Das Abitur in der Tasche! – Welche Bedeutung hat die Abiturnote für ein Jurastudium?

Zunächst einmal kannst du dich – unabhängig von deiner erzielten Endnote – über dein bestandenes Abitur freuen. Glückwunsch dazu! Du hast damit unter Beweis gestellt, dass du grundsätzlich dazu fähig bist, an einer deutschen Hochschule ein Studium aufzunehmen – du bist “hochschulreif”. Wahrscheinlich hast du dich schon während deiner Zeit in der Oberstufe oder auch erst nach dem Abitur für das Jurastudium entschieden. Welche Bedeutung deine konkret erreichte Abiturnote für das Jurastudium und darüber hinaus haben wird, möchte ich dir im folgenden Beitrag erläutern.

Der Abiturnotendurchschnitt – Dein Türöffner!

1. Das Bewerbungsverfahren

In Deutschland kannst du ein Studium der Rechtswissenschaft (Abschluss: Erste Juristische Prüfung[1]) sowohl an öffentlichen als auch an privaten Hochschulen beginnen. Es gibt die verschiedensten Gründe, warum sich die frischgebackenen Abiturientinnen und Abiturienten einen ganz bestimmten Hochschulstandort aussuchen. So werden Jurafakultäten, welche ihren Standort in Ballungsgebieten haben – gedacht sei beispielsweise an Berlin, Köln, Hamburg, München –, oftmals mit Bewerbungen überflutet. Aber auch Unirankings wie z. B. das von LTO-Karriere können ausschlaggebend für die besondere Beliebtheit einer Hochschule und ihrer juristischen Fakultät sein. Der hohe Andrang an Bewerberinnen und Bewerbern trifft in diesen Fällen oftmals auf eine begrenzte Anzahl an Studienplätzen. Mit dem dir sicherlich bekannten Numerus Clausus (NC) wird dann durch die jeweiligen Hochschulen versucht, eine sachgerechte „Grenze“ für Studienplatzzusagen zu ziehen.[2] Hier kommt deiner Abiturnote also das erste Mal eine besondere Bedeutung – eine Türöffnerfunktion – zu. Es gilt: Je besser dein Abiturdurchschnitt ist, desto höher ist die Chance auf eine Studienplatzzusage an deinem Wunschstudienort. Aber keine Sorge: es gibt auch Juristische Fakultäten ohne NC (z.B. Bayreuth, Erlangen-Nürnberg, Frankfurt/Oder, Greifswald, Halle-Wittenberg, Jena, Leipzig, Mainz, Marburg, Osnabrück, Passau, Regensburg, Trier, Würzburg).

Eine andere Situation findest du bei den privaten Hochschulen[3] – sog. Law Schools – vor. Hier stehen die Abiturnoten laut eigener Aussagen der Hochschulen regelmäßig nicht im Vordergrund des Bewerbungsprozesses um einen Studienplatz. Dies wird auf den jeweiligen Websites auch immer wieder hervorgehoben:

„Wir sind der Meinung, zu einem fähigen Juristen gehören mehr als nur gute Schulnoten. Für uns zählt allein Ihre persönliche Eignung. Um diese festzustellen, vertrauen wir auf unser individuelles Auswahlverfahren.” (EBS-Universität für Wirtschaft und Recht, Wiesbaden) [4]

„An der Bucerius Law School sind wir davon überzeugt, dass jeder mit Talent für Jura das Studium bei uns auch erfolgreich abschließen kann. Deswegen steht in unserem Auswahlverfahren die Eignung der Bewerberinnen und Bewerber für das Studienfach Jura im Vordergrund, nicht die Abiturnote.” (Bucerius Law School, Hamburg)[5]

Hier besteht also grundsätzlich die Chance auf einen Studienplatz auch ohne Top-Abiturnote. Der Haken an der Sache könnte jedoch die Finanzierung des Studiums sein. Du wirst an den privaten Hochschulen hohe Semesterbeiträge aufbringen müssen, welche diejenigen an öffentlichen Hochschulen um ein Vielfaches übersteigen.[6]

Studienergebnis: Es besteht ein Zusammenhang zwischen Schulnoten und Examenserfolg!

