Ruby’s Law: Großbritannien will Haustiere vor häuslicher Gewalt schützen

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Eine britische Anwältin kämpft für eine Gesetzesänderung, die Haustiere erstmals ausdrücklich in den Schutz vor häuslicher Gewalt einbezieht. Ihr Ziel: Niemand soll mehr zwischen der eigenen Sicherheit und dem Leben seines Tieres wählen müssen. Der Name der Kampagne „Ruby’s Law“ – der Namen der geliebten Katze der Juristin.

Das britische Familienrecht schützt bislang in erster Linie Menschen – und lässt dabei eine wichtige Gruppe völlig außen vor: Haustiere. Zwar bietet der Family Law Act 1996 Opfern häuslicher Gewalt durch sogenannte Non-Molestation Orders und Occupation Orders Schutz. Doch die Tiere, die in vielen Haushalten ein zentrales emotionales Band darstellen, bleiben rechtlich unberücksichtigt. Wird ein Haustier bedroht, verletzt oder als Druckmittel eingesetzt, gibt es kaum rechtliche Handhabe.

In 90 % der Haushalte, in denen es zu häuslicher Gewalt kommt, werden auch Tiere misshandelt

Ein blinder Fleck im Familienrecht

Die preisgekrönte britische Familienrechtlerin Christina Warner will das ändern. Mit ihrer Initiative Ruby’s Law kämpft sie für eine Reform des Familien- und Gewaltschutzrechts in England und Wales. Konkret soll der Family Law Act 1996 ebenso wie der Domestic Abuse Act 2021 so angepasst werden, dass Haustiere ausdrücklich in Schutzanordnungen einbezogen werden können. Der Name des Gesetzesvorschlags geht auf Warners verstorbene Katze Ruby zurück – und steht symbolisch für all jene Tiere, die in Situationen häuslicher Gewalt leiden müssen.

„Haustiere sind ebenfalls Opfer häuslicher Gewalt – sie verdienen Schutz. Und es ist an der Zeit, dass das Gesetz das anerkennt“, erklärt Warner. Ihr Engagement ist nicht nur juristisch fundiert, sondern zutiefst persönlich. Als erfahrene Familienrechtlerin hat sie unzählige Fälle begleitet, in denen Tiere als Werkzeuge der Kontrolle und Einschüchterung missbraucht wurden.

In 12 % der Haushalte mit häuslicher Gewalt wird das Haustier getötet.

Wenn Tiere als Druckmittel missbraucht werden

Die Geschichten, die Warner im Laufe ihrer Karriere gehört hat, sind erschütternd. Viele Betroffene berichten, dass sie in gefährlichen Beziehungen geblieben sind, weil sie keine Unterkunft fanden, in der ihr Tier willkommen war. Andere mussten ihr Tier zurücklassen – und erfuhren später, dass es verletzt oder getötet wurde. Eine Frau berichtete, ihr Partner habe Bleichmittel in das Aquarium gegossen, weil sie zu spät nach Hause gekommen war. Eine andere schilderte, ihr Hund sei nach einem Spaziergang brutal geschlagen worden.

Diese Fälle sind keine Einzelfälle. „Das sind keine Ausnahmen – das ist traurige Realität“, betont Warner. Studien zeigen, dass Täter gezielt Haustiere missbrauchen, um Opfer emotional zu kontrollieren oder zu bestrafen. Die Drohung, einem geliebten Tier etwas anzutun, kann Menschen davon abhalten, Hilfe zu suchen oder die Beziehung zu beenden.

Die bestehenden Gesetze greifen hier zu kurz: Zwar erlaubt der Animal Welfare Act 2006 die Strafverfolgung bei Tierquälerei, doch er erfasst keine Drohungen, emotionale Erpressung oder den Entzug von Tierpflege als Teil eines Missbrauchsmusters. Das Resultat: eine rechtliche Grauzone, die sowohl Tiere als auch Menschen schutzlos lässt.

