Rezension: Betäubungsmittelstrafrecht (Krumm/Ostmeyer)

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Das Betäubungsmittelstrafrecht ist ein hochkomplexes und zugleich praxisrelevantes Rechtsgebiet, das Verteidigerinnen, Staatsanwälte und Richterinnen gleichermaßen fordert. In der 4. Auflage ihres Werks „Betäubungsmittelstrafrecht“ liefern Carsten Krumm und Marco Ostmeyer eine aktualisierte und praxisnahe Darstellung, die sich insbesondere an Praktiker:innen richtet und sich durch eine hohe Handlichkeit, klare Struktur und wertvolle Praxistipps auszeichnet.

Bereits auf den ersten Blick überzeugt das Werk durch seine kompakte Form und ein durchdachtes Layout. Mit knapp 230 Seiten bleibt es handlich genug für die Aktentasche und damit auch im stressigen Kanzlei- oder Gerichtsalltag gut einsetzbar. Der systematische Aufbau – von den Grundlagen über die einzelnen Tatbestände bis hin zu Verfahrensfragen – ist logisch und praxistauglich. Ein ausführliches Stichwortverzeichnis sowie klar gegliederte Kapitel erleichtern die schnelle Orientierung.

Praktischer Aufbau

Besonders hervorzuheben ist der praxisorientierte Aufbau: Die Autoren orientieren sich durchgehend an den Bedürfnissen der anwaltlichen Praxis. Jedes Kapitel enthält prägnante Definitionen, praxisnahe Hinweise zur Verteidigungsstrategie, taktische Überlegungen sowie regelmäßig Zitierungen aktueller Rechtsprechung. Dabei werden auch relevante Schnittstellen wie das Arzneimittelrecht oder Anti-Doping-Gesetz berücksichtigt. Die Darstellung etwa zur Abgrenzung zwischen Eigenbedarf und Handeltreiben (§ 29 BtMG) überzeugt durch Fallnähe und eine klare Sprache.

Unter Abschnitt A. werden die Grundzüge der Betäubungsmittel erläutert. Dabei wird nicht nur auf die Begrifflichkeiten der praxisrelevantesten Betäubungsmittel im Einzelnen näher eingegangen, sondern auch auf den sachlichen Geltungsbereich sowie auf die Abgrenzung zu anderen Gesetzen.

Nach einem kleinen Abstecher auf die Erlaubnispflicht und Subtitutionsbehandlung unter B. tauchen die Autoren im Abschnitt C. in die einzelnen Strafvorschriften detailliert ein. Von den Grunddelikten und den einzelnen Tatbestandsmerkmalen bis hin zu den Verbrechenstatbeständen werden jegliche relevanten und weniger relevanten Normen vertieft behandelt.

Zahlreiche Praxistipps

Ein besonderes Plus sind die zahlreichen Praxistipps („Hinweise für die Verteidigung“) am Rand, die konkrete Handlungsempfehlungen geben, z. B. zur optimalen Gestaltung von Einlassungen, zur taktischen Einordnung von Sicherstellungen oder zur Bedeutung der Wirkstoffgutachten. Dabei wird immer wieder auf einschlägige Rechtsprechung, insbesondere des BGH verwiesen, sodass die Tipps nicht nur nützlich, sondern auch juristisch fundiert sind. Die Autoren verweisen zudem regelmäßig auf weiterführende Literatur, was das Werk auch für Vertiefungen nützlich macht.

In Abschnitt D. finden sich die möglichen Rechtsfolgen und deren Möglichkeiten als auch Problematiken wider – ein Teil, der in vielen Fachbüchern zum Betäubungsmittelstrafrecht häufig zu kurz kommt. Krumm und Ostmeyer gehen hier erfreulich differenziert auf die Strafzumessung, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Fahrverbot (§ 44 StGB), Fahrerlaubnisentziehung (§ 69 StGB) sowie auf die Einziehungsentscheidungen (§§ 73 ff. StGB) ein.

Durchdachter, übersichtlicher Aufbau

Der Aufbau folgt dabei einem durchdachten roten Faden: Zunächst werden die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung im BtM-Bereich erläutert, dann folgen Spezialprobleme – etwa die Bedeutung von Rückfall, Geständnis oder Suchtverhalten. Gerade Letzteres wird mit Blick auf § 64 StGB und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt praxisnah und differenziert behandelt. Die Autoren zeigen hier nicht nur, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, sondern auch, wie Verteidiger:innen strategisch argumentieren können, um eine Maßregel zu verhindern oder gezielt zu beantragen – ein in der Praxis oft entscheidender Punkt.

Besonderes Lob verdient die Darstellung zur Einziehung von Taterträgen (§ 73 StGB), insbesondere im Lichte der BGH-Rechtsprechung zur Rolle von Finanzagenten und „Strohmännern“ – eine Thematik, die nicht aktueller sein könnte. Hier liefern die Autoren eine sehr klare, verständliche und anwendungsorientierte Darstellung, inklusive aktueller Entscheidungen, die dem Verteidiger:innen ermöglicht, etwaige Einziehungsentscheidungen auf ihre tatsächliche Grundlage hin zu überprüfen.

