Die Einführung des integrierten Bachelor of Laws (LL.B.) in den rechtswissenschaftlichen Studiengängen stellt einen wichtigen Schritt zur Modernisierung der juristischen Ausbildung dar. Dieser Abschluss bietet ehemaligen Studentinnen und Studenten eine zusätzliche Qualifikation, die nicht nur breitere berufliche Perspektiven eröffnet, sondern auch dem seit langem bestehenden Fachkräftemangel wirksam entgegenwirkt. Allerdings wirft die unterschiedliche Rückwirkungsregelung in den Bundesländern, insbesondere zwischen Nordrhein-Westfalen und Hessen, erhebliche Fragen der Gerechtigkeit auf.
Während in Nordrhein-Westfalen der integrierte Bachelor bereits ab 2017 rückwirkend beantragt werden kann, gilt diese Regelung in Hessen erst ab 2019. Diese zeitliche Diskrepanz von zwei Jahren führt zu einer ungerechten Benachteiligung der hessischen Studierenden, die sich gegenüber den Studierenden aus Nordrhein-Westfalen deutlich benachteiligt fühlen.
Auch die Studierenden in Hessen sollten von einer großzügigen Ausweitung des Rückwirkungszeitraums profitieren dürfen. Schliesslich haben die betroffenen Studierenden in Hessen ihr Jurastudium mit großem Engagement und Einsatz absolviert. Sie haben die gleichen Prüfungen abgelegt, die gleichen Vorlesungen besucht und die gleichen Leistungsnachweise wie ihre Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen erbracht.
Dennoch werden sie durch eine willkürliche Befristung von den Vorteilen des Bachelorabschlusses ausgeschlossen, während ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen in Nordrhein-Westfalen von einer großzügigeren Ausweitung des Rückwirkungszeitraums begünstigt werden. Die betroffenen Studierenden fühlen sich zurückgelassen und erleben die aktuelle Regelung als klaren Ausdruck von Ungerechtigkeit: Warum soll ihre harte Arbeit weniger wert sein als die ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen aus Nordrhein-Westfalen?
Schließlich haben die hessischen Studierenden, die in diesen Jahrgängen die Voraussetzungen für einen Bachelor-Abschluss erfüllen, ein ebenso anspruchsvolles Studium absolviert wie ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen in Nordrhein-Westfalen und haben dieselben Chancen auf Anerkennung verdient.
Ein gerechtes System als Fundament für die moderne Gesellschaft
Zu einem modernen Rechtsstaat gehören nicht nur rechtliche Standards, sondern auch Fairness und Chancengleichheit in der juristischen Ausbildung. Die Einführung des LL.B. ist ein Schritt zu einem modernen und gerechten Ausbildungssystem, welches die Anforderungen der heutigen Gesellschaft reflektiert. Der integrierte Bachelor-Abschluss ist kein neues Konzept und wird in Deutschland gerade schrittweise ausgebaut, da er als ein entscheidender beruflicher Meilenstein angesehen wird. Die Universität Mannheim hat den Bachelor-Abschluss bereits 2008 eingeführt. Es folgten die Europa-Universität Viadrina im Jahr 2013 und renommierte Universitäten in Berlin und Hamburg.
Mit der rückwirkenden Regelung in Nordrhein-Westfalen ab 2017 wird gezeigt, dass es möglich ist, faire Lösungen zu schaffen. Die Tatsache, dass Hessen immer noch zwei Jahre hinter Nordrhein-Westfalen zurückbleibt, erweckt den Eindruck, dass es sich bei dem Bachelor-Abschluss lediglich um eine politische Strategie zur Gewinnung neuer Studierender handelt – und nicht um ein ernsthaftes Ziel, Chancengleichheit und Berufsaussichten im Bildungsbereich zu begünstigen. Eine faire Anpassung der Rückwirkungsfrist in Hessen wäre ein unumgänglicher Schritt zur Schaffung von Chancengleichheit und zur Förderung einer gerechteren und langfristig stabileren Gesellschaft.
