Zweites Staatsexamen, zweiter Anlauf: Halbzeit (Teil 3)

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Die monatliche Kolumne über das Durchfallen im Staatsexamen von Frida Fortun.

Hier geht es zu Teil 1: “Zweites Staatsexamen, zweiter Anlauf: Die Erkenntnis”
Hier geht es zu teil 2: “Zweites Staatsexamen, zweiter Anlauf: Einsicht – kein Weg zur Besserung?!”

Halbzeit. Wenn dieser Artikel veröffentlicht wird: mehr als Halbzeit. Aber spulen wir erst einmal kurz zurück:

Dezember

Das war der Monat, in dem meine mündliche Prüfung hätte stattfinden sollen, sofern ich bestanden hätte und die mündlichen Prüfungen der Personen stattgefunden haben, mit denen ich vor über zwei Jahren das Referendariat begonnen habe. Auch an dieser Stelle: Gratulation und alles Gute! Eigentlich, so plante ich, würde ich mich nach der Mündlichen bei meinem Ausbilder aus der Rechtsanwaltsstation melden, denn ich habe nach meiner Station ernsthaft in Erwägung gezogen, dort als Anwältin anzufangen. Meinem Ausbilder wäre sogar egal gewesen, mit welcher Note ich bestehe, er war von meinen Arbeitsergebnissen überzeugt. Der Gedanke daran, auch nur irgendeinem meiner ehemaligen Ausbilderinnen oder Ausbilder mitzuteilen, dass ich durchgefallen bin, löste viel Scham in mir aus. In meiner kleinen Welt war das Durchfallen in Ordnung – aber auf dem Arbeitsmarkt, so schien es mir, eine ganz andere Dimension! Trotzdem schickte ich die E-Mail ab.

Liebe Frida, ich hoffe du findest dein Selbstvertrauen wieder

So ähnlich stand es in der E-Mail. Sie war eine der längsten, die ich jemals erhalten habe und enthielt vielleicht die meisten fachlichen Komplimente meiner gesamten Laufbahn. Mein Mut wurde belohnt, möchte ich sagen. Doch dieser eine Punkt, dieses eine Wort, ging mir nicht aus dem Kopf. Selbstvertrauen. Jura ist ein Fach, das plump gesagt viel Unsicherheiten hervorrufen kann: viele Meinungen sind gut vertretbar, die herrschende Meinung ist vorzugswürdig. Im Referendariat folge ich bitte stets der Rechtsprechung, alles andere könnte querulantisch wirken (a.A. vertretbar). Ein klares Richtig oder Falsch gibt es durchaus, aber es kommt eben darauf an. Wenn man nicht ausreichend Vertrauen in seine juristischen Fähigkeiten hat, dann liest das ein Korrektor oder eine Korrektorin. Wenn man unsicher ist, gerät man ins Schwafeln und Schwafeln ist der Tod einer Klausurbearbeitung, wie ich im Ergänzungsvorbereitungsdienst lernte. Aber wie baut man Selbstvertrauen auf, nachdem man Durchgefallen ist?

Im Durchnitt bestanden

Das Problem mit dem Selbstvertrauen ist, dass keine Dozentin und kein Dozent mir dabei helfen kann. In einem vertrauensvollen Gespräch riet mir ein Dozent, therapeutische Hilfe in Erwägung zu ziehen, sollte ich ernsthafte Probleme haben und beispielweise eine Prüfungsangst entwickeln. Zum Glück habe ich das im EVD bisher nicht erlebt. Momentan schreibe ich mehrere Klausuren pro Woche, alle unter Examensbedingungen. „Examensbedingungen“ sieht bei mir wie folgt aus: ich schreibe meine Klausuren von ca. 9 – 14 Uhr. Ich stelle mir immer einen Timer, der fünf Stunden läuft. Danach ist meine Klausurbearbeitung beendet, da bin ich streng. Ich bereite mir vor der Klausur alles vor, sei es, Stifte und Textmarker parat zu legen, das Gesetz und die Kommentare griffbereit zu haben, oder Kaffee bzw. Tee vorzubereiten. Während der Klausur zur Kaffeemaschine gehen oder mir Mittagessen machen? Das kann ich im Examen auch nicht.

Meine Leistungen schwanken stark: ich bin bereits durch Klausuren durchgefallen, ich habe aber auch schon zweistellig geschrieben. Mein Selbstvertrauen ziehe ich aktuell daraus, dass ich öfter bestehe, als durchfalle und mittlerweile sogar im Durchschnitt im befriedigenden Bereich liege. Ich habe nach wie vor Hoffnung, im zweiten Anlauf zu bestehen, bloß sitzt neben dieser Hoffnung auch Versagensangst. Schlimmer, als noch einmal durchzufallen wäre es für mich, durchzufallen, aber zu wissen, dass es „nur“ an meinem Kopf lag. Ich gebe mein Bestes im EVD, ich investiere quasi alle Zeit und Energie in das Examen – aber, wenn ich an diesen acht Tagen nicht mit einem möglichst kühlen Kopf dort sitze und nervös werde, dann weiß ich, werde ich jeden Anfängerfehler mitnehmen, den man nur mitnehmen kann.