Ruby’s Law soll genau diese Lücke schließen. Sie sieht drei zentrale Änderungen vor: Erstens sollen Haustiere in Non-Molestation Orders und Occupation Orders aufgenommen werden, sodass Täter gerichtlich verpflichtet werden können, von ihnen fernzubleiben. Zweitens sollen Regelungen zur Tierobhut geschaffen werden, um Streitigkeiten über die „Haustiersorge“ zu vermeiden. Drittens soll die Definition von „coercive control“ im Domestic Abuse Act erweitert werden, um auch Misshandlungen und Drohungen gegenüber Tieren einzubeziehen.

Schutz für die ganze Familie

Kritiker befürchten, dass die Ausweitung des Gewaltschutzes auf Tiere vom eigentlichen Ziel – dem Schutz von Menschen – ablenken könnte. Doch Warner widerspricht entschieden: „Den Schutz von Tieren zu stärken, heißt, den Schutz von Menschen zu stärken.“ Wer sein Haustier nicht in Sicherheit weiß, wird seltener Hilfe suchen. Kinder, die Zeugen von Tiermisshandlungen werden, entwickeln häufig schwere Traumata oder posttraumatische Belastungsstörungen.

Internationale Beispiele zeigen, dass ein solcher Ansatz funktioniert. In den USA finanziert der PAWS Act den Ausbau tierfreundlicher Frauenhäuser. In Kanada sind Haustiere bereits in Schutzanordnungen integriert, und in Schottland gelten Drohungen gegen Tiere als Teil von „coercive control“. England und Wales hingegen behandeln Haustiere bislang rechtlich als Eigentum – ein Konzept, das in Fällen häuslicher Gewalt kaum greift.

Ruby’s Law soll das ändern und die Realität vieler Betroffener widerspiegeln. „Haustiere sind kein Besitzgegenstand, sondern fühlende Wesen, die in Missbrauchsdynamiken eine zentrale Rolle spielen“, so Warner. Von der Reform würden besonders vulnerable Gruppen profitieren: ältere Menschen, die allein mit ihrem Tier leben, LGBTQ+-Personen, deren Haustiere Teil ihrer gewählten Familie sind, oder Veteranen, die auf Therapiehunde angewiesen sind. Auch Kinder, die in gewalttätigen Haushalten aufwachsen, und obdachlose Menschen mit Tieren gehören zu den Gruppen, die von einem umfassenden Schutz profitieren würden.

Ruby’s Law könnte somit Leben retten – indem es Betroffenen ermöglicht, sich und ihre Tiere gemeinsam in Sicherheit zu bringen.

Britisches Parlament diskutiert im Oktober

Die Initiative stößt bereits auf breiten Zuspruch. Zahlreiche Tierschutzorganisationen und Abgeordneten haben ihre Unterstützung zugesagt. Am 21. Oktober soll das Thema in einer Sitzung der All-Party Parliamentary Group (Dog Advisory Welfare Group) im britischen Parlament offiziell diskutiert werden – ein wichtiger Schritt in Richtung Gesetzesänderung.

Auch Tierärzte und Tierheime sollen künftig stärker eingebunden werden. Sie sind oft die ersten, die Anzeichen häuslicher Gewalt erkennen, wenn etwa ein Tier wiederholt mit Verletzungen vorgestellt wird. Bislang fehlen jedoch klare rechtliche Grundlagen, um solche Beobachtungen zu melden oder Betroffenen aktiv zu helfen. Ruby’s Law würde hier für mehr Rechtssicherheit sorgen und die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgung, Tierärzten und Opferschutzeinrichtungen verbessern.

Für Warner ist Ruby’s Law mehr als nur ein Gesetzesvorschlag – es ist ein moralisches Statement. „Niemand sollte sich zwischen seiner eigenen Sicherheit und dem Leben seines Tieres entscheiden müssen.“ Ihre Katze Ruby steht dabei symbolisch für unzählige Tiere, die in den Schatten häuslicher Gewalt geraten – und für die Menschen, die sie lieben.

Wenn das Gesetz verabschiedet wird, könnte es nicht nur das Familienrecht modernisieren, sondern auch das Bewusstsein für eine bislang übersehene Form von Gewalt schärfen. Großbritannien würde damit ein klares Zeichen setzen: Häusliche Gewalt endet nicht an der Tür zum Tierkorb – sie betrifft die ganze Familie. Ruby’s Law gibt ihr endlich eine Stimme.

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