Ladekabelverbot bei AG-Klausuren für Referendar:innen in Bayern

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Die Digitalisierung in der Justiz treibt einmal mehr seltsame Blüte. Referendar:innen aus Bayern müssen für ihre verpflichtenden AG-Klausuren mit all ihren Kommentaren und einem privaten Laptop an den AG-Standort tingeln, dürfen dort dann aber nicht einmal ihre Ladekabel benutzen. WLAN gibt es auch nicht. Sieht so eine moderne Juristenausbildung aus?

Was klingt wie ein Schildbürgerstreich (Grüße an das Amtsgericht Schilda auf Instagram), ist im Oberlandesgerichtsbezirk München traurige Realität. Mehrere Referendar:innen haben JURios ein Schreiben weitergeleitet, aus dem hervorgeht, dass die Referendar:innen bei den Übungsklausuren vor Ort nicht einmal mehr ein Ladekabel für ihre Laptops nutzen dürfen. In der Mail mit dem Betreff “VERBOT von Ladekabeln” heißt es:

“Das StMJ und das StMI sehen gegenüber den Referendarinnen und Referendaren eine Arbeitsschutz-Pflicht und gestatten daher keine Verwendung von Ladekabeln o.Ä. in den Unterrichtsräumen der Referendarausbildung.”

Verpflichtende E-Klausuren ohne Strom und WLAN

Die Freude darüber, dass man die Klausuren des 2. Staatsexamens auch in Bayern inzwischen am Laptop schreiben darf (sog. E-Examen) verpufft seitens dieser traurigen Realität. Einerseits fragt man sich, wie die Referendar:innen in den Arbeitsgemeinschaften überhaupt mit Laptops und I-Pads arbeiten sollen, wenn Ladekabel in allen Unterrichtsräumen pauschal verboten sind.

Andererseits stellt sich für die Referendar:innen aber auch die Frage, welchen Sinn es hat, verpflichtende (!) Übungsklausuren einerseits an einen festen Standort zu knüpfen, an diesem dann aber nicht einmal die technischen Voraussetzungen bereitzuhalten, damit die angehenden Jurist:innen ihre Klausuren tatsächlich unter Examensbedingungen schreiben können.

Der Instagram-Kanal fahrlaessiger_mord hat erstmals auf das Problem aufmerksam gemacht und berichtet, dass die Teilnahme an den AG-Klausuren einerseits verpflichtend sei, es aber andererseits nicht einmal eine Aufsicht für die Klausuren gäbe. Die Referendar:innen fahren also teils 20 km und transportieren 10-20 kg Gesetzesmaterialien durch die Gegend, um dann an ihrem eigenen Laptop in einem Raum zu sitzen, in dem ihnen langsam der Saft ausgeht….

Warten darauf, dass der Saft ausgeht….

Eine Referendarin aus Bayern schreibt uns: “Um es nochmal klar zu sagen: Wir kommen für die Pflichtklausuren vor Ort. Schleppen MINDESTENS 10 kg Bücher an (9,9 kg für Ziegler/Tremel, Sartorius, BauGB Kommentar sowie VwGO & VwVfG Kommentare und Europarecht Gesetzestext, tatsächlich reicht das aber eigentlich gar nicht aus – denn man braucht ja teils für die Fristberechnung ZPO/BGB – also Habersack, und zuletzt brauchten wir auch den StPO Kommentar für eine sicherheitsrechtliche ÖffR Klausur – alles in allem sollte man im Idealfall also alle zugelassenen Hilfsmittel mitbringen, das wären dann 23 kg – plus eigener Laptop, Ladekabel, ggf Getränk/Snack/eigene Tastatur(!) wer bereits für den Examensernstfall trainiert und sich schon eine fürs E-Examen zugelassene eigene gekauft hat, und und und.”

In der E-Mail der Referendarsabteilung heißt es dazu nur lapidar:

“Zu den Klausuren und in den Unterricht können m.E. alternativ dann nur Power Banks o.Ä. mitgebracht werden, um den Ausfall der Geräte sicher auszuschließen.”

Als (angehende) Jurist:innen fragt man sich natürlich sofort: Was heißt “m.E.”? Und welche Ladealternativen fallen unter “o.Ä.”? Ein eigens kleines Kohlekraftwerk (Windräder sind in Bayern ja ebenfalls nicht en vogue)? Ein Hamster im Rad? Betroffene fragen sich jetzt außerdem, ob das “Lade”kabel zwischen Power Bank und Laptop weiterhin erlaubt ist.

Fast schon ironisch mutet da der Hinweis auf die “Arbeitsschutz-Pflicht” der Ausbildungsstelle an. Wieso sollten Power Bank weniger gefährlich sein als handelsübliche und korrekt eingesetzte Laptop-Ladekabel? Selbst der TÜV weist darauf hin, dass bei Lithium-Ionen-Akkus “auch bei Powerbanks eine gewisse Brand- und Explosionsgefahr” besteht. Bei Flugreisen sind Power Banks im aufgegebenen Gepäck deswegen verboten.

