In vielen juristischen Prüfungsordnungen ist es Voraussetzung, dass man wenigstens einen Schein in einer beliebigen Fremdsprache absolviert. So findet man in der bayerischen Prüfungsordnung jene Passage in § 24 II S. 1 JAPO: „Außerdem müssen die Bewerber an einer fremdsprachigen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder einem rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurs teilnehmen und darüber einen Leistungsnachweis erbringen.“
Dieser notwendige Schritt in Form eines Sprachkurses mit anschließendem Bestätigungsschein muss in Eurer Juralaufbahn aber nicht der einzige Berührungspunkt mit einer Fremdsprache sein. Viele Universitäten bieten zusätzlich weitere Kurse an, die auch am Ende in ein anerkanntes Zertifikat münden können. So ist es an der Friedrich-Alexander-Universität (Erlangen-Nürnberg) so, dass man beispielsweise im Bereich Legal English nach dem Level 2 – Pflichtkurs mit Aufbaukursen auf Level 3 und Intensivkursen auf Level 4 ein runderes Bewerbungsbild schaffen kann.
Warum ist so etwas sinnvoll?
Der saubere Umgang mit Fachsprachen, insbesondere mit Legal English ist für viele internationale (Groß-)Kanzleien einer von vielen Einstellungsvoraussetzungen. Zwar können manchmal sehr gute Leistungen im Staatsexamen solche Softskills einigermaßen wettmachen, doch wird Euer Profil durch ein flüssiges, gut angewandtes (Fach-)Englisch einfach stimmiger. Außerdem wird KI die Unterhaltung auf Englisch nicht ganz so schnell – wie das Textschreiben – ersetzen können.
Daher gibt es auch unzählige Möglichkeiten, durch die Ihr Euer Legal English mit einem bereits vorgefertigten Fundament ausbauen und entsprechend zertifizieren lassen könnt. Entweder eben durch die bereits oben angesprochenen Zertifikate an der Universität oder – wenn der Fokus nicht unbedingt auf Law sein muss – durch allgemeine Zertifikate (z.B. durch das Cambridge Certificate). Auch der LL.M., der grundsätzlich nach dem ersten Staatsexamen angesetzt wird, hilft dabei, Eure neuerworbenen Fertigkeiten besser nach außen zu bestätigen.
Doch was kann man machen, wenn das allgemeine Fundament fehlt?
Problematisch kann es sein, wenn für Intensivkurse, allgemeine Zertifikate oder für das Studium im Ausland die Sprachfundamente noch nicht vollumfänglich vorhanden sind. Klar, im Falle des Auslandsstudiums ist ein Aufbau vor Ort meist schnell und effizient möglich. Man ist ja letztlich dazu angehalten, zu kommunizieren, da man ansonsten den generellen Anschluss verlieren würde. Doch bei den anderen Möglichkeiten, sprich bei Intensivkursen und allgemeinen Zertifikaten, kann es sein, dass das Fundament ausschlaggebend ist, um bei jenen erfolgreich zu sein. Ein solches Fundament benötigt vor allem Elemente aus der allgemeinen Fremdsprache, also zunächst fernab von einem tiefen Umgang mit juristischer, englischer Fachsprache.
Um jenes Fundament entweder neu aufzubauen oder alte Strukturen aus der Schulzeit wieder zum Leben zu erwecken, stellen wir Euch einen Dreierschritt vor, mit dem wir zum Teil gute Erfolge erzielen konnten: Bewusstes Nebenbei-Lernen – Vernetzen – Intensive Anwendung.
Bewusstes Nebenbei-Lernen
Ja, es klingt so leicht und eigentlich hätte man selbst draufkommen können, aber der einfachste Weg, eine Sprache zu verbessern, ist die stete Auseinandersetzung mit jener. Jetzt werden wohl einige denken, dass wir mit englischen Podcasts, Filmen und Serien um die Ecke kommen. Nein, Ihr wisst bereits, dass solche Medien ein unheimliches Potenzial zur Verbesserung Eurer Zielsprache haben. Führt also diese Habits, solltet Ihr jene bereits bei Euch implementiert haben, weiter. Falls nein, fangt damit bitte an. Seht aber den nun neuen Punkt bitte als Ergänzung und nicht als Ersatz für das Vorherige.
Das Nebenbei-Lernen ist genau in den Situationen sinnvoll, in denen Ihr sowieso nichts zu tun habt. Beispielsweise dann, wenn Ihr von einem Hörsaal zum nächsten Hörsaal laufen müsst. Hier könnt Ihr beginnen, alles, was Euch so auf dem Weg entgegenkommt, zu hinterfragen und zu benennen: Ok, Gehweg ist der sidewalk (für die Briten der pavement), Fensterläden… Fensterläden, ach ja, das sind shutters, oh, oh Bordstein, keine Ahnung. Nun zückt Ihr Euer Handy (auf dem Ihr z.B. schon die dict.cc-App drauf gepackt habt) und schaut gezielt nach diesem Wort. Für alle, die es nun interessiert: Der Bordstein im Englischen heißt curb (BE: kerb).
Solche Lernspaziergänge müssen nicht nur auf Nomen begrenzt sein. Verben, Adjektive oder ganze Konstruktionen gehen auch. Ihr könnt Euch dafür – während des Laufens – kleine Geschichte überlegen: Mhm, ich bin kurz davor, das erste Mal der ERSTE im Hörsaal zu sein! Auf Englisch? Ehm… I’m… (kurz nachschauen, was „kurz davor” und „Hörsaal” heißt) Ahh, I’m on the verge of being the FIRST student in the lecture hall for the first time!
