Jura ist bekanntlich ein sehr deutsches Studium. Aber: Wer sagt eigentlich, dass man seine juristische Ausbildung ausschließlich im Heimatland verbringen muss? Auslandsaufenthalte können Dir nicht nur spannende Erfahrungen und bleibende Erinnerungen bescheren, sondern auch ein echter Gamechanger für Deine persönliche und berufliche Entwicklung sein.
Warum sich Auslandserfahrung wirklich lohnt
Ein Auslandsaufenthalt ist kein verlängerter Urlaub – auch wenn sich manche Summer School so anfühlt. Wer während des Studiums Zeit im Ausland verbringt, kann dort verschiedene Soft Skills erlernen und wertvolles Career Capital gewinnen. Fern vom eigenen Herkunftsland zu wohnen, erfordert ein hohes Maß an Selbstständigkeit, Organisations- und Koordinationstalent. Nicht jede:r findet sich so leicht auf dem Wohnungsmarkt eines anderen Landes zurecht oder schafft es, Freundschaften zu knüpfen und bürokratische Hürden zu meistern. Der Schritt hinaus aus der Komfortzone stärkt daneben das Selbstbewusstsein.
Gehst Du ins fremdsprachige Ausland, erwirbst Du daneben noch Kenntnisse in einer neuen Sprache oder vertiefst bestehende. In heutigen Zeiten sind viele attraktive Arbeitgeber:innen international aufgestellt – ohne eine zweite Sprache ist die juristische Arbeit nicht mehr so leicht wie früher. Und die lernt man durch tägliche Exposition deutlich besser als in einem „Englisch/Deutsch/Spanisch für Jurist:innen“-Kurs, bei dem man vielleicht einmal pro Woche auftaucht, um am Ende einen teilweise wenig aussagekräftigen Sprachschein zu erwerben.
Wenn Du die Chance hast, in das Rechtssystem eines anderen Landes einzutauchen, eröffnen sich Dir ganz neue Perspektiven. Du wirst Unterschiede zum deutschen System feststellen, die Dir unter Umständen ein ganz anderes Verständnis des bisher Gelernten erlauben. Dieser Blick über den Tellerrand hinaus kann Dir zu deutlich flexibleren Gedankengängen verhelfen und lässt Dich möglicherweise kreativere Argumente finden, wenn Du in der nächsten Klausur vor einem unbekannten Problem sitzt.
Für den Berufseinstieg hat ein Auslandsaufenthalt außerdem den Vorteil, dass Du Dein persönliches und professionelles Netzwerk gezielt grenzüberschreitend erweitern kannst. Warum Du schon als Studi netzwerken solltest, liest Du übrigens hier. Daneben kann Dir eine Station im Ausland auch dabei helfen, Dich in einem Gebiet Deiner Wahl zu spezialisieren. In jedem Fall tust Du etwas für Deine Sichtbarkeit, denn Bewerbungen mit Auslandsstationen fallen positiv auf!
Mehr als nur Tapetenwechsel: Persönliches Wachstum durch internationale Perspektiven
Neben diesen Vorteilen fürs spätere Bewerbungsverfahren bringt ein Auslandsaufenthalt Dich aber auch persönlich weiter. Ein Leben außerhalb der eigenen Bubble eröffnet neue Sichtweisen – nicht nur auf Jura, sondern auf das ganze Leben. Ob kulturelle Events, internationale Freundschaften, neue Hobbys oder einfach die Erkenntnis, dass Du in einem fremden Land allein klarkommst – diese Erfahrungen sind unbezahlbar.
Und Geschichten für die nächste WG-Party gibt es gratis on top: Vom Clubbesuch mit der Professorin über Small-Talk mit einem Bundesrichter bis zur unerwarteten Romanze kann viel passieren!
Wie Du ins Ausland kommst
Viele Unis bieten neben den üblichen Seminaren vor Ort auch Austauschseminare an, die in Kooperation mit anderen Unis im Ausland stattfinden. Meist verbringt man dabei einige Tage mit den Studis der Partneruni, besucht spezielle Vorlesungen und erarbeitet einen gemeinsamen Vortrag, ein Paper oder ähnliches. Umrahmt wird das Ganze von einem offiziellen Kulturprogramm, aber der beste Teil kommt natürlich „nach Feierabend“. Das Ganze hat oft Klassenfahrt-Vibes – mit dem Vorteil, dass Du mittlerweile erwachsen bist und nicht 22 Uhr Nachtruhe ist. Der Vorteil: diese Seminare finden auf Kosten der Uni statt und Du bekommst meist noch einen Seminar- oder Sprachschein dafür.
Bietet Deine Uni solche Seminare nicht an, kannst Du die vorlesungsfreie Zeit trotzdem nutzen, um vergleichbare Erfahrungen zu sammeln – und zwar bei Summer Schools. Das sind meist einwöchige Veranstaltungen, die von Unis zu bestimmten Fachbereichen angeboten werden, bei denen Du mit Gleichgesinnten mehr zu Deinen Lieblingsthemen lernen kannst. Summer Schools musst Du in der Regel aus der eigenen Tasche bezahlen, aber teilweise gibt es auch spezielle Stipendien, auf die Du Dich bewerben kannst.
Ob NGO, Kanzlei oder internationale Organisation – wenn Dir ein paar Tage nicht ausreichen, kannst Du auch ein Praktikum im Ausland absolvieren. Beim Auswärtigen Amt sind die Plätze recht rar, aber wer sich initiativ bei spannenden Stellen im Ausland bewirbt, hat mitunter mehr Glück. Welche Anforderungen eine Praktikumsstelle im Ausland erfüllen muss, kannst Du bei Deiner Uni in Erfahrung bringen – in den meisten Fällen reicht es allerdings, wenn Du unter der Supervision einer:eines Volljurist:in arbeitest. Und von denen gibt es auch im Ausland deutlich mehr, als man denkt.
Wenn auch das noch nicht genug Zeit im Ausland für Dich ist, dann könnte ein Auslandssemester etwas für Dich sein. Hierfür studierst Du an einer ausländischen Uni und lebst einige Monate im entsprechenden Land. Dank Erasmus, Auslands-BaföG und Co. gibt es mittlerweile sehr viele Möglichkeiten, derlei Pläne in die Realität umzusetzen und ich kann es nur jeder:jedem empfehlen! Viele Studis machen sich zwar Sorgen, weil im Ausland absolvierte Vorlesungen meist höchstens im Schwerpunktbereich angerechnet werden und sich das Studium deshalb verlängert. Dafür macht man allerdings Erfahrungen, die einem im Leben niemand mehr nehmen kann! Und mal ehrlich: Wen interessiert es in fünf Jahren, ob Dein Studium ein Semester kürzer oder länger war?
Eine Reihe von Vor- und Nachteilen eines Auslandssemesters sowie die wichtigsten To-Dos in der Vorbereitungszeit findest Du übrigens hier.
Natürlich gibt es auch nach dem Studium noch die Chance, ins Ausland zu gehen. Sei es die Wahlstation im Ref oder ein LL.M.-Studiengang: Möglichkeiten gibt es viele. Ein Auslandsaufenthalt ist keine Zeitverschwendung – sondern eine Investition in Deine Zukunft. Egal ob Seminar, Praktikum oder LL.M.: Du wirst nicht nur bessere Sprachkenntnisse und neue fachliche Einblicke mitbringen, sondern auch persönliches Wachstum erleben, das keine Vorlesung der Welt ersetzen kann.


