Erfahrungsbericht Verwaltungsstation am Verwaltungsgericht Chemnitz oder: über den Umgang mit schwierigen Ausbildern

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Das Verwaltungsgericht Chemnitz ist eins von 51 Verwaltungsgerichten in Deutschland. Nicht alle Bundesländer bieten innerhalb der Referendarausbildung eine Station am Verwaltungsgericht an, da die Verwaltungsgerichte stark überlastet sind und die Verfahren langjährig sind. Jedoch besteht in Sachsen die Möglichkeit in der praktischen Ausbildung, sich ein Bild von der Arbeit als Verwaltungsrichter:in zu machen.

Die Verwaltungsgerichte setzen sich neben „klassischen“ verwaltungsgerichtlichen Fragen, die überwiegend aus dem Studium bekannt sein sollten, überwiegend mit dem Asylrecht auseinander. 

Die Aufgabe eines:r Verwaltungsrichters:in besteht darin, Asylakten zu sichten, mit den Biografien und Erfahrungen der Asylbewerber:innen auseinanderzusetzen und so dann festzustellen, ob diesen zumindest die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden kann. Die Beweiswürdigung in Asylverfahren stellt sich in der Regel als anspruchsvoll für wenig praxiserfahrene Referendar:innen dar, weil den Aussagen nicht durchgängig Glauben geschenkt werden kann oder die zu würdigenden Aussagen noch inhaltlich sortiert werden müssen, ohne verfälscht zu werden.

Arbeit im unbekannten Asylrecht

Nachdem ich meinen mehrwöchigen Einführungslehrgang der Verwaltungsstation absolviert hatte, wurden alle Referendar:innen, die einen von wenigen Ausbildungsplätzen am Verwaltungsgericht erhalten konnten, eingeladen und ihren Ausbilder:innen vorgestellt. Ich erhielt  dort zu Beginn eine etwa dreistündige Einführung in das Asylrecht von meinem Ausbilder persönlich, die aus einem Monolog bestand, dem ich nicht einwandfrei folgen konnte. Daraufhin sollte ich im Rahmen der praktischen Ausbildung ein paar Tage später mit Asylverfahren von Asylbewerbern aus Nigeria anschauen.

Leider erkrankte ich in der Zwischenzeit, so dass ich an dem ersten Termin nicht teilnehmen konnte. Nachdem ich genesen war, vereinbarte ich einen Termin mit meinem Ausbilder, um die Akten aus dem Asylverfahren abzuholen und einen Urteilsentwurf dazu anzufertigen. Wie einen roten Faden durch die Besprechungen mit meinem Ausbilder zogen sich Andeutungen seinerseits, dass er keine Partnerin (bzw. „Niemanden zuhause“) hätte. Meines Erachtens ist es in Ordnung, im beruflichen Umgang private Themen (wie den Urlaub, Hobbies oder den Garten) einzubeziehen oder Ehepartner bzw. vorhandene Kinder zu erwähnen.

Ich versprach, binnen einer Woche einen Urteilsentwurf vorzulegen. Leider überschnitt sich dieser Zeitraum mit Unterricht und anderen Verpflichtungen, denen man im Referendariat nachgehen muss. Weiterhin wirkte die Thematik für mich auf menschlicher Ebene herausfordernd. Ich empfand es als schwierig, über das Schicksal einer jungen Familie aus Nigeria zu entscheiden und die Klage abzuweisen, wodurch die Familie leider ausreisen musste – auch wenn dies gesetzeskonform war. Ehrlicherweise hatte ich es in dieser Zeit auch nicht geschafft, mir tiefergehende Kenntnisse im Asylrecht zu verschaffen und den Stoff aus dem Einführungslehrgang nachzuarbeiten. So kam es, dass ich meinen Urteilsentwurf binnen zwei Stunden am Sonntagabend anfertigte. Die Folge dessen war, dass der Urteilsentwurf grottenschlecht war. Irgendwo hoffte ich, dass ich in der Station mich nicht noch einmal mit Akten aus dem Asylrecht auseinandersetzen musste. Als ich ein paar Tage später meinen Ausbilder wiedertraf zu einer Besprechung, war das Urteil schon ausgedruckt, aber noch nicht korrigiert. Ich bekam eine neue, umfangreiche Akte zur Bearbeitung ausgehändigt.