OLG-Bezirk beruft sich auf Arbeitsschutz

Zur “Arbeitsschutz-Pflicht” der für die Referendarausbildung zuständigen Landesjustizprüfungsämter und Landesjustizministerien gehört unsere Meinung nach auch, die Gesundheit der Referendar:innen dadurch zu schützen, dass man unnötiges Herumschleppen von Gesetzen vermeidet (und die psychische Gesundheit der Auszubildenden schützt… aber das ist ein anderes Thema). Wenn man schon eine digitale Klausur anbietet, ist es außerdem nicht nachvollziehbar, wieso diese nicht (wahlweise) von zu Hause geschrieben werden kann. Die Umwelt würde sich über eine entsprechende CO2-Ersprarnis sicherlich freuen.

Denn “echte” Examensbedingungen gibt es ohne eine Aufsicht und ohne der Tastatur, die auch im “echten” Examen verwendet wird, sowieso nicht. Dazu erreichte uns folgender Hinweis: “Wir werden bei den Übungsklausuren NICHT beaufsichtigt, dh. der Sinn der Klausuren à la ernsthafte Bedingungen, nicht spicken pipapo fällt flach! Wir müssen – ohne dass uns hierfür WLAN zur Verfügung gestellt wird – unsere Klausuren selbständig und fristwahrend bei dem Portal BayLern hochladen und dürfen dann wieder nach Hause zockeln. Hauptsache wir haben unterschrieben (!) dass wir da waren. Wenn wir nicht unterschreiben, droht Kürzung der Unterhaltsbeihilfe.”

OLG Nürnberg droht disziplinarische Maßnahmen an

In einem Schreiben des OLG Nürnberg, das der JURios-Redaktion weitergeleitet wurde, werden den Referendar:innen bei einem Verstoß gegen das Ladekabelverbot sogar disziplinarische Maßnahmen angedroht. Darunter versteht man im Rechtsreferendariat beispielsweise eine Kürzung der sowieso bereits knapp bemessenen Unterhaltsbeihilfe oder als ultima ratio sogar einen Ausschluss aus dem juristischen Vorbereitungsdienst.

In der Mail heißt es: “Anlässlich einer heute hier stattfindenden Klausur musste leider erneut festgestellt werden, dass sich nicht wenige Referendarinnen und Referendare der Anweisung widersetzen, wonach Stromanschlüsse in den Unterrichts- und sonstigen Diensträumen nicht zum Laden mitgebrachter privater elektronischer Endgeräte (u.a. Laptops, Tablets) genutzt werden dürfen. Hierbei kam es in Nürnberg leider auch schon zu Beschädigungen an Einrichtungsgegenständen.”

Und weiter: “Ich weise Sie nachdrücklich darauf hin, dass bei einem Zuwiderhandeln von einer Dienstpflichtverletzung ausgegangen werden kann, die disziplinarrechtlich zu ahnden wäre. Die Anschaffung einer leistungsstarken Powerbank dürfte im Vergleich dazu eine gute Investition darstellen.”

Eine Powerbank für einen Laptop benötigt 60 Watt sowie 26.000 mAh und kostet dementsprechend mindestens 100 Euro. Ob eine günstigere Powerbank von Shein oder Temu sicherer ist als das vom Hersteller empfohlene Ladekabel, dürfte angezweifelt werden.

Von Referendar:innen verschiedener Standorte wurde uns bestätigt, dass sich in den Räumlichkeiten für Referendar:innen meist ausreichend Steckdosen befinden. Diese seien meistens sogar mit Leisten im Boden verlegt, sodass man nicht über die Kabel stolpert. Allerdings sind die Steckdosen in den Ausbildungsräumen oft zugeklebt, sodass sie nicht genutzt werden können. Vorhandene technische Einrichtungen werden in Bayern also bewusst unberauchbar gemacht.

Insgesamt haben uns die verschiedensten Gründe erreicht, die von den Landesjustizprüfungsämtern sowie Ausbildungsstellen als “Argumente” angeführt wurden. Eine kleine Auswahl an dieser Stelle: “Arbeitsschutz, Stolperfallen, Brandschutz, Denkmalschutz, Beschädigung des Gebäudes, Chancengleichheit, Stromversorgung nicht für diese Belastung ausgelegt, zu wenige Steckdosen, Überspannungsgefahr (to be continued).”

So begrüßenswert das E-Examen und Digitalisierungsbemühungen wie das Portal “BayLern” damit sind, so lächerlich und engstirnig ist die Umsetzung in der Praxis.


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