2. Einfluss der Abiturnote auf deine Studienleistung

In Form einer empirischen Untersuchung[7] unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Bernd-Dieter Meier im Jahr 2002 wurde der Zusammenhang zwischen Schulnoten und Erfolg im Ersten Juristischen Staatsexamen untersucht. Dabei kam man zu den folgenden zwei Ergebnissen:

(1) Das Examensergebnis[8] hängt mit der ungewichteten Durchschnittsgesamtnote im Abiturzeugnis zusammen. Je besser die Durchschnittsnote im Abitur ausfiel, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass das Juraexamen bestanden wurde, und desto höher war auch die im Examen erzielte Durchschnittspunktzahl.[9]

(2) Das Examensergebnis korreliert zudem mit einzelnen in den Oberstufenkursen erzielten Teilleistungen. Diese Korrelation wurde insbesondere im Zusammenhang mit den Fächern Mathematik und der ersten fortgeführten Fremdsprache deutlich, soweit es sich hierbei nicht um Latein handelte. Bei der Wahl für das Fach Latein ließ sich zwischen den Noten in den Oberstufenkursen und dem Erfolg im Jurastudium dagegen kein Zusammenhang nachweisen.[10]

Quelle: Beiträge zur Hochschulforschung, Heft 4, 25. Jahrgang, 2003, S. 33.

Unabhängig davon gilt dennoch: Wenn du Interesse und möglicherweise sogar Freude am Jurastudium hast, wirst auch du gute Leistungen erzielen können.

Gutes Abitur – Ein Indikator für Fleiß und Zielstrebigkeit!

3. Nebenjobs während deines Jurastudiums

Na klar – Studierenden fehlt es immer an Geld! Um deine finanzielle Situation im optimalen Gleichgewicht zu halten, wirst du während deines Studiums voraussichtlich arbeiten gehen müssen. Im besten Fall verbindest du dann das Nützliche mit dem Praktischen: Ein Job, bei dem du deine Jurafähigkeiten ausbauen sowie Einblicke in die Praxis gewinnen kannst und dabei auch noch Geld verdienst. Diese Kombination bringen insbesondere HiWi-Jobs[11] mit sich. Allerdings sind diese Jobs rar gesät. Die klassischen HiWi-Stellen sind an den Lehrstühlen der juristischen Fakultät oder in Kanzleien angedockt. Ob Stellenausschreibung oder Initiativbewerbung – oftmals wollen Lehrstuhlinhaberinnen und -inhaber bzw. Kanzleien sowohl dein Abiturzeugnis als auch deine bisherigen Studienleistungen im Bewerbungsprozess vorgelegt bekommen. Deren Hauptaugenmerk wird in den meisten Fällen eher auf den Noten während deines Studiums liegen. Denn in den HiWi-Jobs wirst du schwerpunktmäßig mit der Lösung juristischer Sachverhalte betraut bzw. in juristische Projekte eingebunden werden. Ein Indikator, ob dir die Lösung solcher Probleme mit dem juristischen Handwerkzeug gelingt, ist dabei eher der Nachweis bisheriger – durchschnittlicher bis überdurchschnittlicher – Studienleistungen.

Deine Abiturnote kann hingegen Faktoren wie Zielstrebigkeit und Fleiß unterstreichen – sie wird in den meisten Fällen jedoch eine untergeordnete Rolle spielen. Daneben soll aber keinesfalls unbeachtet bleiben, dass die Noten für viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht an oberster Stelle stehen. Oftmals kommt es auf das Zwischenmenschliche an. Niemand hat etwas davon, den oder die Jahrgangsbeste:n einzustellen, wenn diese Person schlechte Vibes in das Projekt-/Arbeitsteam einführt. Es gilt auch hier: Deine Abiturnote kann ein Indikator sein, muss es aber nicht zwingend.

Der sehr gute Abiturdurchschnitt – Ein Ass im Ärmel!