Es hagelt Kritik

Ein paar Wochen später erhielt ich das Feedback zu der Asylsache, wobei es regelrecht Kritik seitens meines Ausbilders hagelte, was dazu führte, dass ich zuhause im Anschluss an die Besprechung lange deswegen weinen musste und mich über eine Woche deprimiert gefühlt habe. Weil ich normalerweise kein Mensch bin, der den Kopf in den Sand steckt und sich den Gegebenheiten hingibt, beschloss ich, mich in der praktischen Ausbildung mehr anzustrengen, Engagement zu zeigen und Kritikfähigkeit zu beweisen. So nahm ich an weiteren Asylverfahren teil, gab meinem Ausbilder bei der Anhörung der jeweiligen Kläger Hinweise auf der Richterbank, welche Details aus meiner Sicht im Rahmen der gerichtlichen Verhandlung noch erfragt werden könnten. Weiterhin zeigte ich ein aufrichtiges Interesse an den Verfahren, auch wenn ich aufgrund meines Ausbildungsstands noch keine perfekten Urteile verfassen konnte.

Das Feedback für meine Akten erhielt ich jedoch erst einige Wochen später, so dass ich in den Urteilsentwürfen der Zwischenzeit keine bahnbrechenden Erkenntnisse der vorherigen Entwürfe aufzeigen konnte. Leider hatte mich die beißende Kritik meines Ausbilders derart verletzt und eingeschüchtert, dass ich beim Bearbeiten der Akten immer nur meine vergangenen Fehler im Kopf hatte, sodass es schwer war, sich auf den Fall zu konzentrieren und den Blick für die entscheidenden Details hatte. Dies führte dazu, dass meine Urteilsentwürfe immer schlechter wurden und ich eine Art Blockade beim Bearbeiten von Akten empfand und regelrecht Angstzustände im Zusammenhang mit verwaltungsgerichtlichen Urteilsklausuren entwickelte. Bei den Besprechungen der Urteilsentwürfe war es auch oft nahezu gleichgültig, wie ich mich dazu geäußert habe, da mein Ausbilder mich ohnehin nicht ausreden ließ, sondern einfach weiterredete in einem Schwall polemischer Äußerungen.

Zeugnis: “Schwer von Begriff”

Mein Zeugnis und das Feedback auf den Urteilsentwurf über die Rückforderung der Corona-Soforthilfen enthielt ich ein halbes Jahr später. Bei der Zeugnisübergabe musste ich mir anhören, dass ich „schwer von Begriff“ sei, langsam lernen würde und andere Referendarinnen vor mir deutlich schneller Fortschritte gemacht hätten. Die Zeugnisübergabe hatte mich fassungslos gemacht, weil meine Bemühungen und mein Engagement keine Berücksichtigung fanden.

Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die (zugegebenermaßen gerechtfertigte) Kritik freundlich und konstruktiv stattgefunden hätte, sodass der – doch teilweise trocken anmutende Stoff – lebendig und sinnvoll erscheinen würde. Mir ist aufgefallen, dass meine Schwierigkeiten mit der Station bzw. meinem Ausbilder auf gewisse Antipathien zurückzuführen sind, die durchaus auf Gegenseitigkeiten beruhen können. Gleichwohl gehört es zu jedem beruflichen Umgang zwingend dazu, über diese wohlwollend hinwegzusehen beziehungsweise zu überwinden, worum ich mich auch bemüht hatte.

Eine wichtige Lektion, die ich in meiner akademischen Ausbildung erfahren durfte, war, dass Fehler auch durchaus lehrreich sein können. Vor dem Hintergrund ist es schade, dass von Jurist:innen in Ausbildung verlangt wird, dass diese bereits Leistungen wie ausgebildete Jurist:innen mit zwanzig Jahren Berufserfahrung erbringen können. Wenn dem nämlich so wäre, wäre dem Referendariat jegliche Existenzberechtigung zu entziehen.

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Julia Schmidt
Julia Schmidt
Die Autorin hat an der Universität Leipzig Jura mit Schwerpunkt internationalen Privatrecht studiert.

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