Interview mit dem Dachverband der studentischen Rechtsberatungen (DSR)

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In Deutschland gibt es inzwischen über 70 studentische Rechtsberatungen. Hier beraten Jurastudierende Hilfesuchende pro bono. Der Dachverband Studentischer Rechtsberatungen e.V. (DSR) ist der überregionale Zusammenschluss dieser Law Clinics. Dem Dachverband gehören inzwischen über 40 Law Clinics an. Der DSR hilft, die Arbeit der studentischen Rechtsberatungen flächendeckend, rechtskonform und auf hohem Qualitätsniveau sicherzustellen und voranzutreiben.

Wir haben mit Ida Hutopp (Vorständin des DSR und Vorständin der Law Clinic Rostock e.V.) sowie Julian Wilkens (Vorstand des DSR und Vorstand bei PARAlegal e.V. Jena) über ihr Engagement gesprochen.


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Seit wann gibt es den Dachverband der studentischen Rechtsberatungen und mit
welchem Ziel wurde er gegründet?

Ida Hutopp: Nachdem in 2008 das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) in Kraft getreten ist, gründeten sich zahlreiche Law Clinics durch verschiedene Initiativen an den juristischen Fakultäten. Im Laufe der Zeit entstand das Bedürfnis der einzelnen lokalen Beratungen, über eine zentrale Vertretung zu verfügen. Bei einem ersten Orientierungstreffen im Herbst 2017 in Jena kamen daraufhin einige der zukünftigen Mitglieder des DSR zusammen und berieten über die Gründung einer gemeinsamen Vereinigung. Nach intensiver Vorbereitung und vielen Gesprächen wurde am 14. Juni 2019 das Gründungstreffen in den Geschäftsräumen der Kanzlei CMS Deutschland am Standort Stuttgart durchgeführt. Der Verein sollte seinen Sitz in Jena haben, wo auch das Gründungsmitglied PARAlegal aktiv ist. Vertreter von insgesamt neun Mitgliederorganisationen beschlossen die Satzung, definierten die Leitlinien für eine erfolgreiche Arbeit des Dachverbands und wählten letztendlich den Gründungsvorstand. Mit der Aufnahme in das Vereinsregister nahm der Vorstand offiziell die Geschäfte auf.

Wieso hat es in Deutschland sehr viel länger gedauert als z.B. in den USA, um Law
Clinics zu etablieren?

Julian Wilkens: Am 1. Juli 2008 trat das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) in Kraft. Somit konnten Law Clinics erst ab diesem Zeitpunkt auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 RDG gegründet und Rechtsrat durch Nicht-Volljuristen ermöglicht werden. Im Gegensatz zu den USA hat die Etablierung von Law Clinics folglich stark zeitversetzt begonnen.

Welche Aufgaben übernimmt eine Law Clinic und wieso ist Eure Arbeit wichtig?

Ida Hutopp: Regulär ist eine Law Clinic dafür da, Mandaninnen möglichst niedrigschwellig in einem bestimmten Rechtsgebiet unentgeltlich zu beraten. Somit verschaffen sie Menschen einen Zugang zum Recht, die es sich unter anderen Umständen nicht leisten könnten. Darüber hinaus organisieren Law Clinics eigene Ausbildungsprogramme in einem oder mehreren Rechtsgebieten. Die Teilnahme an diesen Programmen ist ebenfalls kostenfrei, sodass wirklich jeder sich auf diese Art und Weise ausbilden lassen kann zum:r Berater:in.

Unsere Arbeit ist so wichtig, da wir die Law Clinics in erster Linie in ihrem Engagement unterstützen. Dies tun wir beispielsweise mit Projekten wie dem SoftSkill-Funding. Damit können Law Clinics mit bis zu 300€ für die Finanzierung von Soft-Skill-Workshops gefördert werden. Außerdem veranstalten wir ein jährliches Bundesvernetzungstreffen. Dort haben sie die Chance, in Präsenz zusammenzukommen und sich persönlich untereinander auszutauschen über Arbeitsweisen, eigene Projekte und diverse andere Angelegenheiten.

Wieso sollten sich Jurastudierende in einer Law Clinic engagieren?

Julian Wilkens: In einer Law Clinic erleben die Mitglieder die Vielfalt juristischer Fragestellungen im Alltag und können damit ihr theoretisch erlerntes Wissen praktisch anwenden und somit vertiefen. Sie bekommen damit einen frühzeitigen Einblick in das spätere Berufsfeld. Zudem werden nicht nur die juristischen Fähigkeiten verbessert, sondern auch persönliche Fähigkeiten und außerjuristische Soft Skills wie Gesprächsführung, Sachverhaltsaufnahme, konzentriertes Zuhören, das Einfühlvermögen sowie der Umgang mit Menschen in den verschiedensten Lebenssituationen geschult. Jedoch können sich keineswegs nur Jurastudierende (je nach Satzung) innerhalb einer Law Clinic engagieren. Auch Studierende anderer Fachbereiche und Nicht-Studierende können einen Einblick in die juristische Arbeit bekommen und sich mit der juristischen Arbeitsweise und Thematik auseinandersetzen. Alle Mitglieder können von der Arbeit innerhalb eines interdisziplinären Teams nur profitieren.

Ab welchem Semester ergibt eine Mitarbeit Sinn? Welche Voraussetzungen braucht es?

