Ein Jubiläumsjahr für die Weltliteratur: 2025 feiern wir den 150. Geburtstag von Thomas Mann. Was viele nicht wissen: Der deutsche Schriftsteller schrieb Tagebuch. Und das, was er jeden Tag aufzeichnete, erinnert uns schmerzlich an die Tage in Jurastudium und Rechtsreferendariat. Wir haben die besten Tagebucheinträge Thomas Manns im Hinblick auf die Juristenausbildung gesammelt.
Zwei Weltkriege, zwei Kontinente, zig Werke
Thomas Mann, der 1875 in Lübeck geboren wurde, gilt als einer der bedeutendsten (deutschen) Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und wurde 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Geboren als Sohn eines wohlhabenden Lübecker Kaufmanns, legte er lediglich die Mittlere Reife ab und begann schon früh mit dem Schreiben. Die Bürotätigkeit bei einer Feuerversicherungsgesellschaft empfand er – genauso wie Franz Kafka – als langweilig.
Sein Debüt als Schriftsteller gelangt ihm 1894 mit der Novelle “Gefallen“. 180 Mark Zinsen aus dem Vermögen seines verstorbenen Vaters ermöglichte ihm, die Schriftstellerei in Vollzeit auszuüben. Mit seinem 1901 veröffentlichten Roman “Buddenbrooks” gelang ihm 1903 der literarische Durchbruch.
Obwohl er sehr wahrscheinlich homosexuell war, heiratete Mann 1905 Katharina Pringsheim, mit der er sechs Kinder hatte. Seine nie ausgelebte Homosexualität verarbeitete Mann in “Der Tod in Venedig” (1911). Die Tuberkulose-Erkrankung seiner Frau und die Atmosphäre im Sanatorium fanden Einzug in “Der Zauberberg” (1924). In “Gedanken im Kriege” (1914) verteidigt Mann zunächst den Ersten Weltkrieg. 1929 erhielt er für Buddenbrooks den Nobelpreis für Literatur.
Vor dem NS-Regime flüchtete Mann 1933 in die Schweiz. Den Nationalsozialismus bezeichnete er als: „Eine Riesenwelle exzentrischer Barbarei und primitiv-massendemokratischer Jahrmarktsrohheit“. 1941 zog er in die USA und ließ sich in Kalifornien nieder. 1955 verstarb Mann in der Schweiz, in die er einige Jahre zuvor zurückgekehrt war.
Zwischen Weltgeschehen und Blähungen
Von 1918-1921 und ab 1933 bis zum Tod 1955 schrieb Thomas Mann Tagebuch. Neben wichtigen weltpolitischen Ereignissen wie der Kapitulation Deutschlands 1945 oder seiner Audienz mit dem Papst 1953 geben die Tagebücher einen intimen Einblick in die (meist trübselige) Gemütslage und das Wohlbefinden des Schriftstellers. Die Tagebücher wurden ab 1977 veröffentlicht. Manch ein Jurastudent oder eine Rechtsreferendarin fühlt sich bei der Lektüre eventuell an die Qualen der juristischen Ausbildung erinnert. Beispielsweise bei diesen Szenen:
Wenn man sich trotz Krankheit in die Vorlesung quält…
„Husten verringert durch Heroin.“ (1. 4. 1943)
Wenn die Justizministerkonferenz schon wieder keinen Reformbedarf sieht…
„Was soll man sagen.“ (6. 2. 1936)
Wenn man sich in die Vorlesung um 8 s.t. quält…
„War müde, hielt aber durch. Großer Eindruck u. Beifall.“ (19. 3. 1939)
Wenn sich Jurastudierende zwischen den Vorlesungen vor dem Haupteingang treffen…
„Ging herum, aß Chokolade und rauchte.“ (15. 3. 1953)
Wenn der Rücken mitten in der Examensvorbereitung aufgibt…
„Leidend, schlimmer Leib.“ (11. 3. 1935)
Wenn man sich einen Tag vor dem Examen befindet…
„Von Morgens an das depressive Grauen im Herzen.“ (30. 1. 1950)
Wenn man als Siebtsemestler den munteren Erstis zuschaut…
„Bedauern, daß ich vorerst nicht dazu komme, weiter zu abenteuern.“ (23. 2. 1952)
Wenn man als Associate in einer Großkanzlei anfängt…
„Durchdrungensein von der Sinn- und Zwecklosigkeit des Ganzen.“ (17. 2. 1938)
Wenn man merkt, wie schnell die zwei Jahre Ref vorbeiziehen…
„Mitte des Monats. Die Zeit, die Zeit!“ (15. 2. 1949)
Wenn man sich im sechsten Semester nach der Vorlesung in den Sport quält…
„Früher stimmte die Bestätigung meiner körperlichen Tüchtigkeit mich heiter, ich glaube, sie tut das nicht mehr.“ (29. 12. 1951)
Wenn man die Hälfte der Examensklausuren hinter sich hat….
„Sehr müde und schlafbedürftig.“ (11. 2. 1934)
Wenn man in Ruhe lernen will, aber die Nachbarn Party machen…
„Wenig erquickliche Nacht. Das Partywesen verwünscht.“ (10. 1. 1947)
Wenn man sich vor der Übungsklausur drei Espressi reinzieht…
„Schrieb, nachdem ich Kaffee getrunken, energisch, wenn auch widerwillig […].“ (8. 2. 1937)
Wenn man nachschaut, welche Teile des Lernplans man schon geschafft hat…
„Die Tagesleistung unbefriedigend.“ (31. 3. 1952)
Wenn es in der Mensa endlich mal leer ist…
„Mahlzeiten allein, was nicht unangenehm.“ (23. 1. 1954)
Wenn morgen die mündliche Prüfung ansteht…
„Nervenstand tief.“ (1. 2. 1953)
Wenn man sich zwischen Examensklausuren und Mündlicher zu erholen versucht…
„Viel Schlaf auch am Tage.“ (14. 3. 1946)
Wenn man sich durch die Nacharbeit Sachenrecht quält…
„Mit meiner Arbeitsenergie dauernd unzufrieden.“ (4. 2. 1939)
Wenn man mit friends die Mittagspause verbringt…
„Thee und Bier stellten mich aus der Erschöpfung wieder her.“ (17. 1. 1939)
Wenn man im Repetitorium merkt, dass das Jahr fast vorbei ist…
„Schon Monatsmitte. Erschreckend.“ (15. 1. 1954)
Wenn man sich schon wieder nicht an den Neujahrsvorsatz gehalten hat, früher ins Bett zu gehen…
„Müde durch andauernd zu spätes Zubettegehn.“ (7. 1. 1940)
Wenn man sich am lernfreien Tag so richtig gönnt…
„Bestand morgens auf Nagelkürzung und -Pflege […].“ (28. 2. 1948)
Wenn nach dem Weihnachtsessen Anfang Januar die nächste Klausur ansteht…
„Der Leib ist gebessert, der Nervenstand noch tief.“ (1. 1. 1935)
Fazit: Thomas Mann ist der spirit Schriftsteller aller Jurastudierenden und Referendar:innen. Keinem geht es so dreckig wie ihm, nichts ist so schwer wie seine Arbeit und ständig quälen ihn Blähungen oder nervige Nachbar:innen. Kommt Dir bekannt vor? Uns auch!
Weitere Tagebucheinträge können auf dem X-Account @DailyMann nachgelesen werden. Es lohnt sich, nicht nur zum 150-jährigen Jubiläum.
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