibt verschiedene Wege, um in England eine juristische Karriere zu beginnen:
- Solicitor Apprenticeship: Ein traditionelles Studium ist nicht zwingend erforderlich. Alternativ kann man durch ein Solicitor Apprenticeship in bis zu sechs Jahren die für eine Zulassung als Solicitor erforderlichen Prüfungen, die Solicitor Qualifying Exams (SQEs) ablegen. Wie beim deutschen Staatsexamen hat man es mit zwei Prüfungen zu tun, zuerst folgt das theoretische SQE1 und danach das praktische SQE2.
Während der Apprenticeship erwirbt man praktische Erfahrung und kann häufig auch einen LL.B. erlangen. Aufgaben umfassen Rechtsrecherche, das Schreiben von Schriftsätzen, Teilnahme an Mandantengesprächen und rechtliche Transaktionen.
- Graduate Diploma in Law (GDL): Wer zunächst etwas anderes studiert hat, kann sich für das GDL einschreiben, um die Grundlagen des englischen Rechts zu erlernen. Dies ermöglicht es, einen LL.M. zu erwerben oder den Bar Practice Course zu absolvieren, wenn man Barrister werden möchte.
- Bachelor of Laws: Dies ist der traditionellste und häufigste Weg. Der Zugang erfolgt über drei A-Levels, GCSE oder ein entsprechendes juristisches Aufbaustudium an einem College. A-Levels werden zumeist in drei Fächern abgelegt, die man frei wählen kann.
Manchmal schreiben die Universitäten den Studieninteressierten aber bestimmte Fächer für die A-Levels vor, z.B Mathematik oder Geschichte.
3. Berufsaussichten nach den Studium:
Spätestens kurz vor Abschluss des Studiums muss man sich entscheiden, ob man als Solicitor oder Barrister arbeiten möchte.
- Solicitors und Solicitor-Advocates:
Solicitors arbeiten in Kanzleien oder Behörden und vertreten Mandanten vor dem County Court oder dem Magistrates’ Court, die Gerichte entsprechen dem deutschen Amtsgericht, das County Court verhandelt vor allem Zivilsachen und das Magistrate Court Strafsachen.
Die praktische Ausbildung erfolgt in der Regel durch die Qualifying Work Experience (QWE), die mindestens zwei Jahre dauern muss. Diese Erfahrung kann bereits vor oder während des Studiums gesammelt werden, auch international und aus dem Homeoffice. Die Vergütung für diese Arbeit kann variieren und ist nicht immer garantiert.
Durch eine zusätzliche Prüfung kann man die “Higher Rights of Audience” erwerben, die es ermöglichen, als Solicitor-Advocate vor allen Gerichten aufzutreten, ähnlich einem Barrister.
- Barrister:
Die Ausbildung zum Barrister umfasst den Bar Practice Course und eine einjährige praktische Ausbildung, die sogenannte “Pupillage”. Diese umfasst zwei Phasen: den “First Six”, in dem man vorwiegend beobachtet, und den “Second Six”, in dem man eigene Fälle übernimmt und vor Gericht auftritt.
- Karriere als Staatsanwalt oder Richter?
Eine Karriere als Staatsanwalt beim Crown Prosecution Service ist nur britischen Staatsbürgern vorbehalten. Richter werden in der Regel aus erfahrenen Solicitors oder Barristers ausgewählt, die bereits mehrere Jahre Berufserfahrung gesammelt haben.
Fazit:
Die juristische Ausbildung in England bietet zahlreiche Wege und Optionen. Ob durch ein traditionelles Studium, ein Apprenticeship oder ein zweites Studium nach einem anderen Erststudium, es gibt flexible Möglichkeiten, die den unterschiedlichen Bedürfnissen und beruflichen Zielen gerecht werden.
Für detaillierte Informationen und aktuelle Anforderungen sollte man sich an relevante Institutionen wie die Solicitors Regulation Authority bzw. das Bar Council wenden.