Bundestagswahl: So wollen die Parteien den juristischen Nachwuchsmangel bekämpfen

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Keine Demokratie ohne Rechtsstaat. Kein Rechtsstaat ohne Juristinnen und Juristen. Doch der demografische Wandel sowie eine unattraktive Juristenausbildung haben zu einem juristischen Fachkräftemangel geführt. Wie wollen unsere Politikerinnen und Politiker mit diesem Problem umgehen? Wir haben uns die Wahlprogramme für die Bundestagswahl 2025 angesehen und fassen zusammen, welche Pläne die einzelnen Parteien für die Juristenausbildung und den Nachwuchsmangel in Justiz, Anwaltschaft und Verwaltung haben.

Deutschlandweit werden in der Justiz in den nächsten Jahren tausende Stellen unbesetzt bleiben. Der sächsische Richterverein warnte bereits davor, dass bis 2030 fast jede zweite Person bei Gericht und Staatsanwaltschaft – 46 Prozent – in Pension gehen werde. Das Durchschnittsalter der Richter:innen liege bei 52,2 Jahren, das der Staatsanwält:innen bei 46,5 Jahren. In Nordrhein-Westfalen gab es 2023 über 230.000 offene Ermittlungsverfahren. Immer wieder werden Untersuchungshäftlinge aufgrund von rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen, die direkt auf eine Überlastung der Strafjustiz zurückzuführen sind, aus der Haft entlassen. Die Justiz ist am Limit. Und auch die Anwaltschaft klagt über Nachwuchsmangel.

Für einen funktionierenden Rechtsstaat braucht es Juristinnen und Juristen in allen Positionen. Wir müssen uns also fragen, wie wir junge Menschen für Justiz, Anwaltschaft und Verwaltung begeistern können. Eine entscheidende Weichenstellung nimmt dabei die juristische Ausbildung ein. Bisher glänzt diese vor allem mit altbackenen Studienverordnungen, hohen Durchfallquoten und einer schlechten Bezahlung im Rechtsreferendariat. Trotzdem sah die Justizministerkonferenz im Jahr 2024 „keinen Reformbedarf“. Eine gefährliche Fehleinschätzung.

Welche Pläne haben die Parteien für die juristische Ausbildung und den juristischen Nachwuchs?

Wahlprogramm der CDU

Das Wahlprogramm der CDU steht unter dem Motto „law and order“. Gefordert werden vor allem Strafverschärfungen. Unter dem Schlagwort „Starke Sicherheitsbehörden und leistungsfähige Justiz“ fordert die CDU für die Justiz „ausreichend und gut qualifiziertes Personal sowie moderne Befugnisse für ihre Arbeit“ (S. 37). Außerdem will die CDU einen neuen „Pakt für den Rechtsstaat“. Darin enthalten: Eine bessere personelle Ausstattung der Gerichte, eine konkurrenzfähige Besoldung und einen Digitalisierungsschub. „Eine Entlastung des Personals ist vor allem mit Hilfe technischer Prozesse und durch die Unterstützung von KI möglich“ (S. 38).

An der juristischen Ausbildung möchte die CDU nichts ändern. Insbesondere verweigert die CDU/CSU in Bayern gemeinsam mit der AfD die Einführung eines integrierten Bachelors (zur Petition).

Zum Wahlprogramm: https://www.politikwechsel.cdu.de

Wahlprogramm der SPD

Der Schwerpunkt im SPD-Wahlprogramm liegt auf einer Stärkung unserer Polizei. In einem kurzen Abschnitt wird aber auch auf die Justiz eingegangen. Darin heißt es: „Wir stärken die gesamte Rechtsstaatskette: Neben den Sicherheitsbehörden wollen wir die Staatsanwaltschaften und (Straf-)Gerichte stärken. Die Justiz darf nicht zum Flaschenhals werden.“ (S. 41).

Auch die SPD will den „Pakt für den Rechtsstaat“ erneuern und die Justiz personell und materiell besser ausstatten. Dazu gehört auch die Digitalisierung der Justiz. Jurastudium und Rechtsreferendariat werden im Wahlprogramm der SPD ebenfalls nicht erwähnt. Allerdings fordert die SPD eine regelmäßige Anpassung des BAföG an die steigenden Lebenserhaltungskosten (S. 13).