Die Folgen der Ungleichbehandlung – ein finanzieller und emotionaler Teufelskreis
Die Folgen dieser Ungleichbehandlung sind vielfältig und gravierend. Während die Studierendenden in Nordrhein-Westfalen rückwirkend ab 2017 vom LL.B. begünstigt werden, werden diejenigen aus Hessen im Zeitraum 2017-2018 nicht berücksichtigt. Diese Zwei-Klassen-Gesellschaft im Bildungssystem hat zur Folge, dass ein Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt entsteht, bei dem Absolventen aus Hessen ohne Bachelor-Abschluss weniger Einstiegsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Gerade in den Jahrgängen ab 2017 haben viele begabte Studierende ihr Studium ohne Abschluss verlassen, obwohl sie den universitären Schwerpunktbereich und andere Anforderungen der Hochschule erfüllt haben.
Viele der betroffenen hessischen Studierenden sind überqualifiziert für Tätigkeiten, die ihren juristischen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht entsprechen. Gleichzeitig finden sie aufgrund des fehlenden Bachelor-Abschlusses oft keine adäquate Beschäftigung. Dadurch sind sie oft als „überqualifiziert und unterbezahlt“ im Arbeitsmarkt benachteiligt und finden häufig keine feste Anstellung. Sie sind gezwungen, Arbeitsplätze anzunehmen, die weit unter ihren Qualifikationen und Ausbildungsstandards liegen, was sowohl für die Betroffenen als auch für die Gesellschaft als Ganzes eine wirtschaftliche Verschwendung ist. In der Folge geraten manche in die Langzeitarbeitslosigkeit, was sie wiederum vom Staat abhängig macht und die Belastung des Sozialsystems noch erhöht – und das alles, weil ihnen ein formaler Abschluss verwehrt wird, auf den sie in anderen Bundesländern längst Anspruch haben. Ein modernes Rechtssystem bedarf nicht nur eines modernen, sondern auch eines fairen juristischen Ausbildungssystems.
Die betroffenen Studierenden haben beträchtliche Summen in ihr Studium investiert – viele von ihnen bleiben mit BAföG-Schulden und Studienkrediten zurück, ohne eine ausreichende berufliche Basis zu haben. Der LL.B. könnte ihnen helfen, die Rückzahlungen schneller zu leisten und finanziell unabhängig zu werden, jedoch ohne einen formalen Abschluss bleibt die Rückzahlung mühsam und auf Dauer eine erdrückende Last. Diese Situation ist für die Betroffenen emotional extrem erschütternd: Nach jahrelanger harter Arbeit und finanziellem Engagement stehen sie vor einer Zukunft voller Schulden und ohne einen anerkannten Abschluss, den sie auch verdient haben, da sie die Kriterien für den LLB erfüllen.
Argumente für eine gerechte Anpassung der Bachelor-Regelung in Hessen im Kontext des Fachkräftemangels
Es gibt schwerwiegende Gründe, warum die rückwirkende Vergabe des LL.B. in Hessen angepasst werden sollte, um eine faire und zukunftsorientierte Lösung für alle Studierenden zu schaffen. Studierende verdienen die Möglichkeit, dass ihre akademischen Leistungen in einem formalen Abschluss anerkannt werden, unabhängig vom Jahr ihres Hochschulabschlusses. Dies ist von entscheidender Bedeutung für eine Bildungslandschaft, die Chancengleichheit fördert und gewährleistet, dass alle Studierenden gleichermaßen von ihren Leistungen profitieren können. Denn Gerechtigkeit setzt voraus, dass Studierende, die ihre Prüfungen zu ähnlichen Zeiten abgelegt haben, gleich behandelt werden.
Es ist schwer nachzuvollziehen, dass es eine solche Ungleichbehandlung gibt. Denn sie untergräbt das Vertrauen in ein transparentes und faires Bildungssystem. Auch der Mangel an Fachkräften verdeutlicht, dass Studierende, die bislang ohne formalen Bachelor-Abschluss geblieben sind, eine für den deutschen Arbeitsmarkt dringend benötigte Ressource darstellen. Durch die Anpassung der hessischen Rückwirkungsfrist an die nordrhein-westfälische Regelung könnten noch mehr hochqualifizierte Fachkräfte einen wertvollen Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels leisten, wenn sie ihre verdiente formale Qualifikation anerkannt bekämen.
