Der Karneval: Eine fesselnde Zeit voller Lebensfreude, farbenfroher Kostüme und ausgelassener Feierlichkeiten – doch auch ein wenig Recht darf nicht fehlen. Auf dem ersten Blick findet sich kaum eine Verbindung mit dem juristischen Spektrum, doch wagt man einen genaueren Blick, findet sich die ein oder andere spannende Gemeinsamkeit. Genauso wie im konkreten Fall: Ein Kölner Vermieter konnte nicht anders als in seinen Mietvertrag eine Klausel einfügen, die so nur in Köln auffindbar ist.
Grundsätzlich gilt der allseits bekannte Grundsatz der Vertragsfreiheit. Diese umfasst die Freiheit, Verträge mit Personen und mit Inhalten der eigenen Wahl abzuschließen. Aber auch diese Freiheit – namentlich die Inhaltsfreiheit – findet ihre Grenzen. Dazu zählen insbesondere Fälle, in denen der Inhalt des Vertrages einer Inhaltskontrolle standhalten muss oder sittenwidrig ist. Zum Fall:
Mit seiner sogenannten „Brauchtumsklausel“ sicherte sich der Vermieter folgendes:
„Der Mieter erklärt sich damit einverstanden, die Wohnung und insbesondere die Terrasse im Rahmen der Brauchtumspflege am Rosenmontag dem Vermieter mit insgesamt 10-15 Personen auf Anfrage zur Verfügung zu stellen. Der Vermieter wird den Mieter jeweils spätestens 6 Wochen vor Karneval informieren, ob er die von diesem Recht Gebrauch machen wird. Sofern der Vermieter die Wohnung nutzen wird, erhält der Mieter einen Betrag in Höhe von 300,00 €. Der Vermieter wird nur die Bereiche Flur, Küche, Bad und Terrasse nutzen und die Wohnung ordentlich und gereinigt zurückgeben.“
Überraschende Brauchtumsklausel?
Als vertragliche Grundlage kommt ein Mietvertrag im Sinne des § 535 BGB in Betracht. Ungewiss ist, ob die „Brauchtumsklausel“ in den Vertrag wirksam einbezogen wurde. Dies ist nach den §§ 305 ff. BGB zu bemessen. Nach der Legaldefinition des § 305 I BGB sind AGB „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt“.
Die „Brauchtumsklausel“ ist eine einseitig gestellte und vorformulierte Vertragsbedingung. Hätten Vermieter und Mieter die Vertragsbedingungen ausgehandelt, lege keine einseitige Vertragsbedingung vor (vgl. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB).
Ferner muss das Merkmal „für eine Vielzahl von Verträgen“ gegeben sein. Dies ist der Fall, wenn der Verfasser die Klausel mit der Absicht ausgefertigt, diese mehrfach zu verwenden. Dabei reicht die Verwendungsabsicht in mindestens drei Fällen aus, unerheblich ist, ob die Klausel tatsächlich für eine Vielzahl von Verträgen verwendet wird. Bereits die Art der Ausfertigung und Einfügung der „Brauchtumsklausel“ signalisiert, dass der Vermieter die Klausel für das konkrete Mietobjekt auch künftig verwenden wird. Somit liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen vor.
Weiterhin ist eine wirksame Vertragseinbeziehung erforderlich. Diese setzt voraus, dass der Verwender auf die AGB hinweist, die andere Partei in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen kann und mit der Geltung einverstanden ist. All diese Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen, sodass von der wirksamen Einbeziehung ausgegangen werden kann.
Unabhängig davon wird die Klausel kein Bestandteil des Vertrages (vgl. § 305c I BGB), wenn sie derart ungewöhnlich ist, dass mit ihr nicht zu rechnen ist (sog. Überrumpelungseffekt). In Köln ist es zur Karnevalszeit üblich, seine Wohnung oder den dazugehörigen Balkon unterzuvermieten. Dabei geschieht es meist aus freiem Willen, wobei sich hier die Besonderheit wiederfindet, dass sich der Vermieter die Wohnung im Rahmen des Mietvertrages sichert. Zwar wird dem Mieter sechs Wochen vorher mitgeteilt, ob die Wohnung gebraucht wird, die Möglichkeit, dem Vorhaben zu widersprechen, wird ihm nicht eingeräumt. Weiterhin kann für eine wirksame Einbeziehung herangezogen werden, dass nur bestimmte Räume betreten werden, eine Entschädigung von 300 Euro gezahlt und die Wohnung „ordentlich sowie gereinigt“ zurückgegeben wird. Zudem kann dagegen angebracht werden, dass der Sinn und Zweck eines Mietverhältnisses darin besteht während des Mietzeitraumes einen ungestörten Zugriff auf das Mietobjekt zu haben. Außerdem darf nicht außer Betracht bleiben, dass im Hinblick auf den prekären Wohnungsmarkt keine Monopolstellung von Vermietern entstehen soll, wodurch sich Klauseln, wie die „Brauchtumsklausel“ durchsetzen, die den Mieter in seinen Rechten einschränkt.
Wie letztendlich entschieden wird, ist eine Frage der Gewichtung der Argumente. Überzeugender scheint es, auch im Hinblick einer mieterfreundlichen Auslegung, die „Brauchtumsklausel“ als überraschende Klausel einzustufen. Damit wird die Klausel nicht wirksam einbezogen. Eine Ersetzung durch gesetzliche Vorschriften wäre die Folge, wobei der restliche Teil des Vertrages wirksam bleibt (vgl. § 306 I, II BGB).
Das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender
Ungeachtet der fehlgeschlagenen Einbeziehung könnte mit der „Brauchtumsklausel“ auch ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen (vgl. § 138 I BGB). Unter den guten Sitten versteht sich das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.“
Weiterhelfen tut diese Definition nicht, sodass es einer Konkretisierung bedarf. Abgestellt wird auf die Sozialmoral eines anständigen Durchschnittsmenschen, wobei insbesondere Wertungen des Grundgesetzes (Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte) heranzuziehen sind. Hier kommt allein die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG iVm. Art. 1 I GG) in Betracht. Darunter fällt jedes menschliche Verhalten ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht ihm für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt, wobei nicht nur aktives Handeln, sondern auch Nichthandeln erfasst ist. Es sind die widerstreitenden Interessen entgegenzustellen, wobei auch im Rahmen dieser Prüfung auf die oben genannten Argumente Bezug genommen werden kann. Überzeugender scheint es, ein Verstoß gegen die guten Sitten anzunehmen. Es ist nicht mit der Allgemeinen Handlungsfreiheit vereinbar, dass ein Mieter während des Mietzeitraumes, entgegen seinem Willen verpflichtet wird, seine Wohnung, selbst an einem einzelnen Tag, nicht wie gewohnt nutzen zu können. Im Ergebnis kann auch hier festgehalten werden, dass es auf die Gewichtung der Argumente ankommt.
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