Iwao Hakamada, ein ehemaliger japanischer Profiboxer, wurde 1966 des Vierfachmordes beschuldigt und verbrachte fast fünf Jahrzehnte im Todestrakt, bevor er 2024 endgültig freigesprochen wurde. Das Guinness-Buch der Rekorde führte den heute 89-Jährigen als die am längsten in einer Todeszelle einsitzende Person weltweit. Sein Fall wirft ein Schlaglicht auf die japanische Justiz und die Anwendung der Todesstrafe.
Der Fall Hakamada: Eine Chronologie der Ereignisse
Am 18. Juni 1966 wurden der Geschäftsführer einer Sojapasten-Fabrik, seine Frau und ihre beiden Kinder tot in ihrem abgebrannten Haus in Shizuoka aufgefunden. Alle wiesen Stichverletzungen auf. Iwao Hakamada, damals 30 Jahre alt und Angestellter der Fabrik, geriet schnell unter Verdacht. Nach wochenlangen intensiven Verhören, legte er ein Geständnis ab, das er später widerrief und angab, es sei unter Zwang und Misshandlungen erpresst worden. Trotz seines Widerrufs wurde er 1968 wegen dreifachen Mordes zum Tode verurteilt.
Ein zentrales Beweismittel im Prozess waren fünf blutbefleckte Kleidungsstücke, die mehr als ein Jahr nach der Tat in einem Miso-Tank der Fabrik gefunden wurden. Spätere Untersuchungen zeigten jedoch, dass Kleidung, die lange in fermentierter Sojapaste eingelegt ist, sich verfärbt und Blutflecken nicht mehr erkennbar sind. Zudem ergaben DNA-Tests keine Verbindung zwischen Hakamada und den Blutflecken auf der Kleidung. Diese Unstimmigkeiten nährten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Beweise und der Rechtmäßigkeit des Urteils.
Hakamada verbrachte insgesamt 48 Jahre hinter Gittern, davon über 45 Jahre im Todestrakt, was ihm einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde als weltweit am längsten einsitzender Todeszellenhäftling einbrachte. Die langen Jahre der Isolation und der ständigen Ungewissheit über seine Hinrichtung führten zu erheblichen psychischen Belastungen.
Wiederaufnahme des Verfahrens und Freispruch
2014 ordnete das Bezirksgericht Shizuoka überraschend die Wiederaufnahme des Verfahrens an und setzte Hakamada bis zum neuen Prozess auf freien Fuß. In dem erneuten Verfahren, das 2024 abgeschlossen wurde, stellte das Gericht fest, dass Beweise gefälscht wurden und Hakamada nicht der Täter sei. Der Vorsitzende Richter entschuldigte sich für die lange Unsicherheit, in der Hakamada gelebt hatte, und kündigte eine Untersuchung an, warum das Verfahren so lange gedauert habe.
Nach seinem Freispruch sprach ihm die japanische Justiz eine Entschädigung von 217 Millionen Yen (etwa 1,34 Millionen Euro) zu. Diese Summe entspricht der maximalen Entschädigung, die nach japanischem Recht für jeden Tag der unrechtmäßigen Inhaftierung gezahlt werden kann. Seine Schwester Hideko, die sich jahrzehntelang für seine Freilassung eingesetzt hatte, zeigte sich erleichtert über die Entscheidung.
Der Fall Hakamada hat international Aufmerksamkeit erregt und die Diskussion über die Anwendung der Todesstrafe in Japan neu entfacht. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International begrüßten den Freispruch als entscheidenden Moment für die Gerechtigkeit und forderten Japan auf, die Todesstrafe abzuschaffen. Der Fall wirft Fragen über die Zuverlässigkeit von Geständnissen unter Zwang und die Notwendigkeit von Reformen im japanischen Justizsystem auf.
Fundstelle: https://www.spiegel.de/