Ab dem Jahr 2026 wird die Korrektur der Klausuren im ersten und zweiten juristischen Staatsexamen in Deutschland bundesweit durch Künstliche Intelligenz (KI) erfolgen. Die Einführung der KI-Korrektur soll nicht nur für eine effizientere und kostengünstigere Durchführung der Examina sorgen, sondern auch die Notendifferenzen verringern und zu faireren Ergebnissen führen. Die Reaktionen aus der Fachwelt sind gemischt.
Die richtungsweisende Entscheidung geht auf einen Beschluss der Justizministerkonferenz aus dem März 2025 zurück, der auch vom Bundesjustizministerium unterstützt wird. Mit Ausnahme von Bayern haben sich alle Bundesländer mit einer Umsetzung der KI-Korrektur noch im Jahr 2026 einverstanden erklärt. Nachdem es bei der Einführung des E-Examens in den letzten Jahren immer wieder zu technischen Problemen kam (JURios berichtet über Bayern und Mannheim), wurde mit der Umsetzung der KI-Korrektur das portugiesische IT-Unternehmen Luthor beauftragt. So soll eine reibungslose Implementierung der KI in den Ablauf der juristischen Staatsexamina gewährleistet werden. Luthor ist außerdem damit beauftragt, die Justizprüfungsämter der Länder im Umgang mit der KI-Korrektur zu schulen. Hierfür werden sich alle Mitarbeitenden der LJPAe im Frühjahr 2026 auf eine zweiwöchige Fortbildung in Lissabon begeben. Die Kosten hierfür übernimmt der Steuerzahler.
Warum der Einsatz von KI?
In der Vergangenheit wurde die Korrektur der Staatsexamensklausuren von Professor:innen sowie Praktiker:innen aus Justiz und Anwaltschaft vorgenommen. Dabei kam aus Zeit- und Kostengründen das Verfahren der offenen Zweitkorrektur zur Anwendung. In der Vergangenheit führte die Benotungspraxis in den Staatsexamina immer wieder zu Kritik. So ergab eine Studie an der LMU München, bei der 230 Juraklausuren ausgewertet wurden, dass der durchschnittliche Unterschied zwischen der niedrigsten und der höchsten Note, die für die (gleiche) Klausur vergeben wurde, 6,47 Punkte betrug. Ob man als Jurastudent:in also mit drei Punkten durchfällt oder mit 9 Punkten ein Prädikatsexamen erreicht, hängt damit größtenteils vom Zufall ab (JURios berichtet).
Diese willkürlichen Bewertungen führen bei den Prüflingen regelmäßig zu großer Unzufriedenheit und zu Kritik an der Fairness des Systems. Auch Stimmen aus Professorenschaft und Praxis fordern deswegen eine Reform des Jurastudiums inklusive der juristischen Staatsexamina. Federführend tritt hierfür das Projekt iur.reform ein (JURios berichtet).
Mit der Einführung der KI-Korrektur erhoffen sich die Justizministerkonferenz und das Bundesjustizministerium eine Reduzierung der Notendifferenzen. KI-gestützte Systeme seien in der Lage, alle Klausuren gleich zu bewerten, ohne durch subjektive Einflussfaktoren wie Erfahrung, Vorlieben oder Ermüdung beeinträchtigt zu werden. Man erwarte, dass die Korrekturen durch den Einsatz von KI objektiver, präziser und effizienter werden.
Das neue Korrektursystem: Effizient und kostengünstig
Das neue KI-basierte Korrektursystem wird nicht nur schneller, sondern auch kostengünstiger sein als das traditionelle System der menschlichen Korrektur. Ein wesentlicher Vorteil der KI ist, dass sie die Klausuren in kurzer Zeit bearbeiten kann, was die gesamte Prüfungsabwicklung deutlich beschleunigt. Bisher müssen Examenskandidat:innen mehrere Monate auf die Korrektur ihrer Klausuren warten. Diese Wartezeit sollen durch die KI-Korrektur erheblich verkürzt werden.
