Der European Law Moot Court am Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gehört zu einem der beliebtesten und angesehensten Moot Courts Europas. Die Veranstaltung gibt jetzt jedoch Anlass zur Sorge. Mehrere Jurastudentinnen haben Vorwürfe gegen einen EuGH-Richter erhoben und werfen ihm sexuelle Belästigung vor.
Jahrelang soll es im Rahmen von Veranstaltungen des European Law Moot Court zu sexuellen Übergriffen durch einen Richter gekommen sein: Anzügliche Fragen, die Bitte um private Telefonnummern und unangemessene Gespräche. Aufgedeckt hat das die niederländische Journalistin Lise Witteman für das Investigativ-Portal Follow the Money. Allerdings sind weder die Identität des Richters noch die Namen der vermeintlichen Opfer bekannt.
Richterliche Unabhängigkeit vs. Konsequenzen
Witteman berichtet unter anderem über einen Vorfall im März 2023 anlässlich einer Moot-Court-Veranstaltung in Luxemburg. Es soll aber auch in den Jahren zuvor immer wieder zu sexuellen Belästigungen von Jurastudentinnen gekommen sein. In einem Fall trat ein slowenischer EuGH-Richter angeblich sogar zurück. Das Problem: es gibt keine Beweise.
Gegenüber beck-aktuell lässt der Präsident des Gerichtshofs, Koen Lenaerts, erklären: “Der in dem Artikel in Rede stehende Richter [hat] die Vorwürfe vehement zurückgewiesen. Mangels Informationen über die/von den möglichen Betroffenen konnte der Gerichtshof den Hinweisen der Verfasserin des Artikels nicht weiter nachgehen.” Eine interne Untersuchung blieb erfolglos.
Es stellt sich deswegen erneut die Frage, wie in Institutionen ohne übergeordnet Kontrollinstanz mit derartigen Vorwürfen umzugehen ist. Für den EuGH gibt es (zu Recht) keine Aufsichtsbehörde. Es leuchtet aber ein, dass nur ein unabhängiges Gremium Vorwürfe der sexuellen Belästigung sinnvoll aufklären können. Beispielsweise ein Ethik-Rat.
Im April 2024 wurde deswegen das “Gremium zur Stärkung der Transparenz und der Integrität der EU-Institutionen” beschlossen. Beigetreten sind unter anderem das Parlament, die Kommission und die Europäische Zentralbank – nicht jedoch der EuGH. Lenaerts sieht sonst die Unabhängigkeit des Gerichts bedroht.
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