Römisches Weihnachten?! – die Saturnalien

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Die Schlagworte „Geschichte, Weihnachten und irgendwas mit Recht“ – die uns vor kurzem von JURios zugerufen wurden – zu einem runden Beitrag zu formen, war gewiss nicht einfach, doch packte uns an dieser Stelle einfach der journalistische Ehrgeiz.

Ja, man hätte wieder einen Weihnachtsfilm herausziehen und jenen juristisch analysieren können (haben wir letztes Jahr gemacht: Kleiner Lord). Man hätte gucken können, welche rechtlichen Probleme Santa Claus sich so einfängt, wenn er durch das geduldete Eindringen in Häuser etwas kaputtmacht oder man hätte einfach mal schauen können, wo es die interessantesten Gesetze rund um das Thema Weihnachten gibt. Um wenigstens die letztgenannte Thematik nicht ganz so unbefriedigend dastehen zu lassen: In New York City findet man in Einkaufsläden wohl keine echten Weihnachtsbäume, da sie aufgrund ihres leicht entflammbaren Materials dort gesetzlich verboten sind. Clever!

Weihnachten im alten Rom

Aber nun weg von den USA, weg von der Moderne – unser Blick schweift in eine Zeit, in der es Weihnachten so noch nicht gibt, mithin vor dem 4 Jahrhundert. Wir legen nämlich unseren Fokus auf das römische Reich und dessen Festivität der Saturnalien. Einem Fest, das – laut ein paar Forschenden – unser christliches Weihnachtsfest partiell geprägt haben soll.

Im Detail waren die Saturnalien ein eintägiger, später auch mehrtägiger bzw. mehrwöchiger Festakt, zwischen dem 17. und 23. Dezember.[1] Nach der längsten Ausdehnung ging das Feiern wohl sogar bis zum 30. Dezember. Der Haupttag war aber der 17. Dezember.[2] An diesem und den nachfolgenden Tagen wurde ausgiebig gefeiert[3], Alkohol lief in Strömen und Bankette stopften die hungrigen Mägen der Festteilnehmenden. Man beschenkte sich gegenseitig[4], spottete übereinander und sprengte für einen kurzen Moment die Standesordnung auf.  

Im direkten Vergleich zu unserem Heiligabend – wenn man die Parallelen nun ziehen möchte – wird oft angebracht, dass der exzessive Teil definitiv nicht mehr so vorhanden ist und das bunte Treiben eher an Fasching oder Karneval erinnert als an das besinnliche Fest im Dezember.

Die Festivität der Saturnalien

Die Bezeichnung Saturnalien ist darauf zurückzuführen, dass in dieser Zeit der römische Gott Saturn (der Gott des Ackerbaus) verehrt wurde. Ungefähr Mitte Dezember war nämlich die Ackerarbeit, hier speziell die Winteraussaat, abgeschlossen. Durch den römischen Geschichtsschreiber Livius haben wir hierfür auch ein mehr oder minder konkretes Jahr, nämlich 497 v. Chr. – hier soll im Zuge der Einweihung des Saturntempels das Fest der Saturnalien geboren worden sein.[5] Wirklich verblüffend ist daher auch die Zeitspanne, in der wir die Saturnalien verorten können. Die Spur führt von der (ganz) frühen Republik bis in die Spätantike. Bei verschiedensten Autoren lesen wir – mal mehr, mal weniger – von den Saturnalien als großes Fest.

Die rechtliche Komponente, die wir in diesem Fest gefunden haben, müssen wir zur Übersichtlichkeit in zwei Kategorien spalten: 1) Gewohnheitsrecht/Gesetz und 2) „Gleichheitsgedanken“ durch Ritus. Einerseits geht mit diesem Fest eine Art Feiertagsrecht einher, das man bei vielen literarischen Autoren durch Hinweise auf „gewohnheitsrechtliche“ Eigenheiten erkennen kann, die durch den Senat auch in gültiges Recht gegossen wurden. Andererseits erkennen wir durch das oben bereits angesprochene Aufbrechen der Ständeordnung jedenfalls ganz entfernt die Idee von (rechtlicher) Gleichheit, basierend auf ein Zurückdenken in vergangene (utopische) Zeiten.

Schon damals hatte man frei..

Doch zunächst zu der Idee, dass wir hier ein Feiertagsrecht erkennen können. An den Festtagen arbeitete man in der Regel nicht, kriegerische Handlungen waren verboten[6] und die Schüler:innen mussten die Schule nicht aufsuchen[7], sondern hatten frei.

Auch das römische Justizsystem war praktisch lahmgelegt, da Gerichte während dieser Feiertage nicht tätig werden sollten.[8] Die Gesellschaft in Rom und möglicherweise auch jene in den umliegenden Provinzen war darauf fokussiert, diese Tage völlig anders als den schnöden Alltag ablaufen zu lassen. Später wurden die Feierlichkeiten sogar ganz offiziell per Dekret zu Feiertagen für alle erklärt. Man könnte also annehmen, dass die Feste vorher auch ohne festgeschriebene Regeln (lex) so gefeiert wurden, wie es den Menschen beliebte und man immer wieder etwas hinzufügte. Lediglich das Erklären dieser Zeitspanne zu offiziellen „Ferien“ machte aus dem augenscheinlichen Gewohnheitsrecht festgeschriebenes geltendes Recht (lex).