Zudem könnte der deutsche Arbeitsmarkt durch eine solche Angleichung effizienter unterstützt werden, da eine Diskrepanz von zwei Jahren eine beachtlich lange Zeitspanne darstellt, in der wertvolle Potenziale ungenutzt bleiben. Gleichzeitig werden derzeit zur Stärkung des Arbeitsmarktes Fachkräfte aus dem Ausland rekrutiert. Wenn aber im Ausland ausgebildete Fachkräfte zur Behebung des Fachkräftemangels eingesetzt werden sollen, darf das eigene Potenzial im Inland nicht außer Acht gelassen werden. Die Anerkennung des hessischen Bachelor-Abschlusses ab 2017 würde hessischen Studierenden mehr Möglichkeiten eröffnen, zur Stabilisierung des heimischen Arbeitsmarktes beizutragen.
Des Weiteren würde die Attraktivität des Studienstandortes Hessen durch eine wohlwollende Regelung für die rückwirkende Verleihung des LL.B. deutlich zunehmen, da dies nicht nur die Mobilität der Studierenden innerhalb Deutschlands fördern, sondern auch das Vertrauen in eine faire Studienlandschaft nachhaltig bestärken würde. Denn dies ist ein ausschlaggebender Faktor für die Standortwahl und verschafft Hessen eine deutlich bessere Position im Wettbewerb der Bundesländer. Darüber hinaus würde eine wohlwollende Regelung die internationale Vergleichbarkeit fördern, da der LL.B. weltweit anerkannt ist und den Studierenden eine bessere Position im globalen Wettbewerb verschafft. Eine faire Anpassung der Regelung ist eine wichtige Investition in die Zukunft des deutschen Rechtssystems. Denn sie kommt nicht nur den Betroffenen zugute, sondern schafft auch Vertrauen in ein faires und verlässliches Bildungssystem. Zugleich wird die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf dem internationalen Bildungsmarkt gesichert.
Die Notwendigkeit einer bundesweiten Gleichstellung
Die aktuelle Diskussion um die rückwirkende Vergabe des Bachelor-Abschlusses verdeutlicht ein grundlegendes Problem im deutschen Bildungssystem: Die Uneinheitlichkeit der Regelungen. Während Nordrhein-Westfalen mit seiner wohlwollenden und studierendenfreundlichen Bildungspolitik Maßstäbe setzt, bleiben Studierende in Hessen und anderen Bundesländern deutlich benachteiligt. Doch nicht nur hier zeigt sich eine Schieflage.
In Deutschland gibt es zahlreiche Universitäten, die bisher keinen integrierten Bachelor in ihrem juristischen Studium anbieten. So gibt es in Bayern und Baden-Württemberg (mit Ausnahme der Universität Mannheim) ebenso wenig einen integrierten Bachelor wie in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern. Studierende dieser Universitäten sind im internationalen Vergleich und auf dem Arbeitsmarkt systematisch im Nachteil. Dabei stellt sich auch die Frage: Wie würde sich die deutsche Wirtschaft entwickeln, wenn all jene Studierenden in den betroffenen Bundesländern, die das erste Staatsexamen nicht bestanden haben, aber dennoch einen qualifizierten Bachelor-Abschluss besitzen könnten, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden? In einer Zeit, in der der Fachkräftemangel die deutsche Wirtschaft erheblich belastet, wäre dies ein entscheidender Beitrag zur Stärkung des Arbeitsmarkts und zur Schaffung einer breiteren Basis an gut ausgebildeten Fachkräften.
Um eine faire und zukunftsfähige Regelung zu schaffen, sollte daher das Ziel sein, den integrierten Bachelor bundesweit einzuführen und die Rückwirkungsregelungen auf eine einheitliche Zeitspanne auszudehnen. Dies würde sicherstellen, dass alle Jurastudierenden in Deutschland unabhängig von ihrem Bundesland die gleichen Chancen erhalten – sei es bei der Berufsorientierung oder der Anerkennung im Ausland.