Ida Hutopp: Sinn ergibt die Mitarbeit bereits ab dem ersten Semester! Da es viele verschiedene Aufgaben innerhalb einer Law Clinic gibt, ist durchaus das Mitwirken ab dem ersten Tag eines Studiums denkbar. Davon ausklammern würde ich jedoch die Beratung selbst. Es gibt verschiedene Voraussetzungen, um als Berater*in aktiv werden zu können (Ausbildungsprogramm, Hospitation).

In Rostock, meiner Heimat Law Clinic, empfehlen wir das Ausbildungsprogramm ab dem dritten Semester zu besuchen, da erst die Grundlagen des Rechts in den Vorlesungen vermittelt und gefestigt werden sollten. Aber andere Aufgaben, wie das Erstellen von Beiträgen für die Social Media Accounts oder das Planen von Events, erfordern keine spezifischen Vorkenntnisse und können so problemlos bereits ab dem ersten Semester übernommen werden. Auch Nicht-Studierende oder Studierende anderer Fachrichtungen haben die Chance sich einzubringen.

Kann man sich das Engagement in einer Law Clinic als Studienleistung anrechnen lassen?

Ida Hutopp: Das ist abhängig vom Standort einer Law Clinic. An der Universität Rostock ist es beispielsweise so, dass das Prüfungsamt das Engagement als eine Praktikumsleistung anerkennt innerhalb des Bachelor-Studiengangs. An anderen Standorten mit dem juristischen Staatsexamen, wie zum Beispiel an der Universität Passau, besteht die Möglichkeit, durch ein Engagement einen Freiversuch für das erste Staatsexamen zu erhalten. Dahingegen gibt es aber auch Universitäten, wie die Friedrich-Schiller-Universität in Jena, die das Engagement der Studierenden nicht als Studienleistung anrechnen lässt, aber sie dennoch unterstützt, indem sie dafür bspw. Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.

Es gibt viele Refugee Law Clinics? Wieso ist gerade dieses Rechtsgebiet so häufig?

Ida Hutopp: Das Migrationsrecht findet in der juristischen Ausbildung kaum Platz. In weniger als der Hälfte der juristischen Fakultäten gibt es mindestens eine Vorlesung. In keiner von ihnen ist diese Pflicht. Und das obwohl der Anteil der migrationsrechtlichen Fälle vor den Verwaltungsgerichten nicht unerheblich ist. Dementsprechend gibt es nicht nur in der juristischen Ausbildung eine riesige Wissenslücke. Um dieser entgegenzuwirken bilden Refugee Law Clinics die eigenen Berater:innen aus bzw. weiter. Dafür organisieren sie in Eigenleistung mehrere Lehrveranstaltungen mit verschiedenen Volljuristinnen.

Sollten Kompetenzen wie Rhetorik, Mandatsgespräche, Streitschlichtung usw. viel mehr im Jurastudium unterrichtet werden?

Julian Wilkens: Soft Skills sollten mehr in das Jurastudium integriert werden, da ein umfassende Verständnis des eigenen Rechtssystems in der juristischen Berufswelt allein nicht genügt. Eine Vielzahl von juristischen Berufen wird durch den Kontakt mit anderen Menschen geprägt, weswegen auch entsprechende soziale Fähigkeiten benötigt werden. Die Integration solcher Soft Skills sollte jedoch nicht dazu führen, dass mit dieser eine größere (zeitliche) Belastung der Studierenden einhergeht.

Was ist „LC-World“ und „Law and Orga“? Wie funktionieren diese Projekte?

Ida Hutopp: Law Clinics haben häufig ähnliche Herausforderungen zu meistern. Egal ob Gemeinnützigkeitsprüfung, Datenschutz oder Beratungsvertragsklauseln – mit “LC World” möchte der Dachverband seinen Mitgliedern eine dynamische (Austausch-)Plattform für typische LC-Herausforderungen zur Verfügung stellen, die kontinuierlich weiterentwickelt wird. “LC-World” stellt somit den Ort des Wissensaustausches innerhalb der Law Clinics dar. Des Weiteren benötigen Law Clinics für eine effiziente Arbeitsweise eine professionelle digitale Infrastruktur. Diese muss neben den rechtlichen Anforderungen im Bereich des Datenschutzes auch eine reibungslos funktionierende Kommunikation innerhalb der beratenden Teams erlauben.

Eine Lösung hierfür ist das Akten- und Organisationsverwaltungssystem “Law&Orga”, welches vom Dachverband der Refugee Law Clinics entwickelt wurde. Dieses System ist speziell an die Bedürfnisse der Law Clinics angepasst und bietet eine Vielzahl nützlicher Funktionen. Neben der allgemeinen Vereinsverwaltung wird beispielsweise auch die gemeinsame Arbeit an einer Akte und deren Verwaltung ermöglicht. Durch die Organisationsverwaltungsfunktion können Ressorts/Arbeitsgruppen erstellt und koordiniert werden. Die Dateien können mithilfe einer Dateiverwaltungsfunktion übersichtlich und atenschutzkonform gespeichert werden. Das Programm steht durch die Kooperation zwischen DSR und dem Dachverband der Refugee Law Clinics auch Mitgliedern des DSR kostenlos zur Verfügung.

Vielen Dank für das Gespräch

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Redaktion
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JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

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