Die Stadtbibliothek Münster brachte in einigen ihrer Bücher einen Warnhinweis an, der auf deren potenziell problematischen Inhalt hinweist. Betroffen sind die Werke „Putin, Herr des Geschehens?“ von Jacques Baud und „2024 – das andere Jahrbuch: verheimlicht, vertuscht, vergessen” von Gerhard Wisnewski. Gegen diese „Einordnungshinweise“ reichte einer der beiden Autoren eine Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Münster ein. Er sah darin eine Form der Zensur. Die spannende juristische Frage: Darf eine öffentliche Bibliothek, die dem Bildungsauftrag des Staates unterliegt, vor bestimmten Büchern warnen?
Das VG Münster stellte zunächst fest, dass ein solcher Einordnungshinweis den Autor des Werkes „mittelbar-faktisch“ beeinträchtige. Damit läge gerade noch kein Grundrechtseingriff vor. Dementsprechend sei zur Rechtfertigung auch keine besondere gesetzliche Grundlage für den Hinweis erforderlich.
Keine Neutralitätspflicht, lediglich Sachlichkeitsgebot
Zudem bestünde keine Neutralitätspflicht für Bibliotheken. Es sei mit dem Auftrag einer öffentlichen Bibliothek nicht vereinbar, sie „darauf zu beschränken, Medien allein passiv zur Ausleihe bereit zu stellen”. Ein Einordnungshinweise müsse allerdings den Anforderungen des Sachlichkeitsgebots genügen. Die hier ausgesprochene Warnung stelle ein Werturteil dar, dass auf einem vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhe. Da der Autor historische Fakten leugne, sei eine Warnung vor seinem Buch auch nicht unverhältnismäßig.
Ob die Stadtbibliothek Münster sich damit in praktischer Hinsicht einen Gefallen tut, ist eine andere Frage. Eventuell könnten die beiden Bücher vom Streisand-Effekt profitieren. Dieser bezeichnet ein Phänomen, nach dem der Versuch, eine Information zu unterdrücken, das genaue Gegenteil bewirkt, weil so die öffentliche Aufmerksamkeit auf ebendiese Information gelenkt und damit ihre Verbreitung fördert wird. In den USA geht man den umgekehrten Weg. Hier bewerben Bibliotheken inzwischen bereits explizit Bücher, die – aus den verschiedensten Gründen – an US-Schulen verboten wurden. Beispielsweise Bücher, die Diversität oder Magie positiv darstellen.
Fundstelle: VG Münster, Beschl. v. 11.04.2025, Az. 1 L 59/25