Im Staatsexamen mit dem Handy auf der Toilette erwischt? Jurastudent hat nochmal Glück gehabt

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Das Smartphone in der juristischen Staatsprüfung in der Hosentasche mit auf die Toilette nehmen? Keine gute Idee. Ein Jurastudent zog deswegen jetzt bis vor den bayerischen Verwaltungsgrichtshof.

Der Kläger war in der ersten juristischen Staatsprüfung im Jahr 2023 für das Mitführen eines Smartphones während der Prüfung bestraft worden. Der Prüfungsbescheid stellte fest, dass der Kläger einen sog. “Unterschleif” (ein kompliziertes Wort für “Täuschung in einer Prüfung”) begangen habe, indem er ein nicht zugelassenes Hilfsmittel, das Smartphone, bei sich trug. Der Kläger habe ein ausgeschaltetes Smartphone in der vorderen Hosentasche getragen und sich damit wenige Minuten am Wachbecken des Sanitärraums bei offener Türe aufgehalten. Zwar gab es keinerlei Hinweise darauf, dass das Gerät aktiv genutzt wurde, dennoch wurde der Kläger wegen des Besitzes des Smartphones von der gesamten Prüfung ausgeschlossen und die Aufgabe, bei der das Smartphone im Raum war, mit der Note „ungenügend“ bewertet.

Mobiltelefon als verbotenes Hilfsmittel

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 JAPO ist eine Arbeit mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) zu bewerten, wenn das Ergebnis einer Prüfungsarbeit durch Unterschleif, Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu eigenem oder fremdem Vorteil beeinflusst wurde. In schweren Fällen erfolgt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 JAPO ein Ausschluss von der Prüfung; diese ist mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) nicht bestanden. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 JAPO stellt auch der Besitz nicht zugelassener Hilfsmittel – zu denen Mobiltelefone gehören – nach Ausgabe der Prüfungsaufgaben einen Unterschleif dar.

Das Verwaltungsgericht Bayreuth entschied in der ersten Instanz, dass der Kläger zu Unrecht von der Prüfung ausgeschlossen wurde. Es befand, dass der Besitz eines Smartphones während der Prüfung zwar einen Verstoß gegen die Prüfungsordnung darstelle, dieser jedoch nicht die Schwere des Unterschleifs rechtfertige, die zu einem Ausschluss führen würde. Ein „schwerer Fall“ des Unterschleifs, wie er im Prüfungsrecht erforderlich ist, wurde nicht festgestellt, da der Kläger keinerlei Prüfungsinhalte auf dem Smartphone gespeichert hatte und das Gerät während der Prüfung nicht verwendet wurde. Selbst bei Annahme eines schweren Falls des Unterschleifs wäre die Sanktionsverhängung im vorliegenden Fall unverhältnismäßig, da der Ausschluss von der gesamten Ersten Juristischen Staatsprüfung enorme Auswirkungen auf die Rechte des Prüflings aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG habe.

Das Prüfungsamt argumentierte hingegen, dass bereits der Besitz eines Smartphones während einer Prüfung aufgrund seiner umfangreichen Nutzungsmöglichkeiten und des potentiellen Täuschungspotentials als schwerer Fall von Unterschleif gewertet werden müsse. Insbesondere die Möglichkeit, unzulässige Hilfsmittel über das Smartphone zu nutzen, stelle einen erheblichen Wettbewerbsvorteil dar, auch wenn der Kläger das Gerät nicht tatsächlich verwendet habe. Das JPA führte weiter aus, dass die Prüfungsordnung klare Regeln für den Besitz von nicht zugelassenen Hilfsmitteln enthalte, die unabhängig von einer tatsächlichen Nutzung eine Sanktionierung nach sich zögen. Die Rechtsfolge des Ausschlusses von der gesamten Prüfung sei deshalb gerechtfertigt, um die Chancengleichheit der anderen Prüflinge zu wahren und eine abschreckende Wirkung zu erzielen.

