Nach zahlreichen Examenspannen bei der Einführung des E-Examens (JURios berichtet) hat es jetzt auch Niedersachsen erwischt. Allerdings nicht bei der Digitalisierung, sondern „oldschool“ bei der Frage nach den zugelassenen Hilfsmitteln. Gleich zwei Klausuren im zweiten Staatsexamen waren mit den – im Examen erlaubten – Gesetzestexten nicht lösbar. Aufgefallen ist das beim LJPA Niedersachsen aber niemandem. Und eine Schreibzeitverlängerung gab es auch nicht.
In Niedersachsen werden im zweiten Staatsexamen insgesamt acht fünfstündige Klausuren geschrieben. Der Januar-Durchgang startete am Montag, den 06. Januar in die Klausurenphase. Die letzte Klausur wurde am 14. Januar geschrieben.
Zwei Klausuren fehlerhaft
Doch bei einer der Zivilrechtsklausuren passierte dem LJPA Niedersachsen ein Fehler. Um die Klausur lösen zu können, mussten zwei Normen des Sprengstoffgesetzes herangezogen werden. Auf diese wurde auch freundlicherweise im Bearbeitungsvermerk der Klausur hingewiesen. Das Problem: Das Sprengstoffgesetz ist in den zugelassenen Hilfsmitteln (Habersack: Deutsche Gesetze – einschließlich Ergänzungsband –; Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze – ohne Ergänzungsband –; März: Niedersächsische Gesetz) nicht enthalten.
Die entsprechenden Normen hätten also im Aufgabentext abgedruckt werden müssen. Das wurden sie aber nicht. Wie das LJPA das – trotz des expliziten Hinweises im Bearbeitervermerk – übersehen konnte, ist unbegreiflich.
Doch damit nicht genug: Diese Woche passierte der gleiche Fehler erneut in einer der Klausuren für das öffentliche Recht (Wahlklausur im Verwaltungsrecht vom 14. Januar). Der Bearbeitervermerk verwies unter anderem auf die Anlage 12 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV), die ebenfalls nicht in den zugelassenen Hilfsmitteln enthalten war.
Keine Schreibzeitverlängerung
Betroffene berichteten JURios, dass sie trotz der Fehler keine Schreibzeitverlängerung erhalten hätten. Auch wurden die fehlenden Paragrafen im Laufe der Klausur nicht (beispielsweise ausgedruckt) nachgereicht. Hierfür hätte das LJPA mehrere Stunden Zeit gehabt und hätte den Teilnehmenden auch eine entsprechende Schreibzeitverlängerung gewähren können.
Stattdessen kam es (erneut) zu Unruhen in den Prüfungsräumen, während die Kandidat:innen auf eine Lösung durch das LJPA warteten. Diese sah sodann folgendermaßen aus: In der Zivilrechtsklausur wurde den Kandidat:innen mitgeteilt, dass der Verweis auf die Normen des Sprengstoffgesetzes entfalle. In der Verwaltungsrechtsklausur wurde den Kandidat:innen von der Prüfungsaufsicht schlicht das Ergebnis verraten, das bei einer Prüfung der Anlage 12 zur Fahrerlaubnis-Verordnung von ihnen erwartet werde.
Gegenüber JURios zeigen sich erneut zahlreiche Referendar:innen enttäuscht über die Inkompetenz des LJPA Niedersachsen. Während von ihnen größtmögliche Sorgfalt bei der Lösung der Klausuren erwartet werden würde, gingen die Prüfungsämter regelmäßig grob fahrlässig mit den Aufgabenstellungen um. Insbesondere “bei der Suche nach dem Sprengstoffgesetz” habe man “viel Zeit verschwendet”. Hinzu kam, dass bei einer dritten Klausur eine falsche Seitenzahl abgedruckt war. Auch hier habe man Zeit damit verschwendet die (vermeintlich) fehlende Seite zu finden.
Inwiefern die Fehler bei der Korrektur berücksichtigt werden, ist nicht bekannt. Einen Ausgleich für die entstandene Verwirrung und Unsicherheit während der Schreibzeit gab es jedenfalls nicht.
Zuletzt hatte es das JPA Hessen geschafft, die Lösung einer Examensklausur in Teilen mit dem Sachverhalt auszuteilen (JURios berichtet). Niedersachsen ist damit in bester Gesellschaft.
JURios verlieh erst im Januar den Negativ-Preis der “Hall of Shame” für die größten Examenspannen 2024. Gewonnen hatte das Justizprüfungsamt NRW.
Die “fails” der letzten Jahre
Eine Sammlung aller Pannen sowie Reform-Verschlechterungen findet Ihr hier auf JURios. Wir werden auch im Jahr 2025 dafür sorgen, dass derartige „fails“ nicht unter den Teppich gekehrt werden. In Deinem Examensdurchgang ist etwas vorgefallen? Schick uns eine (anonyme) Mail an: redaktion@jurios.de und wir berichten darüber. Vielen Dank für Eure Unterstützung!
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