Das Erste Staatsexamen ist geschafft! Doch möchte man die Befähigung zum Richteramt erlangen, steht noch das Rechtsreferendariat an – für viele Studierende ein Dschungel voller Fragezeichen. Wenn der Start in den juristischen Vorbereitungsdienst bevorsteht, bleibt vieles unklar: Was ändert sich im Vergleich zum Studium? Wie nutzt man eine mögliche Wartezeit? Was erwartet einen in den Stationen?
Der „Survival Guide Rechtsreferendariat“, herausgegeben von Dr. Jannina Schäffer, erschienen im Oktober im UTB-Verlag, tritt an, um genau diese Fragen zu klären. Er positioniert sich als ein Lebensretter für den zweijährigen Vorbereitungsdienst.
Zunächst fällt auf, dass zahlreiche Volljuristinnen und Volljuristen jeweils kurze bis mittellange Einzelbeiträge verfasst haben, die alle zusammen das Gesamtwerk, den „Survival Guide“ mit insgesamt 234 Seiten, ergeben. Es handelt sich damit nicht um die Abbildung einer bloß einzelnen Erfahrung. Der Guide teilt sich in drei Teile auf, die den Ablauf des juristischen Vorbereitungsdienstes nachzeichnen:
Von der Bewerbung bis zum Berufseinstieg
Der erste Teil (A) holt die Leserinnen und Leser genau dort ab, wo die meisten Unsicherheiten herrschen: unmittelbar nach dem Ersten Juristischen Staatsexamen. Er klärt über die Unterschiede zum Jurastudium auf und bietet in einem der wichtigsten Beiträge eine detaillierte Gegenüberstellung der 16 Bundesländer als mögliche Ausbildungsorte. Hier finden sich konkrete Bewerbungsfristen und Wartezeiten, eine Übersicht zur Klausuranzahl und Angaben zur Höhe der Unterhaltsbeihilfe in den einzelnen Ländern. Neben Tipps zum Umgang mit Formularen und Dienstanweisungen vermittelt der erste Teil des Guides hilfreiche Kernkompetenzen für den anstehenden neuen Alltag: Wie lerne ich im Referendariat? Wie gehe ich mit der neuen Belastung im Referendariat um? Und wie meistere ich das Referendariat mit Kind?
Weiter greift der Guide schon früh inhaltliche Aspekte auf: Haben sich die Referendarinnen und Referendare jahrelang an den Gutachtenstil gewöhnt, wird ausführlich der neue Urteilsstil vorgestellt. Auch Tipps zu den neuen Hilfsmitteln – den Kommentaren – bleiben nicht außen vor: So profitieren die Leserinnen und Leser von einem umfangreichen Repertoire an „Hacks“ für die Nutzung der Kommentare in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung.
Durch die Stationen – Zivilgericht, Sitzungsdienst, Anwaltsklausur
Der zweite Teil (B) führt chronologisch durch die einzelnen Stationen des Referendariats. Dieser Abschnitt versteht sich als praktischer Leitfaden für die verschiedenen Ausbildungsabschnitte und die dort lauernden Herausforderungen – von der ersten Akte bis zur jeweiligen Klausurform im Zweiten Staatsexamen. Den Anfang macht die Zivilstation, wobei ein eigener Beitrag die Vorbereitung auf die Urteilsklausur vertieft. Hier wird der Aufbau einer Urteilsklausur von Grund auf erläutert. Im Gegensatz zum Ersten Staatsexamen begegnet den Referendarinnen und Referendaren erstmal kein abschließender Sachverhalt, dieser ist selbst aufzubereiten. Der Beitrag gibt hier Hilfestellungen.
Es folgen Beiträge zur Strafstation, die sich intensiv mit dem oft gefürchteten staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdient sowie die Tücken der prozessualen Einkleidung von Anklage- und Revisionsklausuren befassen. Wie man in der Verwaltungsstation einen Bescheid schreibt inklusive Aufbauhilfe, zeigt ein intensiver Beitrag zur Behördenklausur.
