Interview mit der Legal Tech Community Mannheim

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Die Legal Tech Community an der Universität Mannheim wurde im Jahr 2020 gegründet und hat ca. 35 Mitglieder, die überwiegend Jura oder Wirtschaftsinformatik studieren. Die Initiative beschäftigt sich mit KI und ihren sozialen und kulturellen Einflüssen auf Recht und Gesellschaft. Dafür veranstaltet die Hochschul­initiative regelmäßig Vorträge, Panels, Kurse und Diskussionen. Denn Legal Tech wird auch für die juristische Arbeitswelt immer wichtiger.

Wir haben mit André Güth, dem Vorstand der LTC Mannheim und Lennart Henninger (Finanzvorstand) gesprochen. Zum engagierten Team aus aktiven Engagierten zählen auch Justus Wecker, ein früherer Vorstand, sowie Julia Heckmann, die sich um die Social-Media-Auftritte des LTC kümmert.

Welche Ziele verfolgt Ihr mit Eurer Initiative?

Als Legal Tech Community Mannheim möchten wir an der Schnittstelle von Recht, Informatik und Wirtschaft dem Thema „Digitalisierung auf dem Rechtsmarkt“ Gehör verschaffen. Legal Tech ist noch ein relativ junges Gebiet, das aber in den letzten Jahren in erstaunlicher Geschwindigkeit an Bedeutung gewonnen hat. Wir knüpfen dabei an verschiedenen Punkten an: Vorträge zu aktuellen Themen, Einblicke in Software, Angebote und Kooperationen mit Informatikbezug. Dabei gehen wir auf Kanzleien, Unternehmen sowie Start-Ups zu und wollen eine gewisse Bandbreite abdecken, von der Geldwäsche-Compliance bis zum E-Sport war schon alles dabei.

Wie seid Ihr organisierst/wie finanziert Ihr das Projekt?

Unser Verein lebt von den Mitgliedsbeiträgen unserer Mitglieder. Der Vorstand, der aktuell aus zwei Personen, Lennart Henninger und André Güth, ergänzt um die Kassenprüfer besteht, wird bei der täglichen Arbeit von engagierten Mitgliedern, insbesondere von Julia Heckmann sowie Justus Wecker unterstützt.

Wieso sollten Studierende bei Euch mitmachen? Was können sie lernen?

Neben dem Aspekt, dass man in der Arbeit mit Menschen und beim Organisieren von Veranstaltungen viele Social Skills erwerben kann, bieten wir mit unseren Partnern mitunter Einblicke in die Kanzleisoftware, mit der man spätestens nach dem Studium arbeitet. Wichtig ist es vor allem, ein grundlegendes Verständnis zu entwickeln: Welches rechtliche Problem besteht, wie soll die Lösung aussehen und welches Tool kann wie dazu dienen, vom Problem zur Lösung zu kommen.

Muss man programmieren können / lernen, um sich im Bereich Legal Tech zu engagieren?

Programmieren zu können ist keine zwingende Voraussetzung, um im Legal Tech Bereich aktiv zu sein. Legal Tech vereint verschiedene Disziplinen und so kommt es darauf an, ein Verständnis für die Informatik zu entwickeln. So wird ermöglicht, dass Menschen mit einem juristischen Background und Menschen, die sich in der Informatik spezialisiert haben, anhand derselben Begriffe Probleme beschreiben, überdenken und lösen können. 

Welche Veranstaltungen, Workshops etc. bietet Ihr an?

Zumeist bieten wir Vorträge an, zu denen wir Speaker einladen. Mitunter wird dabei ein Einblick in Berufsbilder, die mit Legal Tech verbunden sind, oder auch die Arbeit mit der Software in den Kanzleien gewährt. Neben klassisch juristischen Themenbereichen setzen wir auch auf Interdisziplinarität, so standen auch schon Veranstaltungen zum Projektmanagement und zu Leadership gegenüber den eigenen Mitarbeitern auf dem Programm. Wenn möglich schauen wir uns auch Unternehmen vor Ort an. In Kooperation mit unseren Partnern in Heidelberg und Frankfurt sind wir an überregionalen Veranstaltungen interessiert. Wer möchte, kann sich auch in aktuelle Projekte einbringen oder bei der Möglichkeit, bei Partnern Python-Kurse zu absolvieren, mitmachen.

Warum handelt es sich bei IT-Kompetenz um einen wertvollen Softskill für die Zukunft?

Die Kanzlei der Zukunft besteht aus Betriebswirtschaftlern, Informatikern und Juristen. Künstliche Intelligenz schafft Effizienz, sodass einfachere und standardisierbare Aufgaben wie die Due Diligence im M&A schneller und mit kaum Personaleinsatz erledigt werden können. Die Kanzleien stehen bei solchen Aufgaben dann im Preiswettbewerb zueinander, während bei komplexeren Aufgaben die Qualität noch viel stärker in den Vordergrund rücken wird. Auch hierbei hilft KI, Recherche und Sichtung der rechtswissenschaftlichen Literatur werden deutlich schneller von Statten gehen, sodass Argumentation und Genauigkeit die unbedingten Gradmesser für anwaltliche Qualitätsarbeit werden.

