Praxis im Jurastudium: Erfolgreiche Klage der LMU Law Clinic vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof

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Die Law Clinic der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München hat unter Beweis gestellt, wie praxisorientiertes Lernen und das Engagement von Jurastudierenden zur Lösung realer Rechtsfragen führen können. Mit ihrer Popularklage gegen das reformierte Polizeiaufgabengesetz haben die Jurastudierenden einen Teilerfolg vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVGH) erstritten.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig die praxisnahe Ausbildung von angehenden Jurist:innen bereits während des Studiums ist und welche große Rolle Law Clinics dabei spielen können. Die Law Clinic wurde 2018 mit dem LMU-Lehrinnovationspreis ausgezeichnet.


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Einblick in die Arbeit der Law Clinic

Eine Law Clinic bietet Jurastudierenden die Möglichkeit, unter Anleitung erfahrener Rechtsanwält:innen und/oder Professor:innen reale Rechtsfälle zu bearbeiten und praktische Erfahrungen zu sammeln. Dabei lernen die Studierenden früh, juristische Probleme zu lösen, Mandant:innen zu beraten und die Anwendung von Recht in der Praxis zu verstehen. Die Teilnahme an einer Law Clinic ist für Jurastudierende besonders wichtig, weil sie ihre theoretischen Kenntnisse direkt auf konkrete Fälle anwenden können, was ihre berufliche Kompetenz stärkt und sie auf ihre zukünftige Tätigkeit in Justiz und Anwaltschaft vorbereitet.

Bereits im Wintersemester 2017/18 führte Dr. Martin Heidebach, akademischer Oberrat am Institut für Politik und Öffentliches Recht an der LMU, gemeinsam mit Isabel Feichtner aus Würzburg und Markus Krajewski aus Erlangen eine Law Clinic durch. Die Jurastudierende erarbeiteten in dem Seminar eine Popularklage gegen die Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) aus dem Jahr 2017.

„Das Seminar sollte den Studierenden am konkreten Fall zeigen, dass wir in einem Rechtsstaat auch gegen Gesetze selbst juristisch vorgehen können“, erklärt Dr. Martin Heidebach. Das Polizeirecht ist ein spannendes Feld: Die Polizei ist dazu da, Rechtsgüter zu schützen – wie beispielsweise Leben, Besitz, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Gleichzeitig muss sie, wenn sie diese Rechtsgüter schützen will, häufig in Grundrechte eingreifen.“

Es hat einige Jahre gedauert, aber inzwischen hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof über die Klage der Studierenden entschieden und festgestellt: Das bayerische Polizeiaufgabengesetz ist zwar verfassungskonform, aber nur in bestimmten, engen Auslegungen.

Der Fall: Einführung der “drohenden Gefahr” in das PAG

Nach Ansicht der Studierenden steht das PAG in wesentlichen Punkten mit dem bayerischen Verfassungsrecht in Konflikt. Einige Bestimmungen des Gesetzes würden die Grundrechte der Bürger:innen unverhältnismäßig einschränken. Und genau hierfür gibt es das Instrument der Popularklage. Diese ermöglicht allen Bürger:innen, gegen ein mutmaßlich verfassungswidriges Gesetz ihrer Regierung vor dem BayVGH zu klagen.

Der Hintergrund: Mit der Reform des PAG wurde in Bayern der Begriff der „drohenden Gefahr“ neu eingeführt. Damit wird der Polizei erlaubt, bereits bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit für einen Schaden präventiv tätig zu werden. Es muss also gerade keine konkrete Gefahr für ein Rechtsgut wie z.B. das Leben oder die körperliche Unversehrtheit vorliegen. Der neue Begriff führt im Ergebnis zu einer deutlichen Erweiterung der polizeilichen Eingriffsbefugnisse. Kritisiert wurden – in Wissenschaft und Medien – insbesondere auch die extensive Überwachung von Kommunikation sowie der deutlich längere Präventivgewahrsam.

Eine Besonderheit, auf die die Studierenden besonders stolz sein können: Die Klage der Law Clinic war nicht die einzige Popularklage gegen das PAG, aber die einzige, über die der BayVGH am Ende tatsächlich auch inhaltlich entschieden hat. Alle anderen Popularklagen wurden verworfen, weil sie nicht stichhaltig formuliert oder gut genug begründet waren.

Jurastudium beendet, bevor der BayVGH sein Urteil fällt

Eine Herausforderung: Weil das Gericht so lange brauchte, um über den Fall zu entscheiden, beendeten die ursprünglichen Teilnehmenden der Law Clinic teilweise bereits ihr Jurastudium, bevor es überhaupt zu einem Urteil kam.

Immerhin: Nach etwa sechs Monaten hat die Bayerische Staatsregierung mit einem etwa 100-seitigen Schriftsatz auf die Popularklage der Studierenden geantwortet. Diese reichten eine Replik ein. Dann ging das Warten weiter. Bis zur Entscheidung blieben die Teilnehmenden der Law Clinic und ihre Betreuer:innen in einer WhatsApp-Gruppe verbunden, um sich immer wieder über den Fall und die Fortschritte ihrer Klage auszutauschen.

Als es schließlich zur mündlichen Verhandlung vor dem BayVGH kam, konnte eine der Teilnehmerinnen sogar ihr Debüt als Anwältin vor dem Verfassungsgerichtshof halten. Eine große Ehre. „Sie haben ihre Sache wirklich gut gemacht“, lobt Dr. Martin Heidebach seine ehemaligen Studierenden.

Die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

Vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof erzielte die Law Clinic schließlich einen wichtigen Teilerfolg. Das Gericht erklärte, dass das bayerische PAG so, wie es formuliert war, zu weitgehend gewesen ist. Der von den Studierenden angegriffene Artikel 11a bleibt jedoch bestehen. Er wurde aber immerhin mit einem konkreten Auslegungshinweisen versehen.

Ein weiterer Höhepunkt, auf den die Law Clinic stolz sein kann: In der Kostenentscheidung wird festgestellt, dass eventuell entstandene Kosten zur Hälfte erstattet werden, da die Law Clinic mit ihrer Klage zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm beigetragen habe.

Dr. Martin Heidebach überlegt sich jetzt, ob er das Lehrformat der „Law Clinic“ gemeinsam mit seinen Kolleg:innen noch einmal aufleben lässt, um mit einer neuen Generation von Jurastudierenden neue Argumente zu diskutieren und vielleicht die alte Klage noch einmal zu verbessern. „Einerseits ist es natürlich im öffentlichen Interesse, dass die Polizei
in der Lage ist, beispielsweise terroristische Anschläge zu verhindern.
Andererseits sehen wir gerade in der heutigen Zeit, in der eine bisher
für selbstverständlich gehaltene freiheitlich-demokratische Grundordnung
unter Druck gerät, wie wichtig der Schutz von Bürgerrechten ist. Ob die Gesetze den richtigen Rahmen für die Verhältnismäßigkeit zwischen diesen beiden Ansprüchen schaffen, bleibt ein spannendes Thema, nicht nur für ein juristisches Seminar.“


Fundstelle: https://www.lmu.de/

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