Zum Wahlprogramm: https://www.spd.de/bundestagswahl

Wahlprogramm der Grünen

Das Wahlprogramm der Grünen erkennt an, dass eine gut ausgestattete Justiz ein zentrales Element unseres Rechtsstaates ist: „Vertrauen in unseren Rechtsstaat entsteht, wenn die Justiz handlungsfähig ist, schnell entscheidet und Recht effektiv durchgesetzt wird. Dafür braucht es genügend Richter*innen und Staatsanwält*innen, gut ausgestattete Gerichte sowie eine entschiedene Digitalisierung der Justiz“ (S. 49). Auch die Grünen wollen den „Pakt für den Rechtsstaat“ erneuern.

Im Gegensatz zu den anderen Wahlprogrammen, die sich auf allgemeine Floskeln beschränken, machen die Grünen zudem konkrete Verbesserungsvorschläge:

  • Ein deutschlandweites Onlineverfahren für Zivilprozesse, das medienbruchfrei von Klage bis Urteil arbeitet.
  • Eine Gruppenklage die ermöglicht, dass mehrere Kläger:innen gleichartige Ansprüche gemeinsam durchsetzen können und die Zivilgerichte in Massenverfahren entlastet.
  • Mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich auf komplexe Rechtsfelder spezialisieren.
  • Transparentere Ausgestaltung des ministeriellen Weisungsrechts an Staatsanwält:innen. Weisungen müssen frei von politischer Einflussnahme sein.
  • Schutz der Justiz vor Extremist:innen und Verfassungsfeinden.
  • Entlastung des Strafrechts bei geringfügigen Delikten (z.B. Schwarzfahren, Ersatzfreiheitsstrafe).
  • Stärkung der Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) und der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust).
  • Schulung von Polizei und Justiz, damit partnerschaftliche Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren berücksichtigt wird.
  • Existenzsicherndes BAföG, Erhöhung der Freibeträge.

Zum Wahlprogramm: https://www.gruene.de/artikel/zusammen-wachsen

Wahlprogramm der FDP:

Auch für die FDP ist eine gute Justiz die Grundlage für einen starken Rechtsstaat: „Technisch und personell gut ausgestattete Behörden müssen zügig und effizient für Sicherheit sorgen und Straftaten verfolgen.“ (S. 21). Darüber hinaus fordert die FDP:

  • Nutzen der Chancen der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Justiz.
  • Eine weitere Digitalisierung von Gerichten und Verfahrensrecht (Online-Gerichtsverfahren).
  • Entlastung der Strafjustiz durch Streichung oder Überarbeitung überholter Straftatbestände (§§ 142, 265a StGB).
  • Aufzeichnung von Gerichtsverfahren und automatisierte Verschriftlichung (statt Protokollbeamt:innen).

Zur juristischen Ausbildung heißt es im Wahlprogramm (S. 22): „Um dem Fachkräftemangel auf dem juristischen Arbeitsmarkt entgegenzuwirken und die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats zu sichern, wollen wir die Qualität und Attraktivität der juristischen Ausbildung mit zeitgemäßen Reformen stärken“ – welche Reformen das sein sollen, wird jedoch nicht erwähnt. Das ist insbesondere im Hinblick darauf, dass sich Bundesjustizminister Marco Buschmann in seiner Amtszeit gerade nicht für eine Reform stark gemacht hat, schade.

Zum Wahlprogramm: https://www.fdp.de/das-wahlprogramm-der-freien-demokraten-zur-bundestagswahl-2025

Insgesamt sind sich damit alle demokratischen Parteien einig, dass die Justiz personell besser ausgestattet werden muss. Lediglich im Wahlprogramm von Grünen und FDP werden hierzu konkrete Vorschläge gemacht. Wie die Justiz darüber hinaus entlastet werden kann, wird von den Parteien unterschiedlich beurteilt. Insbesondere wird der „law and order“ Ansatz der CDU (z.B. die Kriminalisierung des Cannabiskonsums) zu mehr Arbeit innerhalb der Strafjustiz führen. Die Reform der juristischen Ausbildung erwähnt lediglich die FDP. Deren Versprechen ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, hatte der FDP-Justizminister doch hinreichend Zeit, Reformüberlegungen anzustoßen. Leider hat er dies aber nicht getan und verglich die Demo für eine Reform der juristischen Ausbildung in Berlin stattdessen mit den “Klimaklebern”. Eine seltsame Assoziation.

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass die Parteien bei einer (Wieder-)wahl ihre Versprechen auch tatsächlich umsetzen und es nicht nur bei leeren Worten bleibt.

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