Berufsfreiheit muss berücksichtig werden

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterfällt jede Form der Sanktionierung des Fehlverhaltens eines Prüflings dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Für die Beurteilung, ob ein „schwerer Fall“ des Unterschleifs gegeben ist, sind als Maßstab der Grad der Verletzung der „Spielregeln des Wettbewerbs“ und das Maß der Beeinträchtigung der Chancengleichheit heranzuziehen. Besonders schwere Fälle liegen nach dem Umfang der Täuschungsmöglichkeiten und dem Täuschungserfolg deutlich im oberen Bereich der vorkommenden Fälle.

In seiner Begründung stellte das Gericht klar, dass für die Annahme eines „schweren Falls“ des Unterschleifs nicht bereits der Besitz eines Smartphones ausreiche. Es müsse vielmehr die konkrete Schwere der Beeinträchtigung der Chancengleichheit und der „Spielregeln des Wettbewerbs“ berücksichtigt werden. Zwar räumte das Gericht ein, dass der Besitz eines Smartphones während einer Prüfung grundsätzlich eine unzulässige Vorteilsnahme darstellen könne, doch in diesem Fall sei die Schwere des Verstoßes nicht ausreichend, um den Kläger von der gesamten Prüfung auszuschließen.

„Das Smartphone des Klägers befand sich bei der Kontrolle nachweislich in seiner linken Hosentasche, war ausgeschaltet und vom Kläger während der Prüfung nicht verwendet worden. Auf dem Smartphone waren keine prüfungsbezogenen Daten gespeichert. Der Kläger befand sich – insoweit vom Beklagten auch nicht bestritten – nicht einige Minuten in einer abgeschlossenen Toilette, sondern wusch sich lediglich bei offener Türe am Waschbecken die Hände. Damit hat der Kläger weder planvolle Vorbereitungshandlungen vorgenommen, wie das Herunterladen prüfungsrelevanter Daten, auf die er schnell Zugriff hätte nehmen können, noch versucht, sich im Verborgenen eine konkrete Nutzungsmöglichkeit zu verschaffen.“

„Zwar spricht bei dem Besitz eines nicht zugelassenen Hilfsmittels der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich für ein bewusstes Mitführen dieses Hilfsmittels. Der konkrete Geschehensablauf (ausgeschaltetes Smartphone, kein Nutzungsnachweis, keine Speicherung prüfungsrelevanter Daten) lässt hier aber – anders als der Beklagte meint – davon abweichend den Schluss zu, dass der Kläger nach der mündlichen Belehrung im Prüfungsraum das Smartphone ausgeschaltet und lediglich leichtfertig nicht in den hinteren Prüfungsraum gelegt, sondern wie üblich in die Hosentasche gesteckt hat.“

Smartphone nicht benutzt – weniger schwerer Verstoß

Das Gericht betonte in seiner Entscheidung, dass die Sanktionierung von Prüfungsunregelmäßigkeiten stets im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehen müsse. Der Eingriff in die Rechte des Prüflings dürfe nicht unverhältnismäßig sein. Auch wenn der Besitz eines Smartphones als Unterschleif gewertet werde, müsse im Einzelfall abgewogen werden, ob die Härte der Sanktion im Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehe.

„Wegen des besonders schwerwiegenden Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG kann die Einordnung eines unlauteren Prüfungsverhaltens als „schwerer Fall“ mit dem damit zwingend einhergehenden Ausschluss von der gesamten Juristischen Staatsprüfung nur als „ultima ratio Sanktion“ im Einzelfall als verhältnismäßig angesehen werden, mithin wenn der Ausschluss unter Berücksichtigung der Folgewirkungen für den Prüfling als Maßnahme am obersten Ende der Sanktionsskala bei nach Umfang und Ausmaß besonders groben Unterschleifhandlungen angemessen ist.“

In diesem Fall war das Gericht der Ansicht, dass der Kläger durch das Mitführen des Smartphones keine so gravierende Beeinträchtigung der Chancengleichheit herbeigeführt habe, dass ein Ausschluss von der gesamten Prüfung gerechtfertigt wäre.


VGH München, Beschluss v. 05.11.2024, Az. 7 ZB 24.632

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