Das Wort „Chancengleichheit“ wurde in den letzten Tagen von deutschen Politikern auffällig häufig erwähnt, insbesondere im Zusammenhang mit der aktuellen Hängepolitik. Doch dabei darf nicht vergessen werden, dass echte Chancengleichheit nur durch einen gesunden Rechtsstaat gewährleistet werden kann. Ein solcher beginnt damit, denjenigen in der juristischen Ausbildung gleiche Chancen anzuerkennen, die sich später auf vielfältige Weise für den Rechtsstaat einsetzen – sei es in der Rechtsprechung, der Rechtsberatung, der öffentlichen Verwaltung oder in anderen Funktionen, die den Rechtsstaat stärken.
Fazit
Die Ungleichbehandlung von Studierenden in Hessen und anderen Bundesländern ist nicht hinnehmbar und erfordert dringend eine faire und gerechte Lösung. Eine Anpassung der Rückwirkungsfrist kann viele Betroffene aus der (Langzeit-)Arbeitslosigkeit befreien und einen wirksamen Beitrag für die deutsche Wirtschaft leisten.
Denn die Folgekosten sind nicht nur für den Betroffenen einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft erheblich. Einerseits belasten überqualifizierte Arbeitslose den Sozialstaat, andererseits gehen dem Staat über viele Jahre hinweg wertvolle Fachkräfte verloren, die dringend benötigt werden.
Anstatt verstärkt auf ausländische Fachkräfte zu setzen, sollte Deutschland die eigenen Studierenden in Hessen und anderen Bundesländern ohne integrierten Bachelor gezielt fördern. Eine faire Anpassung der Regelungen ist dringend erforderlich, um Chancengleichheit herzustellen, mehr Fachkräfte zu sichern und den Anforderungen eines modernen Rechtssystems gerecht zu werden. Die Einführung eines rückwirkenden Bachelor-Abschlusses für betroffene Studierenden ist keine Frage des Luxus, sondern der Gerechtigkeit und des Respekts vor ihren Studienleistungen.
Doch diese Anpassung allein reicht nicht aus. Um langfristig eine gerechte und zukunftsfähige Bildungslandschaft zu schaffen, ist es unabdingbar, den integrierten Bachelor bundesweit einzuführen. Nur so können alle Studierenden, unabhängig vom Standort ihrer Universität, von den gleichen Möglichkeiten profitieren. Gleichzeitig muss die Rückwirkungsregelung so harmonisiert werden, dass in jedem Bundesland eine einheitliche Zeitspanne gilt. Diese Maßnahmen wären nicht nur ein Zeichen von Fairness, sondern würden auch die juristische Ausbildung in Deutschland modernisieren und den Anforderungen eines internationalisierten Arbeitsmarkts gerecht werden.
Eine solche Reform würde die Leistungen der Studierenden endlich angemessen würdigen und gleichzeitig dem Fachkräftemangel effektiv entgegenwirken. Die betroffenen Studierenden haben hart gearbeitet, um ihren Platz im Berufsleben zu finden – sie verdienen die gleiche Anerkennung und Förderung wie ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen in Bundesländern mit fortschrittlicheren Regelungen.
Sowohl die Politik als auch die zuständigen Ministerien für Justiz und Wissenschaft sind gefordert, hier tätig zu werden und eine schnelle sowie unbürokratische Lösung zu schaffen. Denn die betroffenen Studierenden erwarten nicht nur eine faire und gerechte Behandlung, sondern auch, dass Deutschland unabhängig vom Studienort hinter ihnen steht und ihre berufliche Zukunft aktiv fördert.
Die Einführung eines bundesweit einheitlichen, integrierten Bachelor-Abschlusses und eine Anpassung der Rückwirkungsregelungen mit gleicher Zeitspanne würde nicht nur den Betroffenen, sondern der gesamten Gesellschaft zugute kommen.