Der Jurist Prof. Dr. Daniel Effer-Uhe und die Juristin und Diplom-Psychologin Alica Mohnert, Mag. iur., LL.M. haben gemeinsam das Buch „Psychologie für Juristen“ im Nomos Verlag veröffentlicht. Das Buch ist aus gemeinsamen Lehrveranstaltung der beiden Autor:innen an verschiedenen juristischen Fakultäten hervorgegangen.
Das Lehrbuch ist als Einsteigerwerk in die Materie konzipiert und stellt die wichtigsten Grundzüge und Verbindungen der Disziplinen Psychologie und Rechtswissenschaft dar. In einer Welt, in der juristische Entscheidungen maßgeblich von menschlichem Verhalten beeinflusst werden, bietet dieses Werk Jurist:innen wertvolle Einblicke in psychologische Prozesse, die ihren Berufsalltag prägen. Das Buch richtet sich sowohl an Jurastudierende, die sich beispielsweise im Schwerpunkt Kriminologie mit der Aussagepsychologie auseinandersetzen, als auch an Berufsträger:innen (Richter:innen, Staatsanwält:innen, Strafverteidiger:innen), die täglich in ihrem Beruf mit psychologischen Herausforderungen konfrontiert sind.
Jura trifft Psychologie
Das Buch gliedert sich in mehrere Kapitel, die nach einer allgemeinen Einführung verschiedene psychologische Konzepte vorstellen und deren Relevanz für juristische Tätigkeiten aufzeigen. Beginnend mit einer Einführung in die psychologische Forschung, die den empirischen Ansatz und die Abgrenzung zu “Pseudowissenschaften” wie der Psychoanalyse thematisiert, führt es weiter zu Konzepten wie kognitive Dissonanz und Urteilsverzerrungen. Neben Klassikern wie Ankereffekt (JURios berichtet), Hofeffekt und Bestätigungsbias stehen hier die statistischen Fehlschlüsse im Mittelpunkt. Besonders hervorzuheben ist das umfangreiche Kapitel zur Zeugenvernehmung und Beweiswürdigung, das praxisnahe Techniken wie das “kognitive Interview” vorstellt. Weitere Themen wie Motivation, soziale Normen, Aggression und moralische Urteile werden ebenfalls behandelt und stets auf ihre juristische Relevanz hin untersucht.
§ 1: Psychologie und psychologische Forschung
§ 2: Kognitive Dissonanz
§ 3: Urteilsverzerrung, Urteilsheuristik, Urteilsfehler
§ 4: Wahrnehmen und Erinnern
§ 5: Zeugenvernehmung und Beweiswürdigung
§ 6: Motivation
§ 7: Attribution
§ 8: Soziale Normen, soziale Rollen, sozialer Einfluss
§ 9: Aggression
§ 10: Beharren auf Diagnosen
§ 11: Resilienz und posttraumatische Belastungsstörung
§ 12: Persuasion und Einstellungsänderung
§ 13: Verhandeln
§ 14: Moralische Urteile
§ 15: Freier Wille
§ 16: Ein paar Worte zum Abschluss
Ein deutlicher Schwerpunkt, der einen Großteil des Buches ausmacht, liegt dabei auf den beiden Kapiteln zu “Wahrnehmen und Erinnern” sowie zur “Zeugenvernehmung und Beweiswürdigung”. Hier findet sich auch die im zweiten Examen teils relevante Thematik der “Aussagepsychologie”. Dieser Schwerpunkt ist sinnvoll, denn dabei handelt es sich um die Themen, mit denen Jurist:innen statistisch gesehen am häufigsten zu tun haben – nämlich insbesondere in fast jedem Strafprozess.
Den Abschluss des Buches bildet ein kurzer Einblick in die neuropsychologischen Forschungen zum freien Willen, die vor allem in der Rechtsphilosophie relevant ist.
Verständliche Erklärungen mit Praxisbezug
Effer-Uhe und Mohnert beziehen sich auf aktuelle Studien und juristische Standardwerke, um psychologische Phänomene im juristischen Kontext zu erläutern. Beispielsweise werden Urteilsheuristiken und statistische Fehlschlüsse analysiert, die in der juristischen Entscheidungsfindung eine Rolle spielen. Durch die Verbindung von psychologischem Fachwissen mit der juristischen Anwendung in der Praxis erhalten die Leser:innen konkrete Werkzeuge und Hilfestellungen für ihren Berufsalltag.
Die klare und verständliche Sprache des Buches erleichtert den Zugang zu komplexen psychologischen Konzepten. Anschauliche Beispiele unterstützen das Verständnis und die Anwendung des Gelernten. Für Jurist:innen mit einer Matheschwäche wird das Kapitel zu den „statistischen Denkfehlern“ jedoch eine besondere Herausforderung darstellen.
Zudem bieten die Autor:innen weiterführende Literaturhinweise für diejenigen, die bestimmte Aspekte vertiefen möchten. Diese didaktische Herangehensweise macht das Buch sowohl für Studierende als auch für Praktiker:innen attraktiv.
Gelungenes Einstiegswerk
“Psychologie für Juristen” von Effer-Uhe und Mohnert ist ein gelungenes Einstiegswerk das Psychologie und Rechtswissenschaft auf anschauliche und praxisorientierte Weise miteinander verknüpft. Es bietet Jurist:innen wertvolle Erkenntnisse über psychologische Prozesse, die ihre tägliche Arbeit beeinflussen. Insbesondere warnt das Buch immer wieder vor psychologischen Fehlschlüssen – ein Thema, das im Jurastudium leider viel zu kurz kommt. Alle am Gericht arbeitenden Personen sollten sich dieser Probleme bewusst sein.
Auch wenn das Werk aus 2019 stammt, hat sich an der Relevanz der Inhalte nichts geändert. Trotzdem wäre es schön, bald eine neue Auflage in den Händen zu halten, die auch auf neue Erkenntnisse aus den letzten Jahren eingeht.