Als ich in meinem Jurastudium in eine Sinnkrise geriet und mir die Frage stellte, was wäre, wenn man uns das Rechtssystem wegnähme, und ob ich dann völlig umsonst studiert hätte, fing ich damit an, mich mit Rechtsphilosophie zu beschäftigen. Ich bemerkte sehr schnell, dass mir das Fach der Rechtsphilosophie viele Antworten gab auf die Frage nach dem „Warum“, also der Sinnhaftigkeit des Rechtssystems.
Als ich das Buch „Rechtsphilosophie und Rechtstheorie“ (Matthias Mahlmann, 8. Auflage, 2024) bekam, war ich glücklich darüber, so viele Themenbereiche in einem Buch zu finden. Sehr schön finde ich, dass am Anfang der Weg zur Demokratie und den Menschenrechten beschrieben wird. Das, was wir oft als selbstverständlich und gegeben hinnehmen, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Die Konzepte entwickelten sich über viele Jahrhunderte und forderten viele Opfer.
Sehr spannend fand ich auch den Abschnitt zu den Mayas und Inkas, dabei handelt es sich um einen Abschnitt der Vergangenheit, in welchem die Europäer den indigenen Menschen auf grausame Weise viel geraubt haben und das, obwohl diese Kulturen sehr wissend und intelligent waren. Der Abschnitt zeigt aber auch, dass Wissenschaft sich manchmal irrt und es zahlreiche Fehlannahmen und Fehleinschätzungen gab und gibt, die teilweise fatale Folgen mit sich bringen. Spannend ist auch, dass viele Kulturen verschiedene Regeln und Annahmen darüber hatten und haben, wie man das menschliche Zusammenleben gestalten und welche Grenzen hierbei notwendig sind.
Die großen Philosophen
Auch der Einfluss der Religionen, auf die der Autor relativ kurz, aber ausreichend tief eingeht, ist mir in der Auseinandersetzung mit der Rechtsphilosophie nicht entgangen. Schön finde ich, dass der Autor alle Weltreligionen anspricht und kurz ausführt. Auch die goldene Regel wird erklärt, die dann beim kategorischen Imperativ bei Kant gerade zur Abgrenzung eine große Rolle spielt. Auf Kants kategorischen Imperativ fußt die Objektformel des Bundesverfassungsgerichts. Gerade die Konkurrenz zu Mendelssohn war mir nicht klar. Der Autor arbeitet sehr schön die Grundsätze der Theorie heraus und erklärt sie fachlich, sachlich und verständlich.
Gänzlich unbekannt waren mir die Ausführungen zu Nietzsche, damit habe ich mich tatsächlich noch nie beschäftigt. Der Autor erklärt die sehr komplizierte Theorie niveauvoll und verständlich auch für Laien ohne Vorkenntnisse. Nietzsche war einer der größten Religionskritiker, gerade die Ausführungen zu gut und böse faszinierten mich. Nietzsches Theorie ist keinesfalls einfach und verständlich darzustellen, dies gelingt dem Mahlmann meiner Meinung nach gut, ohne qualitative Einbüßen machen zu müssen.
Gleichhheit und Gerechtigkeit
Sehr schön fand ich auch die Ausführungen zu Gleichheit und Gerechtigkeit sowie zum Rechtswert der Freiheit. Viele Jurastudierende berichteten mir im Gespräch, dass sie einen großen Gerechtigkeitssinn hätten und deshalb das Studienfach gewählt hätten. Nur, was ist Gerechtigkeit überhaupt? Mahlmann führt sehr schön aus, dass Gerechtigkeit oft mit Gleichheit gleichgesetzt wird. Er erklärt aber auch, dass Gerechtigkeit über Gleichheit hinaus geht, dass Aristoteles die Begriffe der allgemeinen Gesetzesgerechtigkeit, der austeilenden und ausgleichenden Gerechtigkeit. Diese Begriffe waren mir tatsächlich neu, machen aber genauer Betrachtung absolut Sinn. Auch die Ausführungen dazu, ob es überhaupt sinnhaft ist, Menschen gleich zu behandeln, oder ob Ungleichheit nicht gerechter wäre, finde ich absolut spannend. An dieser Stelle regte mich das Buch zum weiter darüber nachdenken an und es wird definitiv ein Thema sein, mit dem ich mich noch länger beschäftigen werde.
Fazit: Abschließend ist zu sagen, dass es sich mit 450 Seiten um ein sehr umfangreiches Buch handelt, bei dem es der Autor schafft, schwierige und komplizierte Sachverhalte auf ein verständliches Niveau zu bringen, so dass eine Vielzahl an Menschen angesprochen wird. Jeder vom Studienanfänger bis zum arbeitenden Juristen kann viel aus dem Buch gewinnen und sich auf einer Ebene fortbilden, die einem Verständnis und Weitsicht im eigenen Handeln bringt. Meiner Meinung nach hat das Buch eine angenehme Länge. Die einzelnen Kapitel werden nicht unnötig in die Länge gezogen, beschränken sich aber ausführlich genug auf das Wichtigste. Es ist definitiv ein Buch, das mich noch lange begleiten wird.