Mit Übung und Routine in den Kampf

Die vielen Übungsklausuren – und ich gebe zu, es könnten noch mehr sein – sowie die etlichen Fälle, in die ich mich ernsthaft reindenke und zu denen ich eine Lösungsskizze anfertige, sind gerade das Schwert, was ich schärfe. Ich habe schlicht nicht die Zeit, sämtliche Skripte durchzuackern und Einzelprobleme zu lernen. Vielleicht ist dieser Zeitdruck aber auch meine Rettung, weil ich mich nun auf das Wesentliche fokussiere: mein juristisches Handwerkszeug. Was ich damit meine: Gutachtenstil, Urteilsstil, Grobschemata und Muster zu Urteilen, Beschlüssen, Schriftsätzen, Anklageschrift und allgemeine Prüfungsschema. Im Grunde beherzige ich die Tipps, die ich auf dem Blog von Juliane Schrader aka fine.jura gefunden habe.

Die Übungsklausuren sind meine „wichtigste und realistischste Kontrollmöglichkeit“, wie sie es sagt. Und die nehme ich sehr ernst: ich arbeite die Klausuren richtig nach und schaue mir an, was ich falsch gemacht habe. Ich vergleiche dazu meine Klausur mit dem, was ich bei den Besprechungen mitgeschrieben habe, also meistens, der Lösung, die das LJPA sehen wollte. Zuletzt reflektiere ich, wie mein Fehler passiert ist: fehlendes Wissen? Unschöner Stil? Kein roter Faden? Falsche Prüfungsreihenfolge? Erst wenn ich weiß, wo ich falsch abgebogen bin, kenne ich den Weg für das nächste Mal. Genau dafür ist die Arbeitsgemeinschaft im EVD übrigens da: so viele Fragen zu stellen, bis wir diese Antworten haben und so viele Erklärungen einzufordern, wie wir eben benötigen. Dafür ist Raum und Zeit da, dafür haben alle Verständnis. Leider habe ich erst im EVD so wenig „Ellbogen-Mentalität“ und so viel Hilfsbereitschaft und Nettigkeit kennengelernt. Über die fachlichen „Aha-Momente“ hinaus, sind wir auch menschlich füreinander da.

Januar

Der Jahreswechsel hat nicht nur neue Repetenten, sondern auch ein bisschen neue Motivation mitgebracht. Trotzdem ist die Stimmung alles andere als motiviert und gelassen. Wir haben das Thema Zweites Staatsexamen mit ins neue Jahr genommen, obwohl es im Dezember hätte vorbei sein können. Unfreiwillig fragt man sich dann auch: was unterscheidet mich von den andern? Meine klare Antwort ist mittlerweile: die nicht ausreichenden Klausuren. Nicht mehr als das. Ich kann eine gute Juristin sein und trotzdem nicht gemacht dafür, in fünfstündigen Klausuren abzuliefern. Daran arbeite ich. Und träume davon, Ende des Jahres als Volljuristin im Berufsleben anzukommen und mir vielleicht bei einem Tatbestand, Entscheidungsgründen, oder aber bei einem Schriftsatz die Zeit nehmen zu können, um nicht nur „praxistauglich“ und „brauchbar“ zu sein, sondern gut. In meinem Tempo.

Mache ich das wirklich?!

Zur Wahrheit gehört auch: ich habe mit dem Gedanken gespielt, mich beurlauben zu lassen. Nach so vielen Jahren Jura, Jura studieren, Jura lernen, Jura machen ist die Luft langsam raus. Das würde bedeuten, dass ich unter Wegfall der Unterhaltsbeihilfe 6 Monate „raus“ bin. Letztendlich fühlt sich dieser Gedanke aber so an, als würde ich an einen Marathon, der ohnehin mit einer Ehrenrunde abschließt, noch einen Halbmarathon dranhängen. Und dafür habe ich nun wirklich nicht die Kraft.

Trotzdem, und das ist mir besonders wichtig zu erwähnen: die Personen, die durchfallen, sind sehr unterschiedlich und genauso verschieden sind ihre Lebenswege, Schicksalsschläge, Verpflichtungen, Kapazitäten und Pläne. Es gibt gute Gründe, die dafürsprechen können, sich Beurlauben oder sogar Entlassen zu lassen. Nicht zuletzt die eigene Gesundheit, die immer an erster Stelle stehen sollte oder beispielsweise Kinder, die einen nicht weniger beanspruchen, nur weil man durchgefallen ist.

Ich werde das wirklich machen. Ich werde im März schreiben. Ich werde dieses Jahr Volljuristin.

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Frida Fortun
Frida Fortun
Bei Frida Fortun handelt es sich um das Pseudonym unserer Kolumnistin. Die Identität der Autorin ist der JURios-Redaktion bekannt.

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