Eine aktuelle Studie des ifo Instituts widerlegt die weitverbreitete Annahme, dass eine steigende Zahl von Migrant:innen mit einer höheren Kriminalitätsrate einhergeht. Die Analyse von Polizeistatistiken zwischen 2018 und 2023 zeigt, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Anteil ausländischer Einwohner in einer Region und der dortigen Kriminalitätsentwicklung besteht.
„Wir finden keinen Zusammenhang zwischen einem steigenden Ausländeranteil in einem Kreis und der lokalen Kriminalitätsrate. Gleiches gilt im Speziellen für Schutzsuchende“, sagt ifo Forscher Jean-Victor Alipour. „Die Ergebnisse decken sich mit Befunden der internationalen Forschung, wonach Migration und Flucht keinen systematischen Einfluss auf die Kriminalität im Aufnahmeland haben.“
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Strukturelle Faktoren als Erklärung
In einer Pressemitteilung vom 18. Februar 2025 stellen die Forschenden klar, dass der überproportionale Anteil von Ausländern in der Kriminalstatistik nicht zwangsläufig auf eine höhere Delinquenzrate dieser Bevölkerungsgruppe hindeutet. Vielmehr resultiert dieser Eindruck aus strukturellen Gegebenheiten: Migranten ziehen häufig in urbane Räume, die generell eine höhere Kriminalitätsrate aufweisen – unabhängig von der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung. Zudem sind demografische Faktoren wie ein überdurchschnittlich junger Altersdurchschnitt und ein höherer Männeranteil unter Migranten zu berücksichtigen. Nach Bereinigung dieser Einflussgrößen zeigt sich kein signifikanter Effekt des Migrationsanteils auf das regionale Kriminalitätsniveau.
„Berücksichtigt man diese Faktoren, stehen regionaler Ausländeranteil und Kriminalitätsrate in keinem statistischen Zusammenhang“, sagt ifo Forscher Joop Adema. „Die Annahme, dass Ausländer oder Schutzsuchende eine höhere Kriminalitätsneigung besitzen als demografisch vergleichbare Einheimische, ist nicht haltbar.“
Arbeitsmarktintegration als Präventionsstrategie
Die Untersuchung hebt hervor, dass insbesondere die Integration in den Arbeitsmarkt eine zentrale Rolle bei der Prävention von Straftaten spielt. Politische Maßnahmen, die auf eine beschleunigte Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen sowie eine bedarfsgerechte Verteilung von Asylsuchenden nach wirtschaftlichen Kriterien abzielen, könnten zur Reduktion sozialer Spannungen beitragen. Eine rasche Eingliederung in legale Beschäftigungsverhältnisse stärkt nicht nur die individuelle Perspektive der Migranten, sondern leistet auch einen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität und gesellschaftlichen Sicherheit.
Ohne Migration werden Deutschland aufgrund des demografischen Wandels in bestimmten Branchen bald die Arbeitskräfte ausgehen. Insbesondere im Gesundheitswesen, in der Pflege, im Baugewerbe, im Handwerk und in der Gastronomie herrscht ein erheblicher Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Ohne Zuwanderung könnten viele Unternehmen ihre offenen Stellen nicht besetzen, was langfristig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands gefährden würde. Die Integration ausländischer Fachkräfte ist daher nicht nur eine soziale, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit, um den Wohlstand und die Innovationskraft des Landes zu sichern.
Faktenbasierte Politikgestaltung statt populistischer Narrative
Die Ergebnisse der ifo-Studie liefern eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für die aktuelle Debatte über Migration und innere Sicherheit. Während in der öffentlichen Diskussion oft ein direkter Zusammenhang zwischen steigender Zuwanderung und Kriminalität suggeriert wird, sprechen die empirischen Befunde eine andere Sprache. Vielmehr unterstreicht die Analyse, dass gut durchdachte Integrationsmaßnahmen und eine faktenbasierte Politikgestaltung wesentlich zur sozialen Kohäsion und Kriminalitätsprävention beitragen können. Ein undifferenzierter Diskurs über Migration und Sicherheit birgt hingegen die Gefahr, Vorurteile zu verfestigen und gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen.
Die Studie des ifo Instituts zeigt somit eindrücklich, dass Kriminalität nicht durch den bloßen Anteil von Migranten in einer Gesellschaft bestimmt wird. Vielmehr sind es sozioökonomische Rahmenbedingungen, die über Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt entscheiden.
Genauso hierzu riefen Anfang 2025 auch über 60 Strafrechtswissenschaftler:innen auf. Als Reaktion auf die politischen Forderungen der letzten Monate veröffentlichten veröffentlichten Professor:innen, wissenschaftliche Mitarbeitende, Lehrende, Forschende und Doktorand:innen eine gemeinsame Stellungnahme, in der sie sich für eine evidenzbasierte und rationale Kriminalpolitik aussprechen.