Doch wie ist abgesichert, dass die KI-Korrektur zu fairen Ergebnissen kommt? In Fällen, in denen die KI bei der Korrektur auf eine Notendifferenz von mehr als drei Punkten zwischen zwei Durchläufen stößt, soll nach den Plänen der Justizministerkonferenz eine menschliche Korrektur hinzutreten, um die finalen Ergebnisse zu überprüfen. Diese dreifache Korrektur stellt sicher, dass mögliche Fehler der KI noch rechtzeitig erkannt werden und gibt den Prüflingen eine zusätzliche Garantie für die Fairness der Korrektur.
Der bayerische Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich, hält die Einführung einer KI-Korrektur für eine „woke, fehlgeleitete Entscheidung“. Das bisherige System der Staatsexamina habe sich seit einem Jahrhundert bewährt. Eine Reform der juristischen Ausbildung sei auch im Bereich der Notengebung schlicht nicht notwendig.
Reaktionen aus der juristischen Fachwelt
Dr. Volker Wissing, Interims-Justizminister, begrüßte die Entscheidung in einer Pressemitteilung mit den Worten: „Die Digitalisierung schreitet voran und KI wird auch in die juristischen Staatsexamina einfließen. Das führt zu faireren Korrekturen bei gleichzeitig niedrigeren Kosten.“ Er betonte, dass der Einsatz von KI die Korrektur nicht nur effizienter mache, sondern auch dazu beitrage, das System insgesamt gerechter zu gestalten.
Während Wissing und andere Befürworter des Projekts die Einführung der KI-Korrektur als Fortschritt sehen, gibt es auch kritische Stimmen. Vertreter der Bundesfachschaft Jura äußerten Bedenken, ob KI tatsächlich in der Lage sei, menschliche Korrektor:innen vollständig zu ersetzen. Insbesondere befürchten Fachschaftsvertreter:innen, dass die KI in ihrer Urteilsfähigkeit und in der Berücksichtigung von Nuancen in der Argumentation hinter den menschlichen Korrektor:innen zurückbleiben könnte. Juristische Prüfungen erforderten oft mehr als nur das Wiedergeben von Wissen; sie setzen vielmehr eine tiefergehende Auseinandersetzung mit rechtlichen Fragestellungen und eine präzise Argumentation voraus. Es sei fraglich, ob KI dies in gleicher Weise beurteilen könne wie erfahrene Korrektor:innen.
Gleichzeitig lobte ein Vertreter der Bundesfachschaft Jura die Einführung der dreifachen Korrektur, da diese eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweist, faire Ergebnisse zu erzielen, als die bisherige Praxis der offenen Zweitkorrektur, bei der der Zweitkorrektor die Note der Erstkorrektur kennt (JURios berichtet). Die dreifache Korrektur bei Notendifferenzen sorge für mehr Transparenz und minimie die Gefahr einer einseitigen Bewertung.
Erfolgreiche Tests an der Universität Bielefeld
Bereits in diesem Jahr wurde die KI-gestützte Korrektur erfolgreich an der Universität Bielefeld getestet (JURios berichtet). Das Start-up LexMea führte ein Pilotprojekt durch, bei dem eine KI die Korrektur der Uni-Klausuren übernahm. Die Ergebnisse waren positiv, und es zeigte sich, dass KI durchaus in der Lage sei, die juristischen Prüfungen effizient und präzise zu bewerten. Es bleibt abzuwarten, wie gut sich das System bei der landesweiten Einführung im Jahr 2026 bewähren wird, doch der Testlauf an der Universität Bielefeld hat eine vielversprechende Grundlage geschaffen.
In den USA sind ChatBots schon länger in der Lage, das Bar Exam zu bestehen und sogar besser abzuschneiden als menschliche Kandidat:innen (JURios berichtet). An der Uni Bayreuth wird KI außerdem bereits dazu eingesetzt, um Jurastudierende auf die mündliche Prüfung vorzubereiten (JURios berichtet).
Die Einführung der KI-Korrektur für die juristischen Staatsexamina ab 2026 markiert einen Meilenstein in der Digitalisierung der juristischen Ausbildung.
April, April!