Für die längste Station – die Anwaltssation – werden Einblicke in verschiedene Kanzleitypen gegeben und die Besonderheiten der anwaltlichen Aufgabenstellung in der Klausur beleuchtet. Zudem enthält der Beitrag eine Übersicht über das sog. „zusätzliche Stationsentgelt“ im Rahmen der Anwaltsstation. Und wer nach den Prüfungen etwas „juristischen Urlaub“ machen möchte, kann in einem Beitrag zur Wahlstation herausfinden, wie sich ein Referendariat im Ausland realisieren lässt.
Nach der mündlichen Prüfung: Berufseinstieg
Der dritte und letzte Abschnitt (C) blickt auf die Zeit nach den schriftlichen Klausuren und den anschließenden Berufseinstieg. Mit dem Bestehen der schriftlichen Klausuren wird man in der Regel zur mündlichen Prüfung geladen. Ein umfangreicher Beitrag widmet sich der strategischen Vorbereitung auf die Mündliche und den Aktenvortrag. Der Guide scheut sich auch nicht vor dem Szenario des Scheiterns zurück und bietet einen Beitrag zur Vorbereitung auf den Wiederholungsversuch.
Ein wesentlicher Fokus liegt auf der Karriereplanung. Zwar führt für viele künftige Assesorinnen und Assesoren der Weg unmittelbar zur Anwaltschaft oder zur Justiz. Doch wer nach dem Ersten Examen zu erschöpft für eine Promotion war, kann eine solche auch nach der Zweiten Staatsexamen erwägen. Ein ausführliches „Streitgespräch“ beleuchtet das Für und Wider einer Promotion.
Besonders praxisnah und für nahezu alle Referendarinnen und Referendare relevant sind Tipps zum juristischen Lebenslauf aus der Feder einer Recruiterin sowie der Überblick über realistische Einstiegsgehälter. Zudem werden auch weniger klassische Karrierewege vorgestellt: Unternehmen, Social-Media-Karrieren als Lawfluencerin oder Lawfluencer, Journalismus oder Sport. Der Guide zeigt damit auf, dass das zweite Staatsexamen verschiedene berufliche Optionen eröffnet und die Auswahl breit ist.
Fazit: Wissenssammlung oder echter Lebensretter?
Der „Survival Guide“ ist keine reine Wissenssammlung, sondern verfolgt den Ansatz eines Mentors, der die Leserinnen und Leser an die Hand nimmt und über das gesamte Referendariat sowie darüber hinausbegleitet. Der Ton ist durchweg zugänglich, auf Augenhöhe und humorvoll, ohne dabei unseriös zu wirken. Beiträge wie „Zehn Dinge, die ich gerne vor dem Start gewusst hätte“ oder „Entspannt zu einem erfolgreichen Examen“ sprechen direkt die typischen Sorgen und Unsicherheiten an.
Dass die einzelnen Beiträge von verschiedenen Autorinnen und Autoren aus Justiz, Verwaltung und Anwaltschaft verfasst sind, führt keinesfalls Stilbruch. Vielmehr zieht sich durch alle Beiträge eine konsistente Kernbotschaft: Vorbereitung, Struktur und Durchhaltevermögen sind entscheidend für ein erfolgreiches Referendariat.
Damit lässt sich festhalten: Der Survival Guide ist der ideale Einstiegspunkt nach dem Ersten Examen und hilft, die Überforderung strukturiert zu bewältigen. Auch wenn der Guide kein Lehrbuch oder Skript ersetzt, so sind die Ausführungen zu den einzelnen Klausurtypen und deren Inhalt als Grundlage für eine Vertiefung besonders hilfreich. Wer eine kompakte Übersicht sucht, die harte Fakten (Bewerbung, Fristen, inhaltlicher Ablauf) mit weichen Faktoren (Lernstrategie, Karriere, Mental Health) verbindet, wird hier definitiv fündig.
Der Autor ist Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Dresden



