Wenn die Quelle fehlt: Reaction-Videos vor Gericht

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Reaction-Videos gehören zum Alltag auf Plattformen wie YouTube, Twitch und Co. Ein Content Creator schaut ein Video eines anderen und teilt seine Reaktionen mit dem Publikum. Was vielen der Unterhaltung dient, kann juristisch jedoch schnell ungemütlich werden. Das Landgericht Frankenthal musste sich damit auseinandersetzen, welche konkreten Anforderungen an Quellenangaben bei eben solchen Videos zu stellen sind.

Ein YouTuber veröffentlichte mehrere Kritikvideos, in denen er Sequenzen aus den Beiträgen eines anderen Creators verwendete. Zunächst gab es jedoch keine Quellenangaben. Erst nachdem eine anwaltliche Abmahnung ins Haus flatterte, ergänzte der Beklagte entsprechende Angaben in der Videobeschreibung. Zu spät, fand das LG Frankenthal: Die fehlende Quellenangabe begründet eine Urheberrechtsverletzung. Das Landgericht stellte einen Unterlassungsanspruch des Klägers fest und verurteilte den Beklagten zur Erstattung der vorgerichtlich durch die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten. Die nachträglich gemachten Quellenangaben würden eine Wiederholungsgefahr nicht ausräumen.

§ 63 UrhG ist kein Deko-Paragraph

Dass die im gegenständlichen Fall vom Beklagten verwendeten Videosequenzen des Klägers urheberrechtlichen Schutz genießen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 95 UrhG), war zwischen den Parteien unstreitig. Interessant ist vor allem, dass der Kläger die Auffassung vertrat, die nachträglich gemachten Quellenangaben seien nicht bloß verspätet ergänzt worden, sondern von vornherein unzureichend gewesen.

Will man prüfen, ob ein Zitat zulässig ist, so denkt man meist bloß an § 51 UrhG. Dass § 63 UrhG, der die Quellenangabe beim Zitat unabdingbar macht, keinesfalls nur eine reine Formsache ist und höchste Praxisrelevanz besitzt, macht das Urteil des LG Frankenthal noch einmal deutlich. Wer Inhalte zitiert, muss die Quelle deutlich angeben.

Die Quellenangabe muss so platziert werden, dass diese ohne Weiteres auffällt. Den Einwand des Klägers, die nachträglich ergänzten Angaben seien weiterhin nicht ausreichend, lehnte das Gericht ab. Eine Quellenangabe in der Videobeschreibung eines YouTube-Videos sei „branchenüblich“ und damit ausreichend.

Nachträgliche Heilung? Fehlanzeige!

Im Ergebnis nützte dies dem Beklagten aber nichts. Auch wenn die von ihm nachträglich ergänzten Angaben ausreichend waren: Ein erstmaliger Verstoß gegen das Urheberrecht rechtfertigt eine Wiederholungsgefahr (vgl. hierzu auch BGHZ 181, 77 = BGH openJur 2011, 1855). Diese kann nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung beseitigt werden, welche der Beklagte jedoch nicht abgegeben hatte.

Und im Übrigen?

Der Beklagte ließ über seine Prozessbevollmächtigten auch verlautbaren, dass er der Ansicht sei, die Abmahnung des Klägers sei rechtsmissbräuchlich ergangen und nur dazu gedacht gewesen, ihm wirtschaftlich zu schaden. Dem erteilte das Gericht jedoch eine Abfuhr; selbst bei einer Vielzahl von Abmahnungen ist allein der Umstand, dass der Kläger seine Rechte durchsetzt, kein Anhaltspunkt für eine unzulässige Geltendmachung.

Aus kostenrechtlicher Sicht mag das Urteil ebenso der ein oder andere Praktiker interessant finden. Dass der Beklagte die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die durch die Abmahnung entstanden sind, zu ersetzen hatte, ist wenig verwunderlich. Das Gericht folgte jedoch dem Klageantrag nicht völlig, sondern legte der Entscheidung einen niedrigen Streitwert zugrunde (5.000 EUR pro Video des Beklagten), sodass im Ergebnis auch die Rechtsanwaltsgebühren des Klägervertreters bei Berechnung nach dem VV RVG geringer ausfielen.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des LG Frankenthal steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung zur Anwendung des Zitatrechts in der digitalen Welt. Es wirft keine neuen Problemstellungen auf, sondern stellt vielmehr übersichtlich dar, welche konkreten Anforderungen an eine zulässige Quellenangabe zu richten sind. Die Berücksichtigung der technischen Gegebenheiten der Plattform YouTube ist praxisnah, weshalb das Urteil für alle Akteure einen Leitfaden zur Einhaltung der Formpflichten darstellt.

Insbesondere macht das Urteil deutlich, dass § 63 UrhG nicht bloß eine unbedeutende Nebennorm des Zitatrechts ist. Nur weil die Nutzung eines Werks als Zitat zulässig ist, etwa zur inhaltlichen kritischen Auseinandersetzung, liegt noch lange kein Freifahrtschein vor. Es handelt sich um eine bedeutsame Schranke für die Berufung auf § 51 UrhG, auch wenn der Norm in der Praxis teils zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Erhebliche praktische Relevanz entsteht für Content Creator und sonstige Personen, die auf Plattformen wie YouTube und Twitch mit Inhalten Dritter arbeiten bzw. Reaction-Videos oder -Streams erstellen. Denn auch wenn es manchmal den Anschein erwecken mag, Reaction-Content ist selbstverständlich nicht vom Urheberrecht ausgenommen.

Dass das Gericht davon ausgegangen ist, dass eine Quellenangabe in der Videobeschreibung eines YouTube-Videos ausreicht, ist gerade für Betroffene höchst interessant. Auch wenn eine Branchenüblichkeit in vorliegendem Fall bejaht worden ist, gilt es doch Vorsicht walten zu lassen und im Zweifel lieber auch eine Nennung im Video selbst vorzunehmen. Gerade bei Streams sowie auf Plattformen ohne einheitliche und leicht erkennbare Beschreibungselemente ist eine Quellenangabe im Videoinhalt selbst regelmäßig anzuraten (zu Ort und Deutlichkeit der Quellenangabe vgl. ferner Dreier/Schulze/Dreier, 8. Aufl. 2025, UrhG § 63 Rn. 13 f.).

Fazit: Form schlägt Content

Das LG Frankenthal hat in klaren Worten betont, dass es bei der Prüfung, ob ein Zitat zulässig ist, auch ganz wesentlich auf die Form und Platzierung der Quellenangabe ankommt. Selbst wenn die inhaltliche Nutzung erlaubt wäre – fehlt die Quellenangabe, ist die Party vorbei. Wer fremde Inhalte nutzt, sollte nicht nur kreativ, sondern auch juristisch sorgfältig arbeiten. Die Entscheidung liefert für Content Creator und im Bereich des Urheber- und Medienrechts tätige Juristinnen und Juristen einen praxisnahen Leitfaden zur rechtssicheren Verwendung fremder Inhalte bei Reaction-Videos.


Entscheidung: LG Frankenthal (Pfalz), Urt. v. 29.04.2025, Az. 6 O 269/24

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Dean A. Blohm
Dean A. Blohm
Ist Unternehmensjurist in Hamburg.

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