Die BWL sorgt also dafür, dass die durch KI ersetzen Prozesse skalierbar und bepreisbar werden und die qualitativ hochwertige menschliche anwaltliche Leistung im Verhältnis zum KI-Anteil bezifferbar wird. Dafür werden Tools verwendet, in denen Zeit und Aufwand veranschaulicht und statistisch aufbereitet werden. Für diese Tools braucht es Informatiker, aber auch das gegenseitige Verständnis, wie die jeweils andere Seite mit den Tools arbeitet. Gleiches gilt im Verhältnis des Anwalts zum Informatiker. Erster kann nicht mit einer KI arbeiten, die juristische Fachsprache und Auslegungsmethoden nicht versteht. Allerdings kann der Informatiker eine KI nur dahin bringen, wenn dieser selbst ein Grundverständnis für die juristische Arbeitsweise entwickelt. Dieses gegenseitige Verständnis, durch das Informatik, Recht und BWL ineinandergreifen, ist Legal Tech.

Die Kanzlei der Zukunft arbeitet mehr denn je im Team: Legal Engineers und Co. sind diejenigen, die eine Problemstellung auf der einen Seite mit der Lösungskompetenz der anderen Seite zusammenführen können. Das wird einfacher, wenn auch der Anwalt von morgen nicht nur versteht, was der Informatiker per Code an Anwendung schaffen will, sondern sogar niedrigschwellige IT-Probleme selber lösen kann. Wer nicht aneinander vorbei redet, kommt schneller zum Ergebnis. 

Das ist der Soft-Skill Legal Tech.

Wie stellt Ihr Euch den juristischen Arbeitsmarkt im Jahr 2030 vor?

Mit Blick auf den juristischen Arbeitsmarkt wird die Digitalisierung auf zwei Ebenen zu Veränderungen führen: einerseits in der Arbeitsweise von Juristen und Juristinnen selbst, andererseits bei den Rechtsgebieten, die von jenen bearbeitet werden. IT-Skills werden eine größere Rolle dabei spielen, wie Verträge erstellt werden und derjenige, der weiß, wie die KI effizient zum gewünschten Ergebnis kommt, wird gegenüber seinen Kollegen und Kolleginnen im Vorteil sein. Nicht zu unterschätzen ist heute schon die Fähigkeit, mit dem Bereich Legal Operations umzugehen, etwa Prozesse und Projekte über Tools steuerbar zu machen und zu veranschaulichen.

Ausgehend davon, dass Kryptowährungen und Token oder auch AI und die Frage nach dem Datenschutz zu neuen Regulierungen geführt haben, wird dieser Bereich auch in Zukunft noch größer werden, sowohl in der Justiz als auch in der anwaltlichen Beratung. Fragestellungen des IP bekommen durch die KI einen neuen Anwendungsbereich: Wem gehört das Ergebnis eines Prompts, das sich an den Daten anderer bedient hat? Handelt es sich um eine Erfindung? Kann man hierfür Lizenzgebühren verlangen oder ein Patent anmelden? Zwischen neuen Regulierungen und anwaltlicher Beratung im Rahmen der Vertragsfreiheit kommen so neue Aufgaben rechtlicher Gestaltung auf den Rechtsmarkt zu, die des Weiteren auch an Komplexität zu nehmen, sofern die KI standardisierbare Aufgaben zunehmend allein bewältigen kann.

Warum reichen die Uni-Angebote im Bereich Legal Tech nicht aus?

Die digitale Welt war lange Zeit ein in vielen Bereichen der Gesellschaft vernachlässigter Bereich. Mangels Popularität stellten sich solche Fragen meist erst “on the job” mit Fokus auf beA und digitaler Akte. Gleichzeitig schien es schwierig die praktische Arbeit mit solchen Tools in den universitären Alltag zu integrieren, müsste es dann doch so etwas wie eine “Übung” oder ein “Tutorium” geben, in welchem man mit Legal-Tech lösbare Fälle mithilfe solcher Tools lösen kann. Eine weitere bisher hindernde Anforderung ist sicherlich das Bedürfnis, dass diese Software auch aktuell sein muss. Lernen mit zu alten Anwendungen würde die Lücke zur Praxis nicht schließen. Alles in allem bietet das juristische Studium oft nicht viel Zeit für Zusatzqualifikationen, die viele dennoch freiwillig erwerben. Bisher scheinbar “nischige” oder “eher unbekannte” Themen fallen dann oft hinten runter. Das ändert sich nun aber zunehmen, seitdem KI an praktischer Relevanz gewinnt und in der Gesellschaft für die Digitalisierung ein Bewusstsein entstanden ist.

Welche Unterstützung würdet Ihr Euch von Eurer Uni wünschen?

Bisher gab es bereits Angebote, freiwillig eine Legal-Tech Vorlesung zu besuchen. Sofern dies im Rahmen der jeweiligen landes- und prüfungsrechtlichen Vorgaben möglich ist, wäre es wünschenswert, über die Einführung einer Schlüsselqualifikation in diesem Bereich oder der Integration solcher Inhalte in bestehende Vorlesungen nachzudenken. Ein materiell-rechtlicher Anknüpfungspunkt wäre sicherlich im rechtlichen Rahmen des Geistigen Eigentums oder unter den neu geregelten digitalen Produkten denkbar. 

Welche empfehlenswerten Veranstaltungen/Vorlesungen gibt es an anderen Unis?

In Passau und Wismar existiert jeweils ein Bachelorstudiengang Legal Tech, während Masterstudiengänge im Kontext von Recht und Digitalisierung in Regensburg und Würzburg angeboten werden. Zu empfehlen sind auch die Legal Tech Vorlesungen in Jena, sowie die zahlreichen auf YouTube veröffentlichten Vorlesungen. Daneben besteht auch ein großes Angebot an Podcasts mit Legal-Tech-Fokus wie dem Legal Tech Talk aus Köln.

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Redaktion
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JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

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