Examensrelevant für das Zweite Examen: Im Jurastudium lernt man, dass “unverzüglich” bedeutet, dass “ohne schuldhaftes Zögern” gehandelt werden muss. Dass ein Ablehnungsantrag durch einen Staatsanwalt auch noch zwei Tage nach der Hauptverhandlung “unverzüglich” sein kann, entschied jetzt der BGH.
In dem Strafprozess vor dem Landgericht München I hatten sich zwei Männer verantworten müssen, die ein Hells-Angels-Mitglied verprügelt hatte. Das Gericht verurteilte die Männer wegen gemeinschaftlicher, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu Freiheitsstrafen auf Bewährung.
Am ersten Tag der Hauptverhandlung regten die Verteidiger der Angeklagten im Rahmen einer Verständigung (§ 275c StPO) die Verhängung bewährungsfähiger Strafen im Falle geständiger Einlassungen an. Dies lehnte sowohl der Vertreter der Staatsanwaltschaft als auch das Gericht unter Verweis auf die nicht ausreichend hohe „Verurteilungswahrscheinlichkeit“ und die zugleich weit auseinanderliegenden Straferwartungen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung ab. Trotz unveränderter Beweislage kündigte die Strafkammer am zweiten Tag der Hauptverhandlung jedoch einen Verständigungsvorschlag an, dem die Staatsanwaltschaft jedoch nicht zustimmte.
Behördeninterne Richtlinien dürfen eingehalten werden
In diesem Vorgehen sah der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Besorgnis der Befangenheit. Sein Ablehnungsgesuch reichte er aber erst eineinhalb Tage später ein. Zur Begründung führte er an, er habe sich an eine interne Behördenrichtlinie halten müssen, wonach er sich erst mit seinem Vorgesetzten besprechen müsse, der aber so schnell nicht erreichbar gewesen sei. Aufgrund eines Großverfahrens habe er erst am Abend des Tages nach der Hauptverhandlung den Befangenheitsantrag stellen können. Aus Sicht des Landgerichts war das Ablehnungsgesuch damit nicht mehr “unverzüglich” i.S.d. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO.
Der BGH trat dem jetzt jedoch entgegen und bejahte den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO, weil das LG das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen habe. Zwar seien während der laufenden Hauptverhandlung eintretende Befangenheitsgründe “unverzüglich” geltend zu machen. Jedoch bedeute dies nicht “sofort”, sondern “ohne schuldhaftes Zögern”. Im Ergebnis sei damit “auch dem Staatsanwalt […] eine angemessene Zeitspanne zur Überlegung, Einhaltung behördeninterner Verfahrensabläufe und Abfassung der Ablehnungsgründe zuzubilligen.”
Entscheidung: BGH, Urt. v. 09.04.2025, Az. 1 StR 371/24