Gespielte Gleichheit

Nun zum Thema „Gleichheit“. Im römischen Reich war die Gesellschaft in verschiedene Schichten separiert, die man äußerst vereinfacht in eine aristokratische Schicht, (freie) römische Bürger, Sklaven und Freigelassene aufteilen kann. Im Wandel der römischen Epoche änderten sich diese Kategorien natürlich auch.[9] Während der Saturnalien löste sich das Band zwischen Herren und Sklaven in der Gestalt auf, dass den Sklaven in dieser Zeit völlige Freiheit gewährt wurde[10] und jene nicht nur zusammen aßen, sondern sogar den jeweiligen Status tauschten[11]. Die Sklaven durften an diesen Festivitäten ihrem Herrn die Meinung sagen, ihn möglicherweise herumkommandieren und in diesem Rollenspiel „Hausherren“ spielen.

Spielen ist aber hier der Schlüsselbegriff. Natürlich muss einem klar sein, dass diese Zeit gewiss nicht ausgenutzt werden konnte. Selbst wenn der Herr zum Zeitpunkt der Festivitäten es über sich hat ergehen lassen, die Zeit danach wäre für die Unfreien die Hölle geworden, hätten sie bei irgendeinem Punkt übertrieben. Das Ober-/Unterverhältnis war allgegenwärtig. Dennoch ist dieses Aufbrechen des Standes – wenigstens im Spiele und für kurze Zeit – ein tolles Beispiel dafür, was das Zurückerinnern an (fiktive) goldene Zeiten selbst in einer so konservativen Gesellschaft wie der römischen bringen kann.

Man dachte nämlich an das saturnische Zeitalter[12], oft auch als goldenes Zeitalter beschrieben. In dieser Zeit galt – bis Habgier und Streben nach Macht eine geordnete, aber ungleiche Gesellschaft geschaffen hat – die völlige Gleichheit zwischen den Menschen. Sklaven gab es nicht! In dieser Zeit regierte das Gute über die Menschheit.  Man drehte also im Sinne dieser hypothetischen Perfektionswelt den Spieß um und ließ den Herrn mal Sklaven sein und den Sklaven den Herrn. Wir sind historisch versiert genug, um nicht naiv anzunehmen, dass zu dieser Zeit bereits ein grundlegendes rechtliches Gleichheitsdenken zumindest theoretisch in den Köpfen der Obrigkeit und freien Bürger existierte. Dies kam erst viel später. Doch lässt die Symbolik, auf die sie zurückgriffen, vermuten, dass sie sich zumindest teils bewusst waren, dass die bestehende, für die Herrschenden opportune Ordnung ein gewisses Fünkchen Willkür in sich trug.

Zu guter Letzt kann gesagt werden, dass die Saturnalien ein spannender Beweis dafür sind, dass Feierlichkeiten schon immer das Größte für die Menschheit waren. Sogar die Gesellschaftsordnung wurde hier spielerisch durcheinandergebracht!

Wie sehr nun aber unser Weihnachten von den Saturnalien geprägt wurde, ist einfach nicht zu beantworten, obwohl ein paar Schnittstellen gewiss vorhanden sind: Zusammenkommen, Geschenke und „temporäres Ende der ständischen Gepflogenheiten“.  Und in rechtlicher Hinsicht? Auch bei uns sind die Weihnachtstage gesetzlich vorgeschriebene Feiertage, an denen Kinder frei haben und die Arbeit zum Großteil ruht. Das Thema Gleichheit wiederum haben wir auch ohne Spielchen und nicht nur im Dezember – jedenfalls besser als noch in so manchem anderen Jahrhundert – drauf. Cheers!


[1] Ab dem 1. Jh. v. Chr. wurde es wahrscheinlich zu einem mehrtägigen Fest.

[2] Vgl. die Ausführungen von Döpp, in: Karnevaleske Phänomene in antiken und nachantiken Kulturen und Literaturen, S. 146.

[3] Man geht auch von Orgien aus, die an diesen Tagen nicht unüblich gewesen sein sollen.

[4] Mart. V. 84.

[5] Liv. II, 21, 1.

[6] Macr. Sat. I, X, 1.

[7] Vgl. Döpp, in: Karnevaleske Phänomene in antiken und nachantiken Kulturen und Literaturen, S. 146.

[8] Macr. Sat. I, X, 4.

[9] In der frühen Republik gab es auch noch die vorherrschende Unterscheidung zwischen Patrizier und Plebejer. Hochrangige Akteure wie jene in der Senatsaristokratie und auch Ritter sind in dieser Liste – aufgrund der Übersichtlichkeit – nicht konkret benannt.

[10] Macr. Sat. I, VII, 26.

[11] Dio. LX, 19.

[12] Macr. Sat. I, VII, 24-26.

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