Einbindung aktueller Themen

Erfreulich ist auch die Einbindung aktueller Themen, etwa zur strafrechtlichen Bewertung von Cannabis nach den jüngsten Reformen (Stand: Gesetzgebung bis Frühjahr 2024), einschließlich erster Stellungnahmen der Justizpraxis. Besonders hervorzuheben ist Abschnitt E. des Buches, der sich den Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach dem KCanG und dem MedCanG widmet. Damit reagieren Krumm und Ostmeyer auf die aktuellen gesetzlichen Änderungen, die seit April 2024 in Kraft sind und die Praxis bereits jetzt vor neue Herausforderungen stellen.

Die Autoren bereiten die neue Rechtslage systematisch und verständlich auf – ein echter Gewinn, denn bisher gibt es kaum praxisnahe Literatur zu diesen noch jungen Vorschriften. Es werden sowohl die neuen Straftatbestände (§§ 34 ff. KCanG) als auch die Ordnungswidrigkeiten (§§ 36 ff. KCanG) übersichtlich dargestellt. Besonders hilfreich: Vergleiche zur bisherigen Rechtslage nach dem BtMG und Hinweise darauf, welche Handlungen nun straffrei, nur noch ordnungswidrig oder weiterhin strafbar sind – ein Aspekt, der für Strafverteidiger:innen essenziell ist.

Fallstricke und Verteidigungsmöglichkeiten, etwa bei Verstößen gegen Besitzgrenzen, Abgabeverbote oder Verstöße durch nicht genehmigte Anbauvereinigungen, werden praxisnah beleuchtet. Die Autoren liefern hier erste Argumentationsansätze für Verteidiger:innen – z. B. im Umgang mit der unklaren Definition der „Öffentlichkeit“ oder der Frage, ob das Besitzverbot in bestimmten Fällen verfassungsrechtlich haltbar ist.

Auch im Hinblick auf das MedCanG, das die Abgabe von medizinischem Cannabis regelt, überzeugen Krumm und Ostmeyer durch einen differenzierten Blick auf die strafrechtlichen Risiken für Apotheken, Ärzte oder Patienten. Die enge Verzahnung mit berufsrechtlichen und arzneimittelrechtlichen Fragen wird klar dargestellt – ohne zu überfrachten. Damit bleibt das Werk am Puls der Zeit.

Abschnitt E. widmet sich der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach §§ 35 ff. BtMG.
Besonders nützlich sind die Hinweise zu typischen Ablehnungsgründen der Vollstreckungsbehörden, Fristproblematiken und dem taktischen Umgang mit § 36 BtMG. Die Darstellung eignet sich ideal als schneller Leitfaden für das Mandantengespräch und die Verteidigungsstrategie, gerade bei suchtkranken Ersttätern.

Highlight für Praktiker und Praktikerinnen

Im darauffolgenden Abschnitt wird die Strafverteidigung in Betäubungsmittelstrafsachen vertieft, was das Buch zu einem echten Highlight für Praktiker:innen macht. Der Abschnitt bündelt Verteidigungstaktiken, Anträge und typische Verfahrenssituationen im BtM-Strafrecht. Von der Akteneinsicht bei verdeckten Maßnahmen, über Deal-Gespräche im BtM-Verfahren, bis hin zu Einziehungsabwehr und Aussageverhalten – alles ist übersichtlich, praxisnah und mit Beispielen aus der Rechtsprechung unterlegt.

Die zur Verfügung gestellten Arbeitshilfen/Checklisten in Abschnitt H. und Muster/Formulierungsbeispiele unter Abschnitt I. runden das theoretisch vermittelte Wissen ab.

Krumm/Ostmeyer gelingt mit der 4. Auflage ihres Werks ein erfreulich praxisnaher und zugleich dogmatisch fundierter Zugang zum Betäubungsmittelstrafrecht. Die Kombination aus Handlichkeit, klarer Struktur und fundierten Praxistipps macht das Buch zu einem wertvollen Werkzeug für Strafverteidiger:innen – besonders für solche, die regelmäßig mit BtM-Verfahren befasst sind. Auch für Berufsanfänger oder Referendare bietet es einen hervorragenden Einstieg in die Materie. Kurz: ein Must-have im strafrechtlichen Bücherregal. HIGHly recommended.

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Sandra Kralj
Sandra Kraljhttps://sandrakralj.de/
Aktualisierung meiner Beschreibung: Sandra M Kralj ist Autorin, Weltenbummlerin und Rechtsanwältin sowie Strafverteidigerin im Herzen Stuttgarts. Kanzleiwebsite: https://mk-strafverteidigung.de/

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