Im Zuge steigender Zahlen häuslicher Gewalt fordern Politiker:innen und Opferorganisationen ein neues Instrument: die elektronische Fußfessel für Täter:innen von häuslicher oder Partnerschaftsgewalt. Zwischen Rolle von Bund und Ländern sowie dem laufenden Gesetzgebungsverfahren bleibt die rechtliche Lage spannend.
Auf Bundesebene hat das Kabinett Anfang 2025 eine Änderung des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) vorgeschlagen, die den Einsatz von elektronischen Fußfesseln (elektronische Aufenthaltsüberwachung) ermöglicht. Die Anordnung soll zunächst auf drei Monate begrenzt sein, mit Verlängerungsmöglichkeit bei fortgesetzter Gefährdung. Der Bundesrat hat den Vorschlag unterstützt und auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, Kontaktsperren besser durchzusetzen, auch bundesweit.
Rechtsgrundlagen und gesetzgeberische Ausgangslage
Bislang gibt es im Bundesrecht keine ausdrückliche Grundlage, die den präventiven Einsatz elektronischer Fußfesseln bei (drohender) häuslicher Gewalt außerhalb des Strafvollzugs erlaubt. Die §§ 56c–f StGB und § 68b StGB betreffen den Einsatz elektronischer Aufenthaltsüberwachung im Rahmen der Bewährung oder Führungsaufsicht. Diese greifen erst nach rechtskräftiger Verurteilung ein.
Der aktuelle Reformvorschlag sieht eine Ergänzung des GewSchG um eine spezielle Eingriffsbefugnis vor. Diese soll es ermöglichen, dass bei einer akuten Gefährdungslage eine elektronische Überwachung des mutmaßlichen Täters erfolgt, auch ohne Verurteilung.
Verfassungsrechtliche Anforderungen
Die elektronische Aufenthaltsüberwachung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) und in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar.
Bei GPS-Tracking besteht zudem ein permanenter Überwachungsdruck („Chilling Effect“), der den Charakter eines präventiven Freiheitsentzugs annimmt. Der Chilling-Effekt beschreibt hierbei die abschreckende Wirkung staatlicher Maßnahmen, bei der Bürger:innen aus Angst vor Überwachung oder Sanktionen auf die Ausübung ihrer Grundrechte verzichten. Er ist besonders relevant bei der Einschränkung von Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Zudem muss die Maßnahme geeignet sein, um den Schutz des potenziellen Opfers sicherzustellen, sowie erforderlich, d.h. kein milderes Mittel darf gleich effektiv sein (z. B. Aufenthaltsverbot) und angemessen, d.h. der Schutz des Opfers muss die Schwere des Grundrechtseingriffs überwiegen. Hierbei muss insbesondere berücksichtigt werden, ob eine akute Gefahr für Leib und Leben besteht, und wie konkret diese Gefahr ist. Die Maßnahme darf kein „Generalverdacht“-Instrument werden.
Fußfessel im präventiv-polizeilichen Kontext
Einige Bundesländer, wie Bayern mit Art. 32a POG, verfügen bereits über Befugnisse für den präventiven Einsatz der Fußfessel. Niedersachsen plant die Einführung eines solchen Instruments über das NPOG (Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz).
Dabei wird die Maßnahme als präventive Gefahrenabwehr eingestuft. Sie setzt eine konkrete Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut (z. B. Leben, körperliche Unversehrtheit) und eine richterliche Anordnung, vgl. Art. 104 GG voraus.
Der präventive Einsatz elektronischer Fußfesseln stellt hingegen eine Erweiterung der polizeirechtlichen Eingriffsbefugnisse dar, die an klassische Freiheitsbeschränkungen grenzt. Kritisch ist dabei insbesondere, dass eine Verschiebung des Eingriffsniveaus ohne strafrechtliche Verurteilung, sowie das potenzielle Missbrauchsrisiko bei unklarer Gefahrenprognose entstehen kann. Eine weitere Gefahr besteht in der potenziellen Aushöhlung des Gewaltenteilungsprinzips, wenn die Polizei faktisch strafähnliche Sanktionen verhängt. Die Maßnahme sollte daher stets auf eine bestimmte Dauer begrenzt, regelmäßig auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft und durch einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz abgesichert sein.
Allerdings wird die elektronische Fußfessel von Bund, Ländern und Opfervertretungen zunehmend als notwendiges Mittel zum verbesserten Opferschutz angesehen. Insbesondere kann die elektronische Fußfessel eine von mehreren Maßnahmen sein, die die Anzahl an Femiziden verringert. Heute wird jeden zweiten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Expartner getötet. Oft geht dem eine Spirale der eskalierenden Gewalt voraus. Kontakt- und Annäherungsverbote werden ignoriert; hier kann die elektronische Fußfessel helfen. Als alleinige Maßnahme wird aber auch die elektronische Fußfessel nicht ausreichen.