4. Die Abiturnote bei der Berufswahl

Auch nach dem Jurastudium kann dein Notendurschnitt noch einmal wichtig für dich werden. Wenn du z. B. Richterin oder Richter auf Probe in NRW werden möchtest und in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung kein Prädikat (mind. 9 Punkte) erreicht hast, kannst du auch dann zu einem Auswahlgespräch eingeladen werden, wenn du weniger als 9,00 Punkte, aber mindestens 7,76 Punkte erreicht hast und du dich durch besondere persönliche Eigenschaften auszeichnest. Dies können z. B. besondere Leistungen im Abitur, im Studium oder in der ersten juristischen Staatsprüfung sein.[12] Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der jedoch nie allein die Note im Abitur von Bedeutung ist, sondern der schulische und berufliche Werdegang insgesamt, d.h. auch die Note im 1. Staatsexamen ebenso wie persönliches oder soziales Engagement berücksichtigt wird. Aus diesem Grund wird auf der Homepage auch keine konkrete Durchschnittsnote genannt, ab der sicher immer eine Einladung erfolgt. Mithin wird eine sehr gute Note im Abitur jedenfalls die Wahrscheinlichkeit erhöhen, zum Auswahlverfahren in Form eines Assessment-Centers eingeladen zu werden.

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5. Fazit

Wie wir sehen, kann deine Abiturnote vor, während und nach deinem Jurastudium noch von Bedeutung für dich sein. Oftmals hat diese Note eine reine Türöffnerfunktion. Je besser sie ist, desto leichter werden sich einige schwere Türen auf deinem juristischen Lebensweg öffnen lassen. Aber auch wenn du nicht gerade einen Einserschnitt im Abitur erreicht hast, solltest du deinen Kopf nicht hängen lassen. Zu deinem Wunschstudienort kannst du möglicherweise auch zu einem späteren Zeitpunkt – während des Studiums oder zum Referendariat – wechseln. Auch deine Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ist nicht auf deinem Oberstufenniveau stehen geblieben. Durch die passenden Lernmethoden kannst du auch im Jurastudium Freude an der Lösung juristischer Problemkomplexe finden und so möglicherweise peu à peu deine Noten steigern. Dies kann letztlich auch dazu führen, dass du aufgrund deiner Ergebnisse in der Ersten und Zweiten Juristischen Prüfung nicht mehr von deiner Abiturnote abhängig bist.


[1] Mit erfolgreichem Abschluss der Ersten Juristischen Prüfung erlangst du an den meisten Universitäten den Abschluss „Diplom Jurist“ oder „Magister iuris“.

[2] Eine Übersicht aktueller NC-Werte (WS 2021/2022) für das Jurastudium findest du unter: https://www.talentrocket.de/(zuletzt abgerufen am 06.09.2022).

[3] Private Hochschulen mit Abschlussziel Erste Juristische Prüfung sind u. a.: Bucerius Law School (Hamburg), EBS-Universität für Wirtschaft und Recht (Wiesbaden), BSP Business and Law School (Berlin).

[4] Abrufbar unter: https://www.ebs.edu/de/studienprogramm/ (zuletzt abgerufen am 06.09.2022).

[5] Abrufbar unter:  https://www.law-school.de/ (zuletzt abgerufen am 06.09.2022).

[6] Für eine Übersicht über die Studiengebühren an Law Schools siehe: https://www.privathochschulen.net/ (zuletzt abgerufen am 06.09.2022).

[7] Meier, B.: Ist der Erfolg im Jurastudium vorhersagbar? Empirische Befunde zum Zusammenhang zwischen Schulnoten und Abschneiden im Ersten Juristischen Staatsexamen, Beiträge zur Hochschulforschung, Heft 4, 25. Jahrgang, 2003, abrufbar unter: https://www.bzh.bayern.de/.

[8] Unberücksichtigt bleibt ein etwaiges Schwerpunktstudium. Ein solches gab es erst ab dem Wintersemester 2004/05.

[9] Meier, B. (Fn. 7), S. 1.

[10] Meier, B. (Fn. 7), S. 1.

[11] Häufig auch als „studentische Hilfskraft“ oder „studentischer Assistent“ bezeichnet.

[12] Vgl. Einstellungsvoraussetzungen – Die Voraussetzungen für die Ernennung zur Richterin/zum Richter, abrufbar unter: https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/(zuletzt abgerufen am 06.09.2022).

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Roman Kollenberg
Roman Kollenberg
Roman Kollenberg ist wissenschaftlicher Assistent bei Herrn Prof. Dr. Urs Saxer, LL.M. (Columbia) – Titularprofessor für Völker-, Staats-, Verwaltungs- und Medienrecht an der Universität Zürich sowie studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Umweltrecht, und Verfassungsgeschichte (Prof. Dr. Michael Kotulla, M.A.) an der Universität Bielefeld.

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