Nur rund ein Prozent aller Gerichtsentscheidungen in Deutschland sind veröffentlicht. Die meisten Urteile können von Bürgerinnen und Bürgern also nicht eingesehen werden. Das ist intransparent und behindert unter anderem auch Forschungsprojekte. Künstliche Intelligenz (KI) soll das jetzt ändern und bei der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen helfen.
Selbst bei den höchsten Gerichten liegt der Anteil der Veröffentlichungen nur bei etwa 30-40 Prozent. Kostenpflichtige Datenbanken wie juris und beck-online enthalten hinter einer Paywall jeweils etwa rund eine Million Entscheidungen. Der Mangel an frei zugänglichen deutschen Gerichtsentscheidungen macht sich nicht nur in der Forschung bemerkbar, sondern beispielsweise auch bei der Nutzung von Sprachmodellen wie ChatGPT. Da diese auf lediglich ca. 70-80.000 freie Entscheidungen zugreifen können, fallen die Ergebnisse bei juristischen Fragestellungen (noch) entsprechen schlecht aus.
OpenJur haftet nicht für fehlerhafte Anonymisierung
Ein Projekt, das das ändern wollte, ist die gemeinnützige Rechtsprechungsdatenbank OpenJur. Seit 15 Jahren werden auf der Seite Gerichtsentscheidungen anonymisiert veröffentlicht – insgesamt rund 600.000. 2023 wurde die Datenbank deswegen verklagt (JURios berichtet). Der Datenbank war bei der Anonymisierung einer Veröffentlichung ein Fehler unterlaufen, wodurch der Name einer der beteiligten Personen einsehbar war. Erst im Mai 2025 wies die Pressekammer des Landgerichts Hamburg die Klage ab (Urt. v. 09.05.2025, Az. 324 O 278/23). OpenJur hafte nicht dafür, dass ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin inklusive des vollständigen Namens eines der Beteiligten auf der Website abrufbar war. Dem Betrieb von OpenJur steht damit kein Haftungsrisiko mehr entgegen.
KI-Pilotprojekt in Hessen und Baden-Württemberg
Bisher erfolgte die Anonymisierung von Gerichtsurteilen von Hand durch das Streichen der persönlichen Daten. Dieser Prozess ist – wie OpenJur zeigt – fehleranfällig. Daran soll sich jetzt etwas ändern – mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Baden-Württemberg und Hessen haben gemeinsam ein Pilotprojekt hierfür entwickelt. Das Tool “JANO” (“Justiz Anonymisierung”) soll bei der automatischen Anonymisierung helfen. Die KI-Software wird an Gerichten in Mannheim, Hanau, Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt getestet.
„Ich bin sehr zuversichtlich, dass KI die richterliche Arbeitswelt unterstützen kann. Das hier entwickelte Projekt JANO ist ein positives hessisches Beispiel dafür. Es sollte uns gelingen, dieses wie auch weitere LegalTech-Anwendungen schnell der gerichtlichen Praxis zur
Verfügung zu stellen“, erklärt der Präsident des LG Hanau, Frank Richter.
Auch für Bürgerinnen und Bürger kann der kostenlose Abruf von Gerichtsentscheidungen nützlich sein – alleine schon, wenn man sich über die geltende Rechtslage informieren will.