Essenziell ist es, dass Ihr Euer neues Wissen auch aufschreibt. Das geht z.B. in Notizen auf Eurem Handy.
Vernetzen
Der letzte Hinweis im obigen Beispiel ist auch gleich der perfekte Übergang für das zweite Vorgehen, dem Vernetzen. Oft lernte man in der Schule etwas zu separat, vor allem, wenn es um Wortfamilien oder Kollokationen ging. Das könnt Ihr nun, um Euer Fundament auszubauen, ein wenig besser machen. Dafür versucht Ihr gezielt, wenn Ihr ein neues Wort gelernt habt (beispielsweise kerb), nützliche Verbindungen zu suchen und in Euren Notizen als Liste zu konzipieren. So wird der abgesenkte Bordstein z.B. als lowered kerb übersetzt, perfekt, ab auf die Liste!
Bei anderen Kollokationen bieten sich auch Mindmaps an, bei denen das Nomen oder auch ein Verb in die Mitte kommt und an die Äste jeweils die möglichen Variationen hingeschrieben werden. Um hier ein wenig in die rechtliche Schiene abzudriften, gibt es ein Beispiel mit contract (Vertrag):

Diese Vorgehensweise kann auch für Wortfamilien hergenommen werden: Beispielsweise kann man gedanklich einzelne Bereiche abgehen: Die Tür (door) weist einen Türrahmen (doorframe) auf und ist durch ein Türscharnier (door hinge) beweglich. Vor der Tür liegt meist eine Fußmatte (doormat). Wir denken, dass das Prozedere klargeworden ist.
Intensive Anwendung
Nun kommen wir zur Königsdisziplin, der Anwendung. Durch das Notieren in digitaler und/oder handschriftlicher Form stellt Ihr sicher, dass alles, was Euch beim Nebenbei-Lernen und Vernetzen in den Sinn kommt, auch wirklich abgespeichert wird. Es wäre zu schade, wenn Euch gezielt Wörter, die Ihr einmal kurz im Sinn hattet, wieder abhandenkommen.
Eine kleine Anekdote von Alex soll diese Problematik verdeutlichen: In einer Übersetzungsklausur in meinem Englischstudium kam ein Wort dran, das ich nicht einmal zwei Wochen vorher bei einem englischen Serienmarathon kennengelernt habe. Das Wörtchen war complacency, die gute alte Selbstzufriedenheit. Leider hatte ich das Wort während des Serienmarathons nicht aufgeschrieben, geschweige denn in irgendeine Mindmap mit Vernetzung gepackt. Ich konnte mich nur erinnern, dass ich es bereits auf dict.cc gesucht hatte. Bedauerlicherweise fiel mir das Wort während der Klausur einfach nicht ein und kostete mich einen Wortfehler. Um Euch solche Situationen wenigstens teilweise zu ersparen, rate ich Euch zum Notieren und stetem Wiederholen des neugewonnen Sprachwissens.
Doch wie kann diese Anwendung aussehen? Naja, hier kommt unsere liebste Lernmethodik ins Spiel, die Feynman-Methode. Diese ist, einfach heruntergebrochen, mit dem Prinzip „Lernen durch Erklären“ zu umschreiben. Man nimmt sich also einen gewissen bereits notierten Lernbereich her, legt die Unterlagen neben sich und erklärt im Vortragsstil einem fiktiven Publikum den Inhalt dieses Bereichs. Überall da, wo es noch hapert, wird ein kleiner Hinweis von Euch vermerkt. Anschließend wird – nach dem man die Lücken gefüllt hat – noch einmal von vorne begonnen. Eine unheimlich effektive Methodik, die uns beim eigenen Lernen immens hilft. Diese Methodik kann Euch auch bei Eurer (intensiven) Englisch-Anwendung helfen. Wichtig ist dabei, die bereits im Vorhinein gemachten Notizen (handschriftlich wie auch digital) herzunehmen und einen gewissen Bereich abzustecken, z.B. die Wortfamilie mit der Basis door (door hinge, doorframe, etc.).
Nachdem der Bereich abgesteckt ist, legt Ihr die Unterlagen zur Seite und fangt an, einem fiktiven Publikum, die dem Englischen nicht 100% mächtig sind, jene Wörter in einem akademisch-angehauchten Englisch zu erklären. Immer dann, wenn Ihr ein Wort nicht wisst, markiert Ihr dieses Wort gleich in Euren Notizen. Beim nächsten Mal sitzt es…versprochen!
Fazit
Dieser Dreierschritt ist, wenn man ihn nicht separat, sondern zusammen in dieser Reihenfolge vollzieht, eine äußerst effektive Methode, um vor allem Euer allgemeines Englisch zu verbessern. Dieses Fundament wiederum ist für all Eure (Rechts-)Englischklausuren, aber auch für kommende mündliche Situationen nützlich: Stellt Euch einfach mal vor, Ihr seid bei Eurem englischsprachigen Moot Court Eurer Wahl in der mündlichen Verhandlung und plötzlich fällt Euch partout nicht ein, was „abgesenkter Bordstein“ auf Englisch heißt! Der lowered kerb weint dann hoffentlich